Horror & Grusel
Das Wort Horror kommt aus der lateinischen Sprache und bedeutet „die Haare zu Berge stehen lassen“, sich schütteln oder zittern vor Schreck. So ist es auch mit der Horrorliteratur: Horrorgeschichten sind dazu da, sich einmal ordentlich zu gruseln. |
Inhalte der Horrorliteratur
Illustration: Christian Ondracek:
„Monster werden in den Köpfen von Menschen geboren.“
Horrorliteratur stellt Unheimliches, Gräueltaten, aber auch völlig Verrücktes und Unmögliches dar. Die Hauptfiguren des Horrors sind oft Gespenster, Monster, Doppelgänger, Vampire und ähnliche verrückte Gestalten wie Kopflose oder Geisterhunde. Sie zaubern, schweben, trinken Blut und sorgen oftmals für allerhand Verwirrung.
Beliebte gruselige Orte sind oft Burgen oder Schlösser, Hotels, einsame Landhäuser und natürlich Friedhöfe. Aber auch Moore, Wälder und tiefe Gewässer. Als gruselig empfinden wir die Orte zum einen deshalb, weil sie oft einsam und entlegen sind. Zum anderen aber auch, weil der Autor dort Dinge passieren lässt, die man nicht erwarten würde. Hecken eines Hotels können beispielsweise plötzlich laufen, Bilder bluten, Elfen im Wald ein Kind stehlen.
Gruselig an den Geschichten sind allerdings nicht nur die abnormalen Figuren und Szenen, die im Kontrast zu unseren normalen Sehgewohnheiten stehen. Sondern auch die Art und Weise, wie sie in unseren Alltag treten: Plötzlich und unvorhergesehen stellen sie von einer Sekunde zur anderen unsere Welt auf den Kopf, heben sie aus den Angeln, verzerren sie und geben dadurch der Wirklichkeit einen doppelten Boden. Beliebt sind deshalb überraschende Pointen am Schluss der Geschichten, die die ganze Geschichte nochmals in ein anderes, die Wirklichkeit entstellendes Licht tauchen.
Neben dieser schlagartigen Veränderung der Sachlage, spielen Gruselgeschichten aber auch oft mit einer unheimlichen Atmosphäre. Diese entsteht nun nicht plötzlich, sondern ganz im Gegenteil durch eine Dehnung der Vorgänge ins beinahe Unerträgliche. Dinge werden beispielsweise einen Großteil der Geschichte über nur angedeutet, aber nicht richtig erklärt. Oder es werden immer wieder die gleichen verdächtige Geräusche oder Wahrnehmungen beschrieben, aber deren Herkunft nicht geklärt. Der Leser schwebt dadurch die ganze Zeit mit dem Protagonist in Unsicherheit und einem Gefühl der Angst. Es gibt sogar Geschichten, die dieses Gefühl selbst am Schluss nicht aufheben und den Leser damit allein zurück lassen.
In erster Linie will die Horrorliteratur ihre Leser also mit unterschiedlichen Mitteln in Angst und Schrecken versetzen.
Daneben will sie sich aber auch mit menschlichen Ängsten und Abgründen auseinandersetzen. Wie zum Beispiel mit der menschlichen (Ur-)Angst vor dem Unerklärlichen oder dem Fremden. Oder mit der Technisierung, die vor 200 Jahren, ebenso wie heute, vielen Menschen Kopfschmerzen bereitete, weil ihnen nicht klar war, wo die technischen Entwicklungen in Wirklichkeit hinführten.
Die literarischen Werke des Horrors können übrigens den unterschiedlichen Gattungen Lyrik, Drama oder Epik angehören. Meistens sind Horrorgeschichten aber epische, also erzählende Texte. Das liegt vor allem daran, weil erzählende Texte ausführlich die Gefühle und Erlebnisse der handelnden Figuren beschreiben und erklären können. Dadurch eignet sich die Gattung Epik besonders gut dazu, den Leser bei einer Geschichte richtig mitfühlen und mitfiebern zu lassen.
Die Geschichte des Horrors
Wahrscheinlich haben sich Menschen schon immer gegenseitig gruselige oder schaurige Geschichten über schreckliche Tiere oder Ungeheuer, Teufel, Dämonen, über gefährliche und unerklärliche Orte und Situationen erzählt.
Die Horrorliteratur von heute mit ihren ganz eigenen oder typischen phantastisch grauenerregenden Orten, Szenen und Figuren gibt es allerdings erst seit dem 18. Jahrhundert. Den wichtigsten Grund für die Entstehung dieser spezifischen Art des Horrors sieht man in der „Entzauberung der Welt“ durch die Aufklärung. Die Aufklärung war eine literarische aber auch geistesgeschichtliche oder philosophische Epoche vor etwa 250 Jahren. In dieser Zeit wollten viele Dichter und Denker die Menschen über ihr (aber)gläubisches, nicht vernünftiges Empfinden und Handeln „aufklären“. Der berühmte deutsche Philosoph Immanuel Kant forderte, dass man sich seines „eigenen Verstandes bedienen“ sollte, statt sich auf biblische Prophezeiungen und abergläubische Rituale zu verlassen. Wenn man das nicht tat, war man in seinen Augen unmündig, also unselbständig und nicht vernünftig.
Eine der Folgen der Aufklärung war, dass religiöser Glaube allmählich in die Nähe von menschlicher Phantasterei und Aberglaube gestellt wurde. Und dass Aberglaube selbst, also der Glaube an übersinnliche, nicht erklärbare Phänomene unabhängig von Gott, zum reinen Gespensterglauben herabgesetzt wurde.
Illustration: Christian Ondracek:
„Mumien haben kein Gesicht.
Was mag hinter den Bandagen stecken?“
Die Entwicklung weg vom Glauben an nicht sichtbare Dinge, hin zu einem Denken, das nur das akzeptierte, was man mit dem menschlichen Verstand begreifen und erklären oder naturwissenschaftlich beweisen kann, wurde ziemlich schnell von vielen als Entzauberung der Welt empfunden. Besonders die Romantiker litten daran. Ihr Unwohlsein über die entzauberte Welt drückten sie in Geschichten über Dämonen, Doppelgänger und auch Geister aus.
Besonders beliebt war die Horrorliteratur Mitte und Ende des 19. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit flohen die Menschen gerne in Gedanken aus ihrem tristen Arbeitsalltag, der neuerdings für viele von Fabrikarbeit geprägt war. Um dieser grauen Welt der modernen Maschinen zu entkommen, träumten sich die Menschen fort in die schaurig-schönen Phantasie- und Gruselwelten der Horrorliteratur.
Aber auch heutzutage sind phantastische Gruselgeschichten über Zauberer, Werwölfe und Vampire wieder besonders populär oder beliebt. Man denke nur einmal an die Dementoren und den dreiköpfigen Hund bei Harry Potter oder an Jacob und Edward aus der Bis(s)-Reihe.
Genrezuordnung
Illustration: Christian Ondracek:
„Im Sensenmann hat die Furcht des Menschen
vor dem Tod Gestalt angenommen.“
Horrorliteratur kann, weil sie meistens einfach zu verstehen ist, von jedem gelesen werden, dessen Nerven stark genug dafür sind. Deswegen wird sie oft zur Massenliteratur gerechnet. Massenliteratur (oder Trivialliteratur) dient in erster Linie der Unterhaltung und nicht der Bildung der Leser. Darum wird sie auch Unterhaltungsliteratur genannt. Trotz dieser Zuordnung haben einige Horrorgeschichten aber auch einen hohen literarischen Anspruch und sind Klassiker der Weltliteratur.
Als Genre ist die Horrorliteratur gar nicht so einfach von anderen Stilen der Literatur zu unterscheiden . Horror ist beispielsweise ein Oberbegriff für die Gespenstergeschichte und den Schauerroman, die gleichzeitig auch unheimliche Märchen für Erwachsene sind.
Außerdem ist Horror mit dem Kriminalroman und der Detektivgeschichte verwandt, da es in diesen beiden Genres auch ziemlich gruselig zugehen kann. Ein noch näherer Verwandter der Horrorliteratur ist die Science-Fiction-Literatur: Die Gestalten aus der Horrorliteratur tauchen auch hier häufig auf – darum ist man sich nicht so ganz einig, wie man diese beiden literarischen Formen voneinander trennen soll. Es gibt viele Werke, die zu beiden Genres gehören. Sehr oft spielt die Science-Fiction Literatur allerdings in einer fremden, technisch anders entwickelten Zeit, während in der Horrorliteratur das Fremde plötzlich in unseren gewohnten Alltag albtraumhaft eintritt.
Berühmte Werke
Illustration: Christian Ondracek:
„Graf Dracula, der älteste Vampir der Welt.
Einen Grafen dieses Namens hat es tatsächlich
vor langer Zeit in Transylvanien / Rumänien gegeben.“
Ein gutes Beispiel für die Unterscheidungsschwierigkeiten von Horror und Science-Fiction ist Mary Shelleys Werk Frankenstein, oder der moderne Prometheus. Es ist wohl eines der bekanntesten Bücher der Horrorliteratur. Gleichzeitig nennt man Frankenstein aber auch den Urgroßvater von Science-Fiction. Das liegt daran, dass in Frankenstein technische und wissenschaftliche Momente auftauchen, die typisch für Science-Fiction sind. Frankensteins Monster ist außerdem eine typische Horrorfigur zum Fürchten. Diese Mischung aus Technik, Wissenschaft und Grusel macht das Buch zu einer Mischung aus Horror und Science- Fiction.
Bram Stokers Dracula hingegen ist wohl der berühmteste Vampir überhaupt. Er ist der Protagonist eines typischen Schauerromans und eine klassische Horrorfigur, die mit Technik nichts am Hut hat.
Ein Paradebeispiel für die Mischung aus Horror und Detektivgeschichte ist Sir Arthur Conan Doyles Buch Der Hund der Baskervilles, in dem der wohl berühmteste Detektiv aller Zeiten, Sherlock Holmes, einem geheimnisvollen und gefährlichen Riesenhund auf der Spur ist.
Natürlich sind Frankenstein, Dracula und viele andere Horrorbücher wie beispielsweise Shining von Stephen King eher Bücher für Erwachsene. Aber es gibt auch Gruselgeschichten, die eigens für Kinder geschrieben sind: Besonders bekannt ist die Gänsehaut-Reihe von Robert Lawrence Stine: Auch hier geht es um allerlei Schauriges wie Geisterhunde, Gespenster, Monster und Werwölfe. Wer besonders starke Nerven hat, kann mit 10 Jahren anfangen die Gänsehaut-Bücher zu lesen, oder sich ab 12 Jahren der schaurig schönen Vampir-Liebesgeschichte von Edward und Bella widmen, die in Stephenie Meyers Bis(s) oder Twilight-Reihe erzählt wird.
Links
http://www.labbe.de/lesekorb/index.asp?themaid=80&titelid=473
http://www.labbe.de/lesekorb/index.asp?themaid=80&titelid=467
http://www.br-online.de/kinder/fragen-verstehen/wissen/2004/00755/
Quellenangabe
Willst du diesen Lexikonartikel in einer schriftlichen Arbeit zitieren? Dann kannst du diese Quellenangabe verwenden:
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Smidt, Miriam: Horror & Grusel. In: Rossipotti-Literaturlexikon; hrsg. von Annette Kautt; https://www.literaturlexikon.de/genres/horror_grusel.html; Stand: 18.06.2012.