Eric Carle
* 25. Juni 1929 in Syracuse/New York
† 23. Mai 2021 in Northampton, Massachusetts
Leben
Eric Carle
© Wolfgang J. Dietrich
Eric Carle wurde in New York (USA) als erstes Kind deutscher Auswanderer geboren. Carle fühlte sich in New York sehr wohl. Mit seinen Eltern und deren Freunden machte er oft Ausflüge in die Natur, wobei vor allem sein Vater Erics Interesse an Insekten, Salamandern, Käfern, Schlangen, aber auch größeren Tieren weckte.
Als Eric Carle 1935 in New York in die Schule kam, entdeckte sein Lehrer schnell, dass Carle ein außergewöhnliches Talent zum Malen hatte und bat deshalb seine Mutter, dieses Talent zu fördern.
Doch im selben Jahr zog die Familie zurück nach Deutschland, wo es mit Erics Förderung erst einmal vorbei war. Denn, während man in dem sonnig hellen New Yorker Klassenzimmer mit bunten Farben und dicken Pinseln auf großen Bogen Papier frei experimentieren durfte, musste man in dem dunklen, engen, deutschen Klassenzimmer aufpassen, mit den harten Bleistiften auf kleinen Papieren keine „Fehler“ zu machen. Außerdem schlug der Lehrer den Kindern schon bei kleinen Vergehen auf die Hand.
Für Carle war die deutsche Schule ein Schock. Kein Wunder, dass er Sehnsucht nach Amerika hatte und so bald wie möglich wieder zurück wollte. Er vermisste auch seinen besten Freund aus New York. Viele Jahre später hat er dieser ersten tiefen Freundschaft sein Buch Die kleine Maus sucht einen Freund gewidmet.
Anstatt in Deutschland gegen die Lehrer zu rebellieren, versuchte Carle lieber seinen Hass auf die Schule zu verbergen und sich nach außen hin so gut wie möglich der grausamen Disziplin anzupassen und auf bessere Zeiten zu hoffen.
Bevor Eric Carle allerdings wieder nach Amerika konnte, erlebte er noch viele düstere Tage. Das Erholungsheim, in das er wegen seines geringen Gewichts geschickt wurde, war mit seiner grausamen Methode, das Essen regelrecht in die Kinder zu stopfen, noch relativ harmlos. Schlimmer war der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, der Einzug seines Vaters in die Wehrmacht und die mehrmalige Bombardierung Stuttgarts.
Doch es gab auch farbige Punkte während Carles Schulzeit. Zum Beispiel mehrere Ferien auf dem Bauernhof oder die Besuche bei seiner Tante Mina und seinem Onkel August. August war Maler und konnte wunderbare Geschichten erzählen. Und Mina gab ihm viele Leckereien zu essen. Carle selbst meint, dass er Jahre später deshalb die Geschichte von der verfressenen Raupe Nimmersatt geschrieben hat.
Nach dem Krieg begann Eric Carle auf die Empfehlung seines Kunstlehrers Herrn Krauss in Stuttgart ein Studium an der Akademie der Künste bei Prof. Schneidler. Schneidler ließ den sechzehnjährigen allerdings erst eine anderthalbjährige Lehre als Schriftsetzer machen, bevor er ihn als seinen richtigen Schüler aufnahm. Bei Prof. Schneidler lernte Eric Carle unter anderem die Collagetechnik. Nach Abschluss des Studiums bekam Carle gleich einen Job als künstlerischer Leiter eines Modemagazins. Doch Carle wollte immer noch zurück nach Amerika, und so brach er 1952 nach New York auf. Nachdem er dort Leo Lionni seine Arbeiten gezeigt hatte, wurde er von Lionni gleich an die Werbeabteilung der New York Times vermittelt.
Kurz darauf wurde er allerdings von der US Army als Soldat eingezogen und musste zwei Jahre Militärdienst leisten. Als deutsch sprechender Soldat wurde er in die amerikanische Besatzungszone nach Deutschland geschickt, wo er seine spätere Frau Dorothea Wohlenberg kennen lernte. 1954 kehrte er wieder nach New York zur New York Times zurück und heiratete. Mit Dorothea Wohlenberg bekam er eine Tochter und einen Sohn. Zwischen 1956 und 1963 wechselte Carle von der New York Times zu einer Werbeagentur, die Medikamente bewarb. Danach arbeitete er als freischaffender Grafiker und Illustrator und gestaltete dabei hauptsächlich Buchumschläge und Anzeigen.
Seine Karriere als Bilderbuchautor und – illustrator begann, als ihn Bill Martin fragte, ob er eine Geschichte von ihm illustrieren wollte. Martin war auf die Idee gekommen, weil er einen von Carle illustrierten roten Hummer gesehen hatte, der ihm sehr gut gefallen hatte. Das Buch Brown Bear, Brown Bear, What Do You See? (Brauner Bär, wen siehst du?) das 1967 erschien, war das Ergebnis ihrer gemeinsamen Arbeit.
Carle gefiel es so gut, Bilderbücher für Kinder zu machen, dass er bald auch eigene Geschichten schrieb. Sein erstes, eigenes Buch war 1,2,3, to the Zoo, dem kurz danach, 1969 The Very Hungry Caterpillar (Die Raupe Nimmersatt) folgte. Eigentlich wollte Carle zuerst kein Buch über eine Raupe, sondern über einen Bücherwurm machen. Doch seine Lektorin, Anne Beneduce, hielt das für keine gute Idee und schlug ihm statt des Wurms eine Raupe vor. Carle gefiel die Idee, nicht zuletzt deshalb, weil aus der Raupe ein Schmetterling werden konnte. Als Raupe Nimmersatt hatte das Buch dann einen riesigen internationalen Erfolg.
© Gerstenberg Verlag GmbH & Co. KG
Bald hatte Carle keine Lust mehr, für Werbeagenturen zu arbeiten, sondern wollte sich ganz den Bilderbüchern widmen. Denn wie er selbst sagte, wurde mit den Bilderbüchern sein „inneres Kind wieder lebendig“, das durch die vielen dunklen Erlebnisse vor allem in Deutschland verschüttet worden war.
1973 heiratete Eric Carle Barbara Morrison und zog mit ihr 1974 in ein abgelegenes Haus hinter den Hügeln nach Massachusetts, wo er bis 1988 wohnte.
2001 bekam Carle für sein künstlerisches Schaffen und die Vermittlung zwischen den Kulturen das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland. 2002 wurde das von ihm gegründete Eric Carle Museum eröffnet. In dem Museum werden national und international Bilderbuchkünstler ausgestellt.
Eric Carle lebt heute mit seiner Frau in Florida und North Carolina.
Werk und Stil
Eric Carle ist einer der erfolgreichsten Bilderbuchmacher unserer Zeit. Er hat über 70 Bücher illustriert, darunter die meisten auch selbst geschrieben. Er wurde in 46 Sprachen übersetzt und seine Bücher wurden mehr als 88 Millionen Mal gedruckt.
Eric Carle macht Bilderbücher für Kleinkinder, Kinder im Vorschulalter und zum Teil auch für Grundschüler. Meistens sind Tiere oder die Natur die Themen seiner Geschichten. Die Leser begleiten die Protagonisten bei Spaziergängen, Entdeckungen oder auch Begegnungen mit anderen Protagonisten und lernen gleichzeitig etwas.
In der Geschichte Gute Reise bunter Hahn will ein Hahn die Welt kennen lernen. Auf seine Reise nimmt er zwei Katzen, drei Frösche, vier Schildkröten und fünf Fische mit. Am Abend sind die Tiere hungrig, ihnen ist kalt, sie haben Angst und keinen Unterschlupf und so kehren sie wieder um. Mit dieser Geschichte kann der Leser gleich zwei Dinge spielerisch lernen: Zum einen die Zahlen eins bis fünf. Zum anderen, dass man sich nicht vor anderen lächerlich macht, wenn man ein geplantes Abenteuer aus Angst oder Unlust vorzeitig abbricht.
In Carles bekanntestem Buch Die kleine Raupe Nimmersatt frisst sich eine grüne Raupe durch viele Blätter und verschiedene Süßigkeiten, um am Ende des Buchs als wunderschöner Schmetterling davon zu fliegen. Neben der witzigen Geschichte über die maßlos gefräßige Raupe, lernt der Leser etwas über die Metamorphose, das heißt die Verwandlung, von der Raupe über den Kokon zum Schmetterling. Außerdem kann der Leser die Raupe auf ihrem Weg nicht nur mit den Augen, sondern auch mit den Fingern begleiten. Denn die gemalte Raupe hinterlässt in den Buchseiten echte Löcher. 2009 feiert die Raupe ihren 40. Geburtstag mit einem kunstvollen Pop-up-Buch, in dem die Raupe sogar bewegt werden kann.
Doch nicht nur die Raupe Nimmersatt kann man mit verschiedenen Sinnen erfahren. Viele Bücher von Eric Carle haben durch echte Lichter und Geräusche, Laschen zum Aufklappen oder unterschiedliche Oberflächen einen großen spielerischen Wert.
Eric Carles Geschichten sind leicht verständlich geschrieben und leben oft von der Wiederholung einzelner Bilder und ihrer plötzlichen Durchbrechung. In der Geschichte Die kleine Spinne spinnt und schweigt versuchen sich mehrere Tiere mit der Spinne zu unterhalten, doch „die kleine Spinne spinnt und schweigt“ nur jedes Mal. Erst als ihr Netz fertig ist, ändert sich die Zeile. Jetzt horcht der Leser gespannt auf: „Die kleine Spinne schweigt und – schwupp! hat sie die Fliege schon im Netz gefangen“.
Passend zur einfachen, kindlichen Sprache sind die großformatigen, bunten, figürlichen Papiercollagen auf dem oft weißen Grund. Dieser Stil hat einen großen Wiedererkennungswert.
Eric Carle gibt gerne Auskunft, wie er seine Bilder macht: Zuerst bemalt er weiße Seidenpapiere mit einer Farbe. Oft strukturiert er dann mit einer zweiten, dritten und manchmal auch vierten Farbe die einfarbige Grundfläche. Danach schneidet er die gewünschten Formen aus und klebt sie auf weißes Papier. Je nach Bedarf zeichnet er dann noch Details, wie Fühler, Streifen oder Flecken dazu. Braucht er für sein Bild keinen weißen, sondern einen bunten Hintergrund, malt er zuerst den Hintergrund und klebt dann die Figuren darauf.
Eric Carle möchte mit seinen Büchern einerseits zum Selbermalen und Gestalten anregen, andererseits möchte er mit den bewusst einfachen Darstellungen die Kinder langsam auf das Lernen vorbereiten. Dadurch soll die schwierige Phase zwischen spielerischem Kindergarten und leistungsorientierter Schule kreativ begleitet und den Kindern Geborgenheit vermittelt werden.
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frei übersetzt von Rossipotti
Auszeichnungen
(Auswahl)
2008 Kurt Vonnegut Jr. Literature Award.
2001 Bundesverdienstkreuz
2000 Japan Picture Book Award (Bilderbuchpreis Japans)
1989 Silbermedaille der Stadt Mailand
Titelauswahl
(die Originalausgaben in englischer Sprache sind in Klammern angegeben.)
Brauner Bär, Brauner Bär siehst du wen? / Martin, Bill (Text); Carle, Eric (Illu.) - Gerstenberg Verlag 1967. Buchvorstellungen: () | |
1, 2, 3 ein Zug zum Zoo - Leporello / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Stalling 1969 (1968). Buchvorstellungen: () | |
Die kleine Raupe Nimmersatt / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Stalling 1970 (1969). Buchvorstellungen: (1) | |
Die kleine Maus sucht einen Freund / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Gerstenberg Verlag 1971 (1971). Buchvorstellungen: () | |
Gute Reise, bunter Hahn / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Stalling 1972 (1972). Buchvorstellungen: () | |
Das Geheimnis der acht Zeichen - Ein Spiel-Bilderbuch / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Deutsche Buchgemeinschaft 1973 (1972). Buchvorstellungen: () | |
Der kleine Käfer Immerfrech / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Stalling 1977 (1977). Buchvorstellungen: () | |
Die kleine Spinne spinnt und schweigt / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Gerstenberg Verlag 1984 (1984). Buchvorstellungen: () | |
Nur ein kleines Samenkorn / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Gerstenberg Verlag 1987 (1970). Buchvorstellungen: () | |
Die kleine Grille singt ihr Lied / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Gerstenberg Verlag 1990. Buchvorstellungen: () | |
Eric Carles Großes Buch der Fabeltiere / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Gerstenberg Verlag 1992 (1991). Buchvorstellungen: () | |
Das kleine Glühwürmchen / Carle, Eric (Text); Carle, Eric (Illu.) - Gerstenberg Verlag 1995 (1995). Buchvorstellungen: () |
Links
http://www.eric-carle.com/home.html (englisch)
http://www.picturebookart.org/
http://www.kinderbuch-couch.de/eric-carle.html
Quellenangabe
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Kautt, Annette: Eric Carle. In: Rossipotti-Literaturlexikon; hrsg. von Annette Kautt; https://www.literaturlexikon.de/illustratoren/carle_eric.html; Stand: 30.05.2021.
- Illustratoren
- Bauer, Jutta
- Berner, Rotraut Susanne
- Blake, Quentin
- Blau, Aljoscha
- Bofinger, Manfred
- Browne, Anthony
- Bruna, Dick
- Buchholz, Quint
- Budde, Nadia
- Busch, Wilhelm
- Carle, Eric
- Child, Lauren
- Couprie, Katy / Louchard, Antonin *
- Cousins, Lucy
- Ensikat, Klaus
- Erlbruch, Wolf
- Gleich, Jacky
- Hegen, Hannes
- Heidelbach, Nikolaus
- Hein, Sybille
- Heine, Helme *
- Herfurth, Egbert
- Janosch
- Junge, Norman
- Klemke, Werner
- Knorr, Ruth
- Könnecke, Ole
- Lionni, Leo
- Mitgutsch, Ali
- Müller, Jörg
- Nordqvist, Sven
- Ohser, Erich
- Pfüller, Volker
- Pin, Isabel
- Rubin, Eva Johanna *
- Scheffler, Axel
- Schössow, Peter
- Sendak, Maurice
- Shaw, Elizabeth
- Sís, Peter
- Sowa, Michael
- Spohn, Jürgen
- Stich, Lisl
- Tan, Shaun
- Tezuka, Osamu
- Thé Tjong-Khing
- Ticha, Hans
- Toriyama, Akira *
- Trier, Walter
- Tripp, F. J.
- Ungerer, Tomi *
- Waechter, F. K.
- Waechter, Philip
- Wikland, Ilon
- * Hinweis