Morgenstunde mit Froschlöffel und Hahnenkamm
Eine blumige Lügengeschichte von Conni Bera
Die Autorin Conni Bera hat für euch 23 Blumen und Pflanzen im Text versteckt. Findet ihr heraus, welche?
Eines Morgens wachte ich in der Badewanne auf. Das war mir noch nie passiert. Erstaunt schaute ich mich um.
Seifenkraut und Taglilien wünschten mir "Guten Morgen", und Froschlöffel erinnerten mich daran, dass es allmählich Zeit für das Frühstück wäre.
Die Seekanne brachte mir den morgendlichen Tee ins Gedächtnis.
So stieg ich kurzentschlossen aus der Wanne und trocknete mich flink ab.
Nun schlüpfte ich in die Pantoffelblumen und blickte rasch in den Frauenspiegel. Oje, ich sah ja wie eine Zottelwicke aus! Wo ist denn mein Hahnenkamm? Liegt er im Schlafzimmer?
Ich wollte schon die Badtür öffnen, da rief jemand mit ängstlicher Stimme: "Erlöst du mich? Ich bin Rapunzel."
Was sucht die denn hier? Oder hatte ich mich verhört?! Ich wollte den Kamm holen und öffnete die Tür und - erschrak!
Ich befand mich auf einem Schiff und beinahe wäre ich in den tosenden Ozean gefallen. Schnell schloss ich die Tür, zog mir für alle Fälle den Frauenmantel über, der neben der Tür hing, und suchte einen passenden Hut.
Neben meinem Handtuch hingen mehrere Exemplare. Hm, nehme ich den Eisenhut? Zu schwer. Den Fingerhut? Zu klein. Die Bischofsmütze? Zu würdevoll. Ich entschied mich für den Sonnenhut und öffnete die Badtür.
Aber was war das? Ich befand mich in unserem Klassenzimmer und meine Mitschüler grinsten mich an. Auf dem Lehrertisch - kaum zu fassen - stand eine Teekanne. Soeben hob sich ihr Deckel und ein duftender Busch wuchs aus der Kanne, streckte seine Zweige aus, und mitten drin saß Mutter Holunder.
Plötzlich erklang im Flur die Purpurtute, das Schulpausenzeichen. Ich drehte mich um, rannte die Treppe hinunter, stieß beinahe die Leuchterblume um - bloß weg hier!
Draußen verspürte ich einen Riesenhunger. Mir war wie einem Hungerblümchen zumute. In der Nähe musste ein Imbissstand sein, es duftete lecker. Ich schaute mich aufmerksam um und entdeckte einen Zettel, der an einer Linde befestigt war:
"Bitte in den ersten Stock klettern."
An den Baum war eine Himmelsleiter gelehnt. Die Aussicht auf eine Mahlzeit ließ mich nicht zögern.
Ich stieg die Leiter empor, und zwischen Schieftellern und Märzenbechern saß die "Prinzessin auf der Erbse".
Sie zeigte stumm auf ein Schild: "Wer es schafft, in zweiundzwanzig Minuten zwanzig Matratzen und zwanzig Eiderdaunenbetten auszuklopfen, darf zweiundzwanzig Löffel Erbsensuppe essen."
Das haute mich endgültig um, und ich fiel in Ohnmacht. Als ich wieder erwachte, lag ich neben dem Bett. Mein Bruder stand im Zimmer und lachte.
Da begriff ich, dass ich nur geträumt hatte.
© Cornelia Bera 2007