Peter Sís

* 11.Mai.1949 in Brno (Brünn, Tschechoslowakei, heute Tschechien)

Leben

Peter Sís © Evan Cohen

Peter Sis wurde in Brünn geboren und wuchs in Prag auf. Sein Vater war Dokumentarfilmer, seine Mutter Künstlerin. Er wurde beides: Filmemacher und Bilderbuchkünstler. „Zeichnen war von Anfang an seine Lieblingsbeschäftigung,“ so heißt es in seinem Bilder-Sachbuch Die Mauer. In diesem Buch erzählt er von seiner Kindheit und Jugend hinter dem „Eisernen Vorhang.“ So nannte man die unsichtbare Trennlinie, die nach dem zweiten Weltkrieg bis 1991 die Welt in zwei Lager aufteilte. Auf der einen Seite, im Westen, standen die kapitalistischen Staaten, während im Osten die kommunistischen Staaten waren. Die Tschechoslowakei gehörte zu den kommunistischen Ländern, die mit der Sowjetunion verbündet waren.
Peter Sis studierte von 1968 bis 1974 Film- und Fernsehgrafik an der Kunstgewerbeschule in Prag und arbeitete zunächst als Trickfilmzeichner. Für seinen Kurzfilm Köpfe erhielt er 1980 bei der Berlinale in West-Berlin den Goldenen Bären. Als er 1982 für ein paar Trickfilmaufträge in die USA reiste, kehrte er nicht in sein Heimatland zurück. Heute lebt er mit seiner Frau in New York. Er hat zwei Töchter.
In den USA, Frankreich, Italien und Deutschland hat er für seine Bücher viele Preise gewonnen; 1999 erhielt er den Deutschen Jugendliteraturpreis für Tibet. Das Geheimnis der roten Schachtel.

Werk und Stil

Peter Sis’ Bilder sind aus winzigen, feinen Federstrichen gezeichnet, ähnlich wie bei Kupfer- oder Stahlstichen. Diese zum Teil dichten Gestöber aus feinen Linien koloriert Sis mit durchscheinenden, zarten Wasserfarben. Die Farben und die Striche sind beide gleich wichtig. Die Umrisslinien der Gegenstände, Figuren und Tiere sind nicht dominant. Dadurch vermitteln die Bilder Offenheit und wirken bisweilen grenzenlos.
Die Illustrationen sind kleinteilig und wirken sehr leicht. Viele kleine Dingen und Details füllen die Seiten und ergeben zusammen ein Muster, ein Mosaik oder ein Panorama. Mit Hilfe des Textes lassen sich die zahlreichen Dinge in seinen großen Bildern entschlüsseln, Text und Bilder wirken zusammen. Dabei findet Sis vielfältige Möglichkeiten unterschiedliche Textsorten – erklärenden, erzählenden oder gesprochenen – in unterschiedlichen Schrifttypen darzustellen und sie in, um und unter die Illustrationen anzuordnen.
Oft durchbricht Sís die normale Leserichtung, also die, die von links nach rechts und von oben nach unten verläuft. Um ein Bild ganz ansehen oder den Text darin lesen zu können, muss man die Seite drehen und wenden, manchmal auch ganz herum drehen. Wie zum Beispiel in seinem Bilderbuch Madlenka. Hier geht es um ein kleines Mädchen, dessen Zahn wackelt. Peter Sís hat sich in den ersten Bildern des Buches von oben zuerst in ihre Stadt, dann in ihr Stadtviertel und schließlich in ihren Häuserblock hinein gezoomt. Vor Freude über ihren ersten Wackelzahn, läuft sie aus dem Haus und einmal rund um den Häuserblock. Weil sie in New York in einem Viertel lebt, in dem Menschen aus ganz verschiedenen Gegenden der Welt leben, ist das so als würde sie einmal um die ganze Welt laufen.
Die Häuserblocks werden von oben gezeichnet und sehen selber aus wie ihr wackelnder Zahn. So verbindet Peter Sís die Außenwelt mit der Innenwelt des kleinen Mädchens Madlenka, die mit ihrer freundlichen Art die Herzen ihrer Nachbarn mit Leichtigkeit gewinnt. Besonders bemerkenswert ist, dass Sís Sichtfenster aus den Seiten herausschneidet, durch die wir einen Blick in die Welt der Leute verschiedenster Nationalitäten bekommen, die Madlenka besucht, um mit ihnen ihr Glück zu teilen. Sie wird durch diese Fenster in wirbelnde Abenteuerwelten entführt und bekommt durch die Menschen in ihrem Häuserblock Zugang zur ganzen Welt.
Die weite Welt ist ein Thema, das immer wieder in den Büchern von Peter Sís auftaucht. Denn auch über einen anderen Welt-Erkunder hat der Künstler ein Bilderbuch gemacht. In Der Baum des Lebens geht es um den Naturforscher und Wissenschaftler Charles Darwin. Jahrelang reiste dieser mit einem Segelschiff um die Welt, um verschiedene Tier- und Pflanzenarten zu erkunden. Wie bei Sís’ anderen Büchern kann man sich auch in die Bildern dieses Buch so richtig vertiefen. Zwar erzählt das Buch das Leben Darwins gemäß seiner zeitlichen Abfolge, doch die Seiten erscheinen wie Karten oder Ansammlungen voller kleiner, fantasievoller Details, die vom begleitenden Texte in andere Richtungen weiterführen. So vermittelt Sís nicht nur einen Einblick in die Arbeit, die Charles Darwin damit geleistet hat, dass er durch die Erforschung vieler unterschiedlicher Lebewesen die Evolutionslehre begründete, die erklären will, wie sich die Lebewesen entwickelt haben, sondern lädt zum Erforschen der Bildwelten auf. Auch in diesem Buch wird die Vielseitigkeit von Sís als Illustrator und Geschichtenerzähler deutlich. Mal lässt er in einer Seite viele kleine Einzelbilder sprechen, dann verteilt sich die Geschichte Darwins über eine Weltkarte, die eine ganze Doppelseite beansprucht.
Sís Bücher beschäftigen sich mit der Entdeckung der Welt und mit der Freiheit, auf Reisen gehen zu können und sich von neuen Eindrücken und anderen Kulturen inspirieren zu lassen. Wie in Die Mauer deutlich wird, ist das für Sís keine Selbstverständlichkeit, sondern ein kostbares Menschenrecht und eine Quelle für große und kleine Errungenschaften.

Auszeichnungen (Auswahl)

1980 Goldener Bär Berlinale für den animierten Kurzfilm Köpfe
2003 York Times, Das beste illustrierte Kinderbuch des Jahres für Der Baum des Lebens

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Links

http://www.petersis.com/index2.html