Maurice Sendak
* 10. Juni 1928 in Brooklyn/New York, USA
† 8. Mai 2012 in Denbury/Connecticut, USA
Leben
Maurice Sendak
Maurice Sendak war das jüngste von drei Kindern. Seine Eltern waren polnische Juden, die in den 1920er Jahren nach Amerika eingewandert waren.
Als Kind war Sendak lange krank, weshalb er den anderen Kindern oft nur durch das Fenster draußen beim Spielen zusehen konnte. In dieser Zeit fing er mit dem Zeichnen an und skizzierte die spielenden Kinder. Außerdem sah er sich oft Bilderbücher an und las u.a. Mickey Mouse Comics. Mit sechs Jahren machte er zusammen mit seinem älteren Bruder Jack sein erstes Bilderbuch. Auch die Bilderwelt des Kinos, das damals meistens schwarz weiß und manchmal noch ohne Ton war, faszinierte ihn. Den Dick und Doof-Schauspieler Oliver Hardy kann man zum Beispiel in Sendaks Buch In der Nachtküche in den Gesichtern der Köche wieder erkennen. Mit zwölf Jahren sieht Sendak den Walt Disneyfilm Fantasia und beschließt, Zeichner zu werden.
Neben diesen Eindrücken prägte Maurice Sendak vor allem seine jüdische Herkunft. Von seinem Vater hörte er viele Geschichten über das jüdische Leben in Polen und Europa. Als die Juden im Zweiten Weltkrieg (1939-1945) in mehreren Ländern Europas von Adolf Hitler und den Deutschen verfolgt wurden, lernte Maurice Sendak viele in die USA ausgewanderten Juden kennen, die seine Eltern besuchten. Außerdem bekam er mit, dass die in Europa zurück gebliebene Familie seines Vaters im Zweiten Weltkrieg umgebracht wurde.
Viele Jahre später setzte sich Maurice Sendak in dem Buch Brundibar mit dem Holocaust und der Vernichtung der Juden offen auseinander. Brundibar war ursprünglich eine Kinderoper, die Adolf Hoffmeister und Hans Krasa 1938 geschrieben haben, und die 1943 und 1944 in dem Konzentrationslager Theresienstadt aufgeführt wurde, um den Kindern Mut und Hoffnung zu geben. Tony Kushner hat sie 2003 nacherzählt und Maurice Sendak bebildert. In dem Buch gelingt es Kindern, sich zusammenzuschließen und gegen den kinderhassenden, gewalttätigen Leierkastenmann Brundibar zu revolutionieren.
Aber auch in anderen Büchern findet man Hinweise auf den jüdischen Hintergrund Sendaks. Das bekannte Buch Wo die wilden Kerle wohnen ist nach Maurice Sendak selbst ein sehr jüdisches Buch, weil es das Lebensgefühl eines jüdischen Einwandererkindes der ersten Generation in den USA schildert.
Während seiner Schulzeit, die Maurice Sendak insgesamt schrecklich in Erinnerung hat, illustrierte er ein Biologiebuch und zeichnete die Hintergründe eines Comicbuchs. Nach seinem Schulabschluss wurde er Dekorateur bei einem New Yorker Spielzeugladen, und machte ein Abendstudium bei der Kunstschule New York Art Students League.
1951 erschien bereits das erste von ihm illustrierte Kinderbuch zu einem Text von Marcel Ayme The wonderful farm.
1963 gelang Maurice Sendak mit Where the wild Things are (Wo die wilden Kerle wohnen) der internationale Durchbruch. 1964 erhielt er für dieses Buch die höchste amerikanische Auszeichnung, die Caldecott-Medal.
1967 war für ihn persönlich ein sehr schweres Jahr. Zuerst erfuhr er von der Krebserkrankung seiner Mutter, dann starb sein heißgeliebter Hund. In dem Buch Higgelty Piggelty Pop setzte er ihm ein Denkmal.
Seit Beginn seiner Karriere hat Sendak mehr als 80 Bücher, darunter auch Werke für Erwachsene, verfasst oder mitgestaltet und war bei mehreren Opern- und Fernsehproduktionen beteiligt.
Für sein Werk erhielt Maurice Sendak viele Preise und Auszeichnungen, unter anderem den Hans Christian Andersen Award als Illustrator und den Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis.
Maurice Sendak starb am 8. Mai 2012 mit 83 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.
Werk und Bedeutung
In den USA ist Maurice Sendak einer der am meist geachteten Kinderbuchillustratoren. Das Nachrichtenmagazin Time bezeichnete ihn als „Picasso der Kinder“ und die New York Times empfand ihn sogar als einen der „mächtigsten Männer der USA, denn er hat der Fantasie von Millionen Kindern Gestalt gegeben.“
Das war nicht immer so. Denn zu Beginn seiner Karriere empfand man Sendaks Zeichenstil, Schatten und Räume mit gekreuzten Linien zu skizzieren, zu europäisch und nicht zeitgemäß. Doch Sendak blieb mit der Unterstützung seiner Lektorin Ursula Nordstrom bei seinem Stil und feierte bald große Erfolge.
In Deutschland ist Maurice Sendak vor allem als Autor und Illustrator des Buchs Wo die wilden Kerle wohnen, das bei uns 1967 erschien, bekannt. Das Buch, in dem Max ohne Essen ins Bett muss und deshalb durch einen plötzlich wachsenden Urwald in seinem Kinderzimmer übers Meer zu den Wilden Kerlen segelt, ist hier längst zum Klassiker geworden.
Bekannt sind auch Sendaks Illustrationen zu den harmlos freundlichen Geschichten Der kleine Bär von Else Holmelund Minarik, die auch als Fernsehserie produziert wurden und hier immer wieder im Vorabendprogramm läuft.
Die meisten anderen Bücher Sendaks wurden allerdings entweder nicht ins Deutsche übersetzt oder sind nur wenigen bekannt. So zum Beispiel die einzigartige, phantastisch-theatralische Geschichte der Hündin Jenny, die von ihrem Herrchen wegläuft, weil es im Leben „mehr als alles“ geben muss und die nach etlichen, absurden Prüfungen am Ende einsam und verhungert in Frau Hules Welttheater aufgenommen und dort Hauptdarstellerin in dem sich ständig wiederholenden Stück Higgelti Piggelti Pop! wird. Oder das Buch Die Nachtküche, in dem Mickey nachts durch mehrere Stockwerke tief in den Teigtopf der Bäcker fällt, die ihn gleich zu Kuchenteig verarbeiten wollen. Mit Witz und Mut rettet sich Mickey in einem selbstgebackenen Flugzeug vor den Bäckern und schafft ihnen mit Milch sogar echten Ersatz.
Vielleicht liegt die sehr bruchstückhafte Aufnahme Sendaks in Deutschland an dem Vorbehalt, die viele - nicht nur in Deutschland - gegenüber seinen Werken haben.
Immer wieder wird dem Künstler vorgeworfen, dass er zu unvernünftig oder zu gruselig für Kinder sei. In dem fast textlosen Popup-Buch Mommy beispielsweise sucht ein Kleinkind in einem verwunschenen Haus seine Mutter, begegnet aber zuerst allen möglichen Mumien und monsterartigen Wesen.
Gegen den Gruselvorwurf lässt sich allerdings einwenden, dass Sendak meistens aus Sicht der Kinder erzählt und es diesen kindlichen Protagonisten immer gelingt, sich aus den bedrückenden Situationen mit Träumen, Wünschen oder Zaubern zu befreien. Die Geschichten bekommen dadurch märchenhafte Züge und helfen den Kindern, ähnlich wie Märchen, ihre Ängste zu verarbeiten und Mut zu machen. Tatsächlich werden die Wilden Kerle in der Behandlung verhaltensauffälliger Kinder eingesetzt.
Obwohl Maurice Sendak weniger als Autor und mehr als Illustrator bekannt ist, steht für Sendak das Bild im Dienst des Textes. Das heißt, dass der Illustrator versuchen muss, sich dem Text anzupassen und nicht mit seinen Bildern zu erdrücken. Insofern variiert der Stil von Sendak, je nachdem welchen Text er illustriert. Für E.T.A. Hoffmanns Nussknacker und Mausekönig hat er sich beispielsweise dem klassizistischen Stil des beginnenden 19. Jahrhunderts angepasst, während er sich bei Brundibar, eine polnische Oper über Unterdrückung und Befreiung, an dem tschechischen Maler Josef Lada orientiert hat. Die Szenen sind ähnlich volkstümlich, bunt und detailliert.
Trotzdem erkennt man Sendaks Zeichenstil jedes Mal gut wieder. Seine Bilder wirken etwas altertümlich und erinnern an Bilderbuchillustrationen aus dem 19. Jahrhundert, zum Beispiel an Sendaks Vorbild Randolph Caldecott. Neu bei Sendak ist allerdings, dass er realistische Bilder mit magischer Ausstrahlung schafft und das Traumhafte, Fantastische und Unbewusste ins Bild setzt. Seine häufig schraffierten Figuren, Räume und Szenen zeichnet Sendak übrigens meistens mit Tusche und zarten Wasserfarben, manchmal auch mit Kreidefarben.
Auszeichnungen
1964 Caldecott Medal für Where The Wild Things Are (Wo die wilden Kerle wohnen).
1964 Lewis Carroll Shelf Award.
1970 Hans Christian Andersen Award.
1983 Laura Ingalls Wilder Award
1996 National Medal of Arts
2003 Astrid-Lindgren-Gedächtnis-Preis
Titelauswahl
(die Originalausgaben in englischer Sprache sind in Klammern angegeben.)
Der kleine Bär / Minarik, Else Holmelund (Text); Sendak, Maurice (Illu.) - Verlag Sauerländer 1959 (1957). Buchvorstellungen: () | |
Wo die wilden Kerle wohnen / Sendak, Maurice (Text); Sendak, Maurice (Illu.) - Diogenes Verlag 1967 (1963). Buchvorstellungen: () | |
Higgelti Piggelti Pop! Oder Es muss im Leben mehr als alles geben. / Sendak, Maurice (Text); Sendak, Maurice (Illu.) - Diogenes Verlag 1969 (1967). Buchvorstellungen: () | |
Hektor Protektor und als ich über den Ozean kam / Sendak, Maurice (Text); Sendak, Maurice (Illu.) - Diogenes Verlag 1971 (1965). Buchvorstellungen: () | |
In der Nachtküche / Sendak, Maurice (Text); Sendak, Maurice (Illu.) - Diogenes Verlag 1971 (1970). Buchvorstellungen: () | |
In Großvaters Haus / Sendak, Philip (Text); Sendak, Maurice (Illu.) - Diogenes Verlag 1987 (1985). Buchvorstellungen: () | |
Das Zauberbuch / Graves, Robert Ranke (Text); Sendak, Maurice (Illu.) - Diogenes Verlag 2003 (1962). Buchvorstellungen: () | |
Brundibar / Kushner, Tony (Text); Sendak, Maurice (Illu.) - Gerstenberg Verlag 2004 (2002). Buchvorstellungen: () | |
Nußknacker und Mausekönig / Hoffmann, E.T.A. (Text); Sendak, Maurice (Illu.) - cbj Verlag 2005 (1984). Buchvorstellungen: () |
Links
http://www.rossipotti.de/ausgabe01/rossipottis_leibspeise.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Maurice_Sendak
http://www.zeit.de/2004/42/KJ-Interview_Sendak?page=all
http://www.sueddeutsche.de/kultur/zum-tode-von-maurice-sendak-wilder-ker...
Quellenangabe
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Kautt, Annette: Maurice Sendak. In: Rossipotti-Literaturlexikon; hrsg. von Annette Kautt; https://www.literaturlexikon.de/illustratoren/sendak_maurice.html; Stand: 13.06.2012.
- Illustratoren
- Bauer, Jutta
- Berner, Rotraut Susanne
- Blake, Quentin
- Blau, Aljoscha
- Bofinger, Manfred
- Browne, Anthony
- Bruna, Dick
- Buchholz, Quint
- Budde, Nadia
- Busch, Wilhelm
- Carle, Eric
- Child, Lauren
- Couprie, Katy / Louchard, Antonin *
- Cousins, Lucy
- Ensikat, Klaus
- Erlbruch, Wolf
- Gleich, Jacky
- Hegen, Hannes
- Heidelbach, Nikolaus
- Hein, Sybille
- Heine, Helme *
- Herfurth, Egbert
- Janosch
- Junge, Norman
- Klemke, Werner
- Knorr, Ruth
- Könnecke, Ole
- Lionni, Leo
- Mitgutsch, Ali
- Müller, Jörg
- Nordqvist, Sven
- Ohser, Erich
- Pfüller, Volker
- Pin, Isabel
- Rubin, Eva Johanna *
- Scheffler, Axel
- Schössow, Peter
- Sendak, Maurice
- Shaw, Elizabeth
- Sís, Peter
- Sowa, Michael
- Spohn, Jürgen
- Stich, Lisl
- Tan, Shaun
- Tezuka, Osamu
- Thé Tjong-Khing
- Ticha, Hans
- Toriyama, Akira *
- Trier, Walter
- Tripp, F. J.
- Ungerer, Tomi *
- Waechter, F. K.
- Waechter, Philip
- Wikland, Ilon
- * Hinweis