Stil


Stil allgemein

Wo Menschen sind, ist auch Stil. Denn sobald sich Menschen über ihre Sprache, ihre Kleidung, Wohnungseinrichtung, über Musik- und Kunst ausdrücken, haben sie einen Stil. Mit dem Stil stellen sie sich nach außen hin dar und geben sich dadurch auch eine eigene Note. Stil ist also die kennzeichnende Ausdrucksform der Menschen. Stile bilden sich immer in der Abweichung von der Norm oder dem bis dahin als normal begriffenen Stil heraus.

Mit dem jeweils anderen Stil können Menschen sich innerhalb einer Gruppe voneinander unterscheiden. Sie können sich aber auch als Gruppe innerhalb einer Region oder als Region (wie Lederhosen in Bayern) innerhalb eines Landes charakteristische Stilmerkmale geben. Außerdem gibt es Stile, die ganzen Nationen (wie der Kleidungsstil des indischen Saris) oder Zeitabschnitten (wie das Tragen von Reifröcken im Rokoko) zugeordnet werden. Stile dienen deshalb einerseits zur Unterscheidung von anderen Stilen, zum anderen aber auch zur Zuordnung zu einem bestimmten Stil.
Ein Punker beispielsweise unterscheidet sich durch seine bunte Hochfrisur und seiner absichtlich zerrissenen Kleidung von den – aus seiner Sicht – spießigen Nichtpunkern, die sich der Konsumgesellschaft unterwerfen und normale Haare und gepflegte Kleider tragen. Gleichzeitig ordnet er sich aber auch der Gruppe der Punker und ihrem gemeinsamen Kleidungs- und Lebensstil zu.
Dass er von anderen gleich als Punker erkannt werden kann, dass also sein Stil von anderen klar zuordenbar ist, liegt daran, dass der Stil klar geprägt und möglichst unverwechselbar ist: Eben durch bunte Hochfrisuren und zerrissene Kleidung.

Nicht nur der Punkerstil, sondern auch andere Stile zeichnen sich dadurch aus, relativ leicht erkannt werden zu können und möglichst unverwechselbar zu sein. Damit sie leicht erkannt werden können, folgen sie einem Grundmuster, das sich immer ähnlich wiederholt und als gesamtes Muster möglichst gleich bleibt.
Trotzdem kann es innerhalb eines Stils auch weitere Unterstile geben oder sich der Stil insgesamt ausdifferenzieren oder verfeinern und sich dadurch allmählich verändern. Allerdings nur so weit, dass sein allgemeines oder grobes Grundmuster noch erkennbar ist.

Wenn es jemand gelingt, einen so eigenen Stil zu entwickeln, dass er keinem anderen Stilmuster zuzuordnen ist, kann man von einem persönlichen oder individuellen Stil sprechen. Es gibt allerdings Gesellschafts-Wissenschaftler, die bezweifeln, dass es überhaupt möglich ist, einen individuellen Stil zu haben. Ihrer Meinung nach ist auch ein individueller Stil nur eine Zusammenstellung aus verschiedenen anderen Stilen.

Stil sollte übrigens nicht mit Stilisierung oder Styling verwechselt werden. Das Stilisieren gilt als  bewusster Rückgriff auf alte oder schon vorhandene Stile. Es folgt also bereits vorgegebenen Mustern und schöpft nicht einen neuen Stil. Jemand, der sich beispielsweise nur aus Modezwecken die Haare bunt färbt und die Hose zerreist, stilisiert sich zwar als Punker, ist aber keiner.

Stil in der Literatur

In der Literatur bezeichnet der Stil zuerst einmal die besondere Schreib- oder Erzählweise des Autors. Also das, wodurch sich das Werk des einzelnen Autors von anderen Werk-, Gattungs- oder Epochenstilen unterscheidet und wodurch es als das Werk genau dieses Autors erkennbar wird. Der Stil eines Autors ist selbstverständlich nicht festgeschrieben, sondern kann sich im Laufe der Zeit entwickeln, verfeinern oder auch völlig verändern. Als besondere Ausdrucksform des einzelnen Künstlers passt sich der Stil dem Erleben und Erkennen des Autors an.
Als Stil, der sich nicht unabhängig vom Erleben des Autors entwickelt, ist er aber immer auch abhängig von der Zeit und dem Umfeld, in dem der Autor lebt. Aus dem Grund kann man Werke auch meistens einem Gattungs-, Epochen-, oder auch Gruppenstil zuordnen. Stil bezeichnet neben der besonderen Werkstil eines Autors also darüber hinaus auch charakteristische, künstlerische Ausdrucksformen, die eine ganze Gattung, Epoche oder Gruppe betreffen.

Wie alle Stile prägt sich auch der literarische Stil einerseits durch die Wiederholung bestimmter eigener Muster, andererseits durch die Abweichung von anderen Stilen oder Sprachregeln aus. Als Abweichung setzt sich der individuelle oder eigene Werkstil vom Gruppen- und Epochenstil ab, der Epochenstil unterscheidet sich dagegen von anderen Epochenstilen.
Oft können Epochenstile erst im Nachhinein erkannt und den jeweiligen Werken zugeordnet werden. Innerhalb einer Epoche selbst existieren meistens mehrere Stile nebeneinander, vermischen sich zum Teil untereinander und sind nicht klar voneinander unterscheidbar. Es gibt immer wieder Autoren, die verschiedenen Epochen zugerechnet werden können. Selbst Johann Wolfgang von Goethe, der die Epochen Sturm und Drang und die Klassik wesentlich mitgeprägt hat und für sie steht, hat mit Wilhelm Meisters Wanderjahre ein Werk geschrieben, das mehrere Stil-Elemente der Romantik aufweist.
Doch auch wenn man einzelne Elemente eines Werks oder zum Teil auch ganze Werke nicht klar einer Epoche zuzuordnen kann, so ist jeder Stil trotzdem durch gewisse Muster oder Charakteristika bestimmbar. Und zwar unabhängig davon, ob es ich um eine Epoche, Gattung, Künstlergruppe oder das einzelne Werk eines Künstlers handelt.

Stilanalyse

Welchen Stil ein Autor hat, kann man schon emotional, also mit dem Gefühl, während des Lesens erfassen. Die Schreibweise kann einem beispielsweise sehr umständlich, feierlich oder schwierig, oder umgekehrt auch sehr einfach, sachlich oder alltagssprachlich vorkommen. Man spricht dann je nachdem von einem leichten oder primitiven, mittleren, schweren, gewundenen oder gehobenen Stil oder einer Stillage.
Die Beschreibung der Stillage ist allerdings etwas ungenau, weil sie stark vom persönlichen Empfinden und Geschmack des Lesers abhängt.
Man kann den Stil aber auch rational, also mit dem Verstand erfassen. Dabei muss man den Text genauer ansehen und sich fragen, mit welchen sprachlichen Stilmitteln der Autor den Inhalt, die Handlung und das Thema seines Werks dargestellt und in Form gegossen hat.
Zu den sprachlichen Stilmitteln gehört beispielsweise, welche Wortwahl, welchen Satzbau, welche rhetorischen Figuren und welchen Rhythmus der Autor benutzt und wie er sein Werk gliedert und aufbaut.
Ob der Stil nur innerhalb des Buchs oder innerhalb mehrerer Bücher vom Autor benutzt wird, kann man natürlich erst dann erkennen, wenn man verschiedene Texte eines Autors miteinander vergleicht. Dann wird man auch bemerken, ob sich der Stil des Autors im Laufe seines Lebens entwickelt, verfeinert oder sogar völlig verändert hat.

Neben der Sprachanalyse gehört zu einer Stilanalyse auch die Untersuchung des Inhalts, des Themas und der Symbolik, die im Werk verwendet wurden.
Ein Autor, der beispielweise in vielen seiner Texte über das Herabfallen schwarzer Vögel vom Himmel schreiben würde, würde allein anhand dieses ungewöhnlichen Themas oder dieser merkwürdigen Symbolik einen besonderen Werkstil haben.
Ein anderer Autor, der über die Sinnlosigkeit des Lebens schreibt, ordnet sich allein thematisch dem Gattungsstil der absurden Literatur zu.
Um überhaupt zu bemerken, dass der eine Autor oft über fallende schwarze Vögel, der andere über die Sinnlosigkeit des Lebens schreibt, muss man natürlich sowohl die meisten Bücher des jeweiligen Autors kennen als auch einen guten Überblick über die Grundmuster verschiedener Gattungs-, Epochen- und Gruppenstile haben.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man sich bei der Stilanalyse genau ansehen muss, welche Themen vorherrschend sind, wie sie in Sprache und Rhythmus gekleidet, welche Bauart und Gliederung sie haben und wie Bilder und Sprache miteinander kombiniert werden. Gleichzeitig muss man sie mit anderen Werken vergleichen, um wieder kehrende Grundmuster eines Stils erkennen zu können.
Die Stilanalyse insgesamt ist von der Interpretation des Lesers abhängig und dadurch immer auch wertend. Bei der Stilanalyse ist es deshalb wichtig, sich darüber klar zu werden, aus welcher geschichtlichen und gedanklichen Haltung oder Position man heraus interpretiert. Dies sollte man innerhalb der Analyse den Lesern auch offen legen.
Die Disziplin, die sich mit der Stilanalyse auseinander setzt, heißt Stilistik. Sie gilt als Grundlagenforschung der Literaturwissenschaft. Durch sie können sowohl die einzelne, schöpferische Leistung des Künstlers als auch epoche-, gattungs- oder gruppenbildende Stile erkannt werden.

Quiz

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