Elizabeth Shaw
* 4. 05. 1920 in Belfast (Irland)
† 27. 06. 1992 in Berlin
Leben
Elizabeth Shaw
Foto: Kunstarchiv Graetz und Shaw
Elizabeth Shaw wurde 1920 in Belfast (Irland) geboren. Damals gab es in ihrer Familie keinen Fernseher und kein Radio. Shaws Eltern waren begeisterte Büchersammler. So durften Elizabeth und ihre drei Geschwister die Bücher- und Zeitungssammlung des Vaters nach Herzenslust durchstöbern. „Den Geruch druckfrischer Zeitungen finde ich heute noch genauso anziehend wie manch anderer den Duft ofenfrischer Brötchen ...“ erzählt Elizabeth Shaw in ihrer Autobiographie.
Von 1938 bis 1940 studierte sie in London Kunst. Ihre Vorliebe galt der Zeichnung und Illustration. Während des zweiten Weltkriegs wurde sie zum Kriegsdienst einberufen und leistete als Mechanikerin Wehrdienst.
Nach dem Krieg zog sie zusammen mit ihrem Ehemann, dem Bildhauer René Graetz in dessen Geburtsort Berlin. Die beiden waren Antifaschisten und glaubten an die Idee des
Sozialismus nach sowjetischem Vorbild. Wie etliche Künstler wollten sie in Deutschland der Nachkriegszeit helfen, ein neues Deutschland aufzubauen. Shaws Kunst wurde dabei aber nicht wesentlich von der sozialistischen Haltung beeinflusst.
Elizabeth Shaw hatte bereits in England Zeichnungen und Karikaturen angefertigt. Auch in Berlin arbeitete sie etwa 10 Jahre als Karikaturistin für Magazine wie den Eulenspiegel, Frischer Wind, Das Magazin, für die Zeitung Neues Deutschland und den Aufbau-Verlag.
Im Unterschied zu vielen Illustratoren, die erst dann anfangen für Kinder zu zeichnen, wenn sie selbst Eltern werden, begann Shaw erst für Kinder zu illustrieren als ihre beiden eigenen schon erwachsen waren. Erst als ihre Familie dringend Geld brauchte, schrieb und illustrierte sie Bilderbücher. Viele ihrer Bücher hat sie dabei selbst geschrieben. Die Geschichten, die sie vom Verlag zugeschickt bekam, fand sie nämlich zu schlecht. Sie traute sich zu, bessere zu schreiben.
1963 erschien ihr erstes Bilderbuch. Es hieß Der kleine Angsthase. Das Buch wurde sehr erfolgreich. Nach dem Erfolg dieses Buches erschienen viele weitere Bilderbücher. Der Illustrator Werner Klemke beschrieb Shaw als stillen, hintergründigen Menschen mit typisch britischem Humor.
Elizabeth Shaw starb 1992 in Berlin.
Werk und Bedeutung
Illustration: Elizabeth Shaw
„Die Schildkröte hat Geburtstag“
© Kunstarchiv Graetz und Shaw
Elizabeth Shaw gehörte zu den beliebtesten Illustratorinnen der DDR (Deutsche Demokratische Republik). Neben eigenen Texten illustrierte sie Texte von Mark Twain, Bertold Brecht und Fabeln von Christian Fürchtegott Gellert und anderen. Noch heute werden ihre Bücher gedruckt und erfolgreich verkauft.
Elizabeth Shaw hat einen unverwechselbaren Stil, den sie in mehr als 23 Kinderbüchern beibehielt.
Zuerst zeichnete sie die Umrisse mit Feder und Tinte. Locker leichte Strichzeichnungen aus feinen, klaren Linien sind ihr Markenzeichen. Danach kolorierte sie ihre Zeichnungen mit hellen, freundlichen Wasserfarben. Die Bilder wurden auf den weißen Hintergrund des Buches gesetzt. Den Text stellte sie in wenigen Zeilen daneben. Zwischen den Zeilen tauchen immer wieder charmante Figuren und kleine freigestellte Szenen auf. In vielen ihrer Bücher lässt sich dieses Wechselspiel von einigen Zeilen Text und illustrierten Szenen finden.
Bei ihren eigenen Kinderbüchern dachte sie lange über ein Thema nach, bevor es zu einem Buch wurde. Sie stellte sich vor, welche Ängste aber auch Sehnsüchte sie selbst als Kind hatte. Wie zum Beispiel bei Gittis Tomatenpflanze. Das Großstadt-Mädchen Gitti sehnt sich nach einem eigenen Garten. Dann schenkt ihr die Großmutter eine Topfpflanze. Gitti sieht der Pflanze, die sich als Tomatenpflanze entpuppt, voller Neugier beim Wachsen zu. Anlass zu diesem Buch war Shaws eigene Sehnsucht nach einem Garten.
Warum ihre Bücher bei Kindern so beliebt waren, hat sich Elizabeth Shaw selbst oft gefragt. Als sie einmal in einer Schule aus dem Buch Bettina bummelt lesen sollte, bemerkte sie, dass ihr das Buch nicht mehr gefiel. Sie fand es viel zu moralisch und beschloss, nie wieder vor einer Klasse zu lesen. Dennoch war es ihr wichtig, Kindern Werte wie Mut, Freundlichkeit und Rücksichtnahme zu vermitteln.
Illustration: Elizabeth Shaw
„Der kleine Angsthase“
© Kunstarchiv Graetz und Shaw
In Shaws wohl beliebtestem Buch Der kleine Angsthase überwindet die Hauptfigur seine Ängste. Shaw fasste den Begriff „Angsthase“ wörtlich auf: Ein Hasenkind wird von seiner Großmutter vor allen möglichen Gefahren gewarnt und dadurch zum Angsthasen. Er fürchtet sich vor Hunden, vor Räubern und Gespenstern, vor der Dunkelheit und dem Wasser. Er hat sogar Angst vor den anderen Hasenkindern und natürlich vor dem bösen Fuchs!
Die Geschichte ist so liebenswert, weil der Leser mit der sympathischen Hauptfigur gut mitfühlen kann: wer wurde noch nicht selbst einmal als „Angsthase“ bezeichnet?
Elizabeth Shaws tierische Charaktere sind den Menschen sehr ähnlich. Sie tragen Kleidung und wohnen in Häusern. Auch ihre Gefühlsregungen sind sehr menschlich. Elizabeth Shaw gelingt es, in den einfach gezeichneten Figuren Gefühle wie Wut, Trauer und Freude glaubhaft darzustellen. Die Angst des Häschens steht ihm tatsächlich im Gesicht geschrieben: Seine Schnurrhaare sind gekräuselt. Sie scheinen vor Angst zu zittern. Auch seine ängstliche Großmutter hat solche Schnurrhaare. Nachdem der Angsthase am Ende der Geschichte seine Angst überwunden hat, sind seine Schnurrhaare genauso gerade, wie bei den anderen Hasenkindern. Bei diesem Buch erinnerte sich Elizabeth Shaw daran, wie sie selbst als Kind war und wovor sie Angst hatte.
In Elizabeth Shaws Bildwelt gibt es gute und böse Protagonisten. Obwohl stets das Gute über das Böse siegt und alles gut ausgeht, sind ihre Geschichte glaubwürdig. Denn ihre Helden sind nicht perfekt. Sie haben Schwächen und Probleme, die sie aber in Notsituationen allein oder mit Hilfe anderer bewältigen können. Darum machen Elizabeth Shaws Geschichten Mut. Und sie machen Spaß! Ihre leicht lesbaren Texte und die lockeren Zeichnungen sind mit ihrem britischen Humor gewürzt und somit sehr unterhaltsam.
Illustration: Elizabeth Shaw „Wie Putzi einen Pokal gewann“
© Kunstarchiv Graetz und Shaw
Auszeichnungen (Auswahl)
1956, 1958, 1966-1972 und 1977 Auszeichung für „das schönste Buch der DDR“
1975 Kunstpreis der DDR
1979 Hans Baltzer Preis
1981 Käthe Kollwitz Preis der Akademie der Künste
1981 Gutenberg Preis der Stadt Leipzig
Titelauswahl
Der kleine Angsthast / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1963. Buchvorstellungen: () | |
Gittis Tomatenpflanze / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1964. Buchvorstellungen: () | |
Die Schildkröte / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1965. Buchvorstellungen: () | |
Wie Putzi einen Pokal gewann / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1967. Buchvorstellungen: () | |
Bella Belchaud und ihre Papageien / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1970. Buchvorstellungen: () | |
Bettina bummelt / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1971. Buchvorstellungen: () | |
Zilli, Billi und Willi / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1972. Buchvorstellungen: () | |
Das Bärenhaus / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1973. Buchvorstellungen: () | |
Die Schöne und das Ungeheuer / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1982. Buchvorstellungen: () | |
Der scheue Schneck / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1983. Buchvorstellungen: () | |
The little black sheep / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - O'Brien Press 1985. Buchvorstellungen: () | |
Wildschwein Walter / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 1988. Buchvorstellungen: () | |
Das einsame Zicklein / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - tabu Verlag 1996. Buchvorstellungen: () | |
Die Landmaus und die Stadtmaus / Shaw, Elizabeth (Text); Shaw, Elizabeth (Illu.) - Kinderbuchverlag Berlin 2000. Buchvorstellungen: () |
Links
Quellenangabe
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Spitzer, Katja: Elizabeth Shaw. In: Rossipotti-Literaturlexikon; hrsg. von Annette Kautt; https://www.literaturlexikon.de/illustratoren/shaw_elizabeth.html; Stand: 19.11.2010.
- Illustratoren
- Bauer, Jutta
- Berner, Rotraut Susanne
- Blake, Quentin
- Blau, Aljoscha
- Bofinger, Manfred
- Browne, Anthony
- Bruna, Dick
- Buchholz, Quint
- Budde, Nadia
- Busch, Wilhelm
- Carle, Eric
- Child, Lauren
- Couprie, Katy / Louchard, Antonin *
- Cousins, Lucy
- Ensikat, Klaus
- Erlbruch, Wolf
- Gleich, Jacky
- Hegen, Hannes
- Heidelbach, Nikolaus
- Hein, Sybille
- Heine, Helme *
- Herfurth, Egbert
- Janosch
- Junge, Norman
- Klemke, Werner
- Knorr, Ruth
- Könnecke, Ole
- Lionni, Leo
- Mitgutsch, Ali
- Müller, Jörg
- Nordqvist, Sven
- Ohser, Erich
- Pfüller, Volker
- Pin, Isabel
- Rubin, Eva Johanna *
- Scheffler, Axel
- Schössow, Peter
- Sendak, Maurice
- Shaw, Elizabeth
- Sís, Peter
- Sowa, Michael
- Spohn, Jürgen
- Stich, Lisl
- Tan, Shaun
- Tezuka, Osamu
- Thé Tjong-Khing
- Ticha, Hans
- Toriyama, Akira *
- Trier, Walter
- Tripp, F. J.
- Ungerer, Tomi *
- Waechter, F. K.
- Waechter, Philip
- Wikland, Ilon
- * Hinweis