Romantik
Die Epoche der Romantik umfasst die Malerei, Musik und Literatur. |
Merkmale der Romantik
Die Romantik hat es oft schwer. Als Gefühlsduselei wird sie verlacht oder missverstanden und als fantastische Kinderei nicht ernst genommen.
Wer in unserer Alltagssprache den Begriff „romantisch“ verwendet, meint damit meistens harmonische Abendessen bei Kerzenlicht oder kitschige Sonnenuntergänge. Auch die Romantik als Epoche wird oft als Zeitraum schwärmerischer Geschichten und Kindermärchen herab gesetzt.
Dabei hat die Romantik nur ganz am Rande etwas mit Sonnenuntergängen und Märchen-Geschichten für kleine Kinder zu tun. In ihrem Kern ist sie vielmehr ein Sammelbecken des Entgegengesetzten, Unausgewogenen, Brüchigen und ist dadurch die Wiege unseres modernen Denkens.
Ganz anders als die Epochen davor, die wie die Aufklärung noch an den glücksbringenden Fortschritt von Technik und zweckgebundenem Verstand oder wie die Klassik an die Möglichkeit einer Harmonie zwischen Gefühl, Verstand und Gesellschaft glaubten, weiß der Romantiker, dass der Fortschritt in unmenschliche, von Maschinen bestimmte Verhältnisse führen kann, und ahnt, dass die Harmonie zwischen Gefühl, Verstand und Gesellschaft wegen der komplizierten, menschlichen Psyche langfristig nicht möglich ist.
Illustration: Caspar David Friedrich
„Der Träumer“
Im Verständnis der Romantiker ist der Mensch ein vereinzeltes, von der Natur und Gesellschaft abgesondertes, auf sich selbst gestelltes Wesen. Die Romantik ist deshalb eine Epoche des Zweifelns, der Psychologie, der Zerrissenheit und auch der Subjektivität oder Vereinzelung der Menschen. Und genau das ist auch der Grund, warum sie sehr modern und unserem Empfinden heute eigentlich immer noch sehr nah ist.
Die Zerrissenheit und Kompliziertheit der Psyche findet sich den romantischen Texten übrigens oft in dunklen Bildern wieder: Menschen haben Doppelgänger, kämpfen mit Dämonen, werden verwunschen und wieder erlöst, träumen beängstigende Dinge, wandern rastlos durch die Gegend und verlieben sich bis zum Wahnsinn.
Wie kommt es dann aber, dass der Volksmund oder Laie unter „Romantik“ und „romantisch“ etwas ganz anderes versteht?
Einer der Gründe ist sicher, dass die Romantiker aus ihrem gespaltenen, von der Natur abgesondertem Lebensgefühl einen Schluss zogen, der auf uns heute schwärmerisch, überzogen, vielleicht sogar lächerlich wirkt:
Illustration: Caspar David Friedrich
„Wanderer über dem Nebelmeer“
Im Unterschied zu den meisten Menschen heute, fanden die Romantiker sich nämlich nicht mit der Trennung zwischen Natur, Mensch und Gesellschaft ab, sondern sehnten sich trotz besseren Wissens nach deren Einheit und Verschmelzung. Mehr noch: Sie sehnten sich auch nach der Verschmelzung von Endlichkeit und Unendlichkeit. Die Wurzel dieser irrationalen, das heißt vernunftwidrigen Sehnsucht lag in ihrem Glauben, dass die Menschen eigentlich mit der Natur und dem Unendlichen, Absoluten eins sind. Ihrer Meinung nach gab es diesen beinahe paradiesischen Zustand noch vor der Aufklärung, im Mittelalter, weshalb das Mittelalter eine große Ausstrahlungskraft auf die Romantik hatte. Und weil es nach Meinung der Romantiker schon einmal eine Zeit gab, in der die Menschen noch nicht so von der Natur entfremdet und in sich zerrissen waren, müsste es deshalb auch möglich sein, diesen Zustand auf irgend eine andere Weise wieder herzustellen.
Tatsächlich entdeckten sowohl die romantischen Philosophen als auch die romantischen Autoren in der Kunst das Mittel zur Verschmelzung. In der Kunst konnten ihrer Meinung nach die Widersprüche zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Verstand und Gefühl, Natur und Gesellschaft, Endlichkeit und Unendlichkeit, zusammen gebracht und auf einer höheren Ebene miteinander verschmolzen werden. Der bekannte Dichter Novalis meinte, dass ein Text dann romantisch sei, wenn der Autor „dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehen, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Sinn“ gäbe.
Wie genau so ein Text aussehen müsste, darüber gab es allerdings unterschiedliche Meinungen und Methoden.
Die einen romantische Autoren versuchten, die Kluft zwischen altem, gedacht einheitlichem und neuem, gespalten empfundenem Leben durch das Schreiben historischer, also geschichtlicher Romane zu überbrücken.
Illustration: Ludwig Richter
„Märchenmütterchern“
Andere beschäftigten sich mit dem Volk und seiner Dichtung, weil sie glaubten, dass das Volk immer noch näher an der Natur war als das gebildete Bürgertum. Da die ältesten Volksdichtungen Märchen, Lieder und Sagen sind, beschäftigten sich einige romantische Dichter damit. Manche Dichter wie die berühmten Brüder Grimm sammelten die bis dahin mündlich weiter gegebenen Volksmärchen und schrieben sie auf. Andere Dichter wie E.T.A. Hoffmann, Clemens Brentano, Wilhelm Hauff oder Ludwig Tieck schrieben lieber eigene Kunstmärchen. Übrigens sammelten und schrieben die romantischen Autoren ihre Märchen in erster Linie für Erwachsene und nicht für Kinder.
Und wieder andere romantische Schriftsteller überlegten sich, wie man die Einheit mit rein literarischen Mitteln erschaffen könnte. Sie fragten sich also, wie ein Text geschrieben werden müsste, um darin den ursprünglichen und absoluten Zustand des Menschen herzustellen. Sie machten sich viele komplizierte und kluge Gedanken darüber und kamen zu mehreren Ergebnissen. Eines der wichtigsten Ergebnisse war, dass man sich keinem Regelzwang unterwerfen sollte. Man sollte das Leben in seiner Ganzheit und ohne Eingrenzungen zu Wort kommen lassen und deshalb so schreiben, wie man fühlte, träumte, dachte. Weil man umgekehrt das Leben mit seinem Texten „romantisieren“ wollte, sollte man seine Geschichten auch nicht nur in der sicht- und begreifbaren Alltagswelt handeln lassen, sondern der Alltagswelt durch seelische Abgründe, fantastische Begebenheiten, Träume eine tiefere, wunderbare Bedeutung geben.
Als Genre eignete sich der Roman als „Großform der Dichtung“ dazu sehr gut. Vor allem dann, wenn er möglichst viele Genres wie Gedichte, Lieder, Novellen und Märchen in sich aufnahm. Der Roman wurde dadurch neben dem Märchen zum beliebtesten Genre der Romantik.
Ein anderes Ergebnis der vielen Überlegungen war, dass der Text möglichst offen, bruchstückhaft oder fragmentarisch sein und nie zu einem Ende kommen sollte. Denn das Fragment entsprach nach der Auffassung der Romantiker nicht nur dem ebenso verworrenen, bruchstückhaften Leben selbst, sondern verwies in seiner Unabgeschlossenheit gleichzeitig auf etwas Höheres: die Unendlichkeit.
Blaue Blume und Romantische Ironie
Unabhängig davon, mit welchen Mitteln die Romantiker versuchten, das Leben zu „romantisieren“ und ihren Texten einen tieferen, wunderbareren und höheren Sinn zu geben, sehnten sie sich alle nach dem Einklang mit der Natur und der Unendlichkeit.
Diese Sehnsucht ist deshalb Dreh- und Angelpunkt der Romantik und an ihr erkennt man den romantischen Autor.
Symbol der romantischen Sehnsucht wurde die „Blaue Blume“. Beschrieben wird sie von Novalis in dem Roman Heinrich von Ofterdingen. Der Protagonist Heinrich träumt von einer hohen, lichtblauen Blume. Doch als er sich ihr nähern will, verändert sie sich und streckt ihm in ihrem Blütenkelch plötzlich ein zartes Gesicht entgegen. Dieses Bild löst in Heinrich eine unstillbare Sehnsucht aus und offenbart ihm, dass das Leben einen höheren Sinn als den allein sichtbaren hat. Daran anschließend wurde die Blaue Blume allgemein zum romantischen Sinnbild der Sehnsucht nach der Vereinigung mit dem Absoluten, der Unendlichkeit, aber auch mit dem anderen in der vollkommenen Liebe.
Die Romantik wäre allerdings nicht wirklich die Epoche des Zweifelns, der Zerrissenheit und auch der Sehnsucht selbst, wenn sie ihren eigenen vielgestaltigen Versuchen, diese Sehnsucht zu stillen, nicht immer wieder einen Strich durch die Rechnung machen würde.
Die Romantiker haben deshalb ein wirksames Mittel gegen die gelungene Verschmelzung: Die Ironie.
Im allgemeinen Sprachgebrauch meint man mit „ironisch“, wenn man genau das Gegenteil von dem meint, was man sagt, um sich über eine Sache oder Person versteckt lustig zu machen.
Die romantische Ironie funktioniert etwas anders. Sie versteckt sich nicht, entlarvt aber die dargestellte Situation auch durch die Beschreibung ihres Gegenteils. Der Autor will sich mit der Ironie vom Text distanzieren und zeigen, dass subjektive Empfindungen und objektive Tatsachen auseinander klaffen und nie wirklich zur Deckung kommen. Manchmal weiß nur der Autor und der Leser um beide Bedeutungen, während der Protagonist selbst eine Weile im Dunklen tappt. Oft wird die romantische Ironie aber auch für den Protagonisten selbst erkennbar angewendet. Zum Beispiel, indem eine beinahe vollkommene und rührende Szene plötzlich zerstört wird.
Wie so etwas konkret aussehen kann, führt E.T.A. Hoffmann in dem Kunstmärchen Der Sandmann sehr plastisch vor: Ein Jüngling verliebt sich unsterblich in ein Mädchen, weil er denkt, dass er mit ihr vollständig eins werden kann. Erst als er sie heiraten will, bemerkt er, dass die junge Frau nichts weiter ist als eine sprechende Automaten-Puppe.
Nach unserem allgemeinen Sprachgebrauch übrigens gänzlich „unromantisch“, heiratet der Jüngling dann nicht einfach ein anderes, echtes Mädchen und wird mit ihr glücklich, sondern er wird im eigentlich „romantischen“ Sinne an seiner Liebe wahnsinnig. Und damit nicht genug: In seiner Verzweiflung darüber, dass die Einheit mit seiner Liebsten nur eine Einbildung war, klettert er auf den Kirchturm und stürzt sich in den Tod.
Links
http://www.rossipotti.de/ausgabe01/salon_albert.html
http://www.labbe.de/zzzebra/index.asp?themaid=591&titelid=2501
http://www.medienwerkstatt-online.de/lws_wissen/vorlagen/showcard.php?id...
http://www.pohlw.de/literatur/epochen/romantik.htm
http://www.trompis-zeitreise.de/Romantik.html
Quellenangabe
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Kautt, Annette: Romantik. In: Rossipotti-Literaturlexikon; hrsg. von Annette Kautt; https://www.literaturlexikon.de/epochen/romantik.html; Stand: 31.01.2013.