Carlo Collodi
* 24. November 1826 in Florenz
† 26. August 1890 in Florenz
Leben
Carlo Collodi
Carlo Collodi kam als Carlo Lorenzini in Nordost-Italien in der Toskana als Sohn eines Kochs des Marquis Ginori-Lisci und einer Kammerzofe auf die Welt. Carlo hatte mindestens zehn Geschwister (manche Bücher sagen elf, manche zwölf). Seine Mutter starb sehr früh. Der Marquis kümmerte sich um die Familien seiner Angestellten und übernahm die Kosten für die Ausbildung der Kinder seiner Bediensteten. So konnte Carlo nicht nur eine Schule besuchen, sondern mit 16 Jahren in Florenz ein Studium der Philosophie, der Redekunst und der Literatur aufnehmen.
Nach dem Studium übte er unterschiedliche Tätigkeiten aus. Er war Bibliothekar, Journalist, Chefredakteur politischer Zeitschriften und mitverantwortlich für die Herausgabe von Schulbüchern und einem Lexikon des Florentiner Sprachgebrauchs.
Er war aber auch „Revoluzzer“ (was in seinem Falle heißt: er kämpfte gegen ausländische Besatzer und gegen veraltete Sitten). Daneben war er auch Kunstkritiker, technischer Direktor am Florentinischen Teatro della Pergola, übersetzte französische Märchen ins Italienische und schrieb eigene Geschichten für Kinder. Sein mit Abstand bekanntestes Kinderbuch ist Pinocchio.
Das Leben und Wirken des Schriftstellers Carlo Lorenzini alias Collodi ist so eng mit dem Geschehen in seinem Lande verwoben, dass man das eine nicht erzählen kann, ohne das andere zu betrachten.
Italien zerfiel in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in verschiedene Königreiche, Grafschaften und große, selbständige Städte. Zu diesen gehörte auch Florenz, wo Collodi die meiste Zeit lebte. Florenz war über Jahrhunderte ein politischer und kultureller Mittelpunkt, zeitweise sogar die Hauptstadt Italiens.
Viele Maler, Bildhauer, Literaten und Karikaturisten lebten in Florenz. Zahlreiche ausländische Künstler, vor allem aus Frankreich, besuchten die Stadt. So kam auch Carlo Lorenzini mit ihnen und ihrer literarischen Kultur in Kontakt, lernte ihre Volksmärchen kennen und übernahm daraus auch Motive in seine Werke. Ein Beispiel für die gelungene Verarbeitung einer traditionellen französischen Märchenfigur in Collodis Werk ist die Fee mit den blauen Haaren, die Pinocchio immer wieder neue Aufgaben stellt, um ihn auf den rechten Weg zu bringen. Sie war es auch, die seine Nase wachsen ließ, als er schwindelte. Das geschieht im Verlauf der Geschichte übrigens nur ein einziges Mal. Und doch ist dieses Bild nahezu jedem Kind und Erwachsenen bekannt.
Collodi wurde aber nicht nur von der Kunst und Kultur beeinflusst, sondern auch von der politischen Lage des Landes. In Collodis Kindheit und früher Jugend waren Teile des heutigen Italiens mal von Frankreich, mal von Österreich besetzt. Die Unfreiheit, die sich daraus für die italienischen Menschen ergab, empfanden Carlo und seine Brüder so stark, dass sich die jungen Männer freiwillig an der Schlacht um Montanara beteiligten. Dieser Kampf gegen die österreichische Armee ging verloren. Aber das Streben nach politischer und kultureller Selbständigkeit des italienischen Volkes bestimmten das ganze weitere Leben von Carlo Lorenzini.
In dem noch unvereinten Italien wurde Carlo Lorenzini als politisch aktiver Autor bekannt, der für die Unabhängigkeit kämpfte und gegen die österreichische Besatzung sowie die Allmacht der katholischen Kirche auftrat. Collodi galt aber auch als Trinker und Spieler. Aus diesem Grunde wurde seine literarische journalistische Leistung anfänglich unterschätzt.
Aber er mischte sich mit seinen politischen Schriften immer wieder in den Kampf gegen die Besatzer und eine unfähige Regierung ein. Um sich einer möglichen Verfolgung zu entziehen, nannte er sich ab 1860 Carlo Collodi. Für dieses Pseudonym stand der Geburtsort seiner Mutter - das wildromantische Bergdorf Collodi - Pate. Unter diesem Namen errang er die literarischen Erfolge, die ihn unsterblich gemacht haben. Das Dorf Collodi, das heute zur Stadt Pescia gehört, nutzt seit Jahren die weltweite Bekanntheit ihres einstigen und jetzt so berühmten Mitbürgers für interessante Tourismusangebote. Es gibt dort ein Museum, das der Pflege von Carlo Lorenzinis Werk gewidmet ist, und einen sehenswert Pinocchio-Park.
Werk und Bedeutung
Seinen Eintritt in die Welt der Autoren gab Carlo Collodi mit der Herausgabe von politischen Zeitschriften, mit Übersetzungen von Märchen anderer Völker, vor allem des französischen, und mit der Mitarbeit bei Schulbüchern.
In seinen letzten zehn Lebensjahren widmete er sich ganz den Kindern. Über die Kinderliteratur wollte er die Eltern erreichen, um ihnen zu zeigen, dass man nur mit Bildung und Wissen sein Leben meistern kann. Am erfolgreichsten gelang ihm das mit der Storia di uno burattino, der Geschichte eines Hampelmannes namens Pinocchio (wahrscheinlich abgeleitet von der toskanischen Bezeichnung für Pinienkern), die den Autoren in ganz Italien bekannt machte. Pinocchio wurde für die Italiener zu einem Volkshelden und zu einem Symbol italienischer Kultur.
Aber auch jenseits der italienischen Grenzen wurde Pinocchio mit den Illustrationen von Enrico Mazzanti zu einem Kinderbuchklassiker. Er wird bis heute mit Übersetzungen in mehr als 80 Sprachen und insgesamt etwa sechs Millionen Exemplaren weltweit gelesen. Außerdem wurde er sehr oft nacherzählt, verändert, weitergeschrieben und bis heute immer wieder von anderen Künstlern zu Filmen, Hörspielen, Opern, Musicals und Theaterstücken umgesetzt.
Der Anfang aller Abenteuer des hölzernen Straßenjungen erschien am 7. Juli 1881 in Giornale per i bambini, einer der ersten Wochenzeitschriften für Kinder in Italien. Für dieses Märchen schöpfte Collodi in verschiedenen kulturellen und literarischen Wurzeln: in dem alten italienischen Theater mit seiner tragenden Figur des Harlekins, im Reich der Fabeln mit den sprechenden und wie Menschen handelnden Tieren sowie in Volkstraditionen. Zu den Volkstraditionen gehörten u. a. die Marionetten, die von toskanischen Familien als bleibende Abbilder (damals gab es noch keine Fotografien), ihrer verstorbenen Vorfahren, ihrer ausgewanderten Onkel und Tanten und auch von Nachbarn, die auf eine lange, gefährliche Reise gegangen waren, hergestellt wurden.
In den insgesamt 36 Folgen des Kunstmärchens Pinocchio, die zwischen 1881 und 1883 in unregelmäßigen Abständen in der Zeitschrift erschienen und bereits 1883 als Buch veröffentlicht wurden, werden die gleichzeitig fantastischen und realistischen Abenteuer des kleinen hölzernen Jungen und seines Vaters erzählt. Realistisch, also aus dem Leben der Italiener des 19.Jahrhunderts, ist dabei zum Beispiel, wie sein Vater, der Tischler Gepetto, auf der Suche nach seinem weggelaufenen Sohn ins Gefängnis gebracht wird und dass die Richter seine Unschuld nicht glauben. Fantastisch, im Sinne von märchenhaft, ist dagegen, dass der hölzerne Bengel, sobald Nase und Mund geschnitzt sind, sprechen und zu einem Jungen von Fleisch und Blut werden kann, wenn er zahlreiche Aufgaben erfüllt, fleißig und brav ist und den Erwachsenen nur Freude macht. Um sich selbst und den kranken Vater aus dem Bauch des Walfisches zu befreien, brauchte Pinocchio nicht Gehorsam, sondern viel Mut, Herz und Verstand. Über Umwege kam er zu der Erkenntnis, dass man nur mit Lernen zu einem „guten“ Jungen werden kann.
In Pinocchio spiegelt sich das Weltbild des Journalisten Collodis wieder:
Als politisch interessierter und engagierter Journalist versuchte er mit den Methoden der Satire und der Polemik auf staatliche Missstände aufmerksam zu machen. Er wollte „Licht für diejenigen schaffen, die im Dunkeln tappen“, und darum nannte er eine seiner ersten Zeitschriften Il Lampione. Aber auch die damalige Lebensweise verspottete er und zeichnete mit scharfen Worten das überhebliche Verhalten von Polizisten und Richtern sowie das veraltete Unterrichtswesen, das als sein vorrangiges Ziel die Erziehung der Kinder zum uneingeschränkten Gehorsam ansah. Beides findet ihre Darstellung auch in Pinocchio.
Von den anderen Kindergeschichten Collodis werden nur wenige bis in die heutige Zeit gelesen. Fast vergessen ist seine Buchreihe Giannettino, die zwar um 1885 unter den italienischen Jungen sehr beliebt war, heute aber fast völlig unbekannt ist. Im deutschen Werksregister des Schriftstellers lässt sich nicht eindeutig ermitteln, wie viele Bücher Collodi für diese Reihe eigentlich geschrieben hat. Bis 1890 wurden wahrscheinlich fünf Bücher veröffentlicht.
Auch sein Werk Pipi, das rosarote Äffchen ist heute fast gänzlich in Vergessenheit geraten. Es ist erstmalig in Deutschland 1995, also fast 100 Jahre später, erschienen. Es hat kein großes Interesse erreicht, obwohl das Äffchen Pipi ähnliches wie Pinocchio erlebt. Allerdings weigert es sich im Gegensatz zu dem Florentiner Straßenjungen aus Holz anfänglich strikt, ein Mensch zu werden. Dieses Buch ist einige Jahre nach den Geschichten um Pinocchio entstanden, greift einige Figuren davon auf (auch hier spielt die Fee mit den blauen Haaren eine Rolle) und bleibt doch in Spannung und Farbigkeit weit hinter diesem Kinderbuchklassiker zurück. Auch wird Collodis Ziel, mit den Kinderbüchern vor allem die Erwachsenen erziehen zu wollen, gerade bei Pipi überdeutlich und vordergründig.
Titelauswahl
Die Lampe - Il Lampione / Carlo Collodi (Text) - Zeitschrift 1848. Buchvorstellungen: () | |
I racconti delle fate. Voltati in Italiano / Carlo Collodi (Text) - Paggi, Florenz 1876. Buchvorstellungen: () | |
Ein Buch für Jungen - Giannettino. Libro per i ragazzi, Giannettino / Carlo Collodi (Text) - Paggi, Florenz 1877 / 1888 - 1890. Buchvorstellungen: () | |
Die Abenteuer von Pinocchio - Le avventure di Pinocchio / Carlo Collodi (Text) - Zeitschrift "Giornale dei bambini" in 36 Folgen 1881-1883. Buchvorstellungen: () | |
Die Abenteuer von Pinocchio. Die Geschichte eines Hampelmanns - Le avventure di Pinocchio. Storia di uno burattino / Carlo Collodi (Text); Enrico Mazzanti (Illu.) - Paggi, Florenz 1883. Buchvorstellungen: () | |
Pipi, das rosarote Äffchen - Pipì, lo scimmiottino color di rosa / Carlo Collodi (Text) - Paggi, Florenz 1887. Buchvorstellungen: () | |
Pinocchios Abenteuer / Collodi, Carlo (Text); Klemke, Werner (Illu.) - Aufbauverlag 1953. Buchvorstellungen: () | |
Das Scharmützel - Lo Scaramucio / Carlo Collodi (Text) - Zeitschrift bis 1858. Buchvorstellungen: () |
Links
http://www.labbe.de/lesekorb/index.asp?themaid=123
http://de.wikipedia.org/wiki/Pinocchio
http://www.pinocchio.it/old/de/homede.htm
Quellenangabe
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Hörath, Helma: Carlo Collodi. In: Rossipotti-Literaturlexikon; hrsg. von Annette Kautt; https://www.literaturlexikon.de/autoren/collodi_carlo.html; Stand: 13.06.2012.
- Autoren
- Abedi, Isabel
- Baltscheit, Martin
- Barrie, James Matthew
- Baum, L. Frank
- Bichsel, Peter
- Blyton, Enid
- Boie, Kirsten
- Carroll, Lewis *
- Chidolue, Dagmar
- Colfer, Eoin
- Collodi, Carlo
- Dahl, Roald
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- * Hinweis