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Das geheime Buch
Herrn Maiteufels wundersame
Reise in die Wirklichkeit
von
Annette Kautt
Fortsetzung Teil 7
Wer den letzten Teil noch nicht kennt und mehr als
die kurze Zusammenfassung lesen möchte, geht zurück zur
letzten Rossipotti-Ausgabe
Was bisher geschah:
Herr Maiteufel arbeitet in einer
Butterbrotpapierfabrik und lauscht jeden Tag dem verheißungsvollen
Gesang der Butterbrotpapiere, die sich auf ihr großes Leben
in der Welt vorbereiten. Doch je länger er dem Gesang der Papiere
lauscht, umso mehr sehnt er sich danach, selbst ein Butterbrotpapier
zu werden! Da er ein Mensch mit Visionen ist, setzt er eines Tages
seinen Wunsch in die Tat um: Er baut anhand des originalen Konstruktionsplans
von Herrn Knobel, seinem Chef, eine Butterbrotpapiermaschine, in
die er selbst hineinpassen und zum Butterbrotpapier werden kann!
Doch aus irgendeinem Grund funktioniert die Maschine nicht. Irgendein
Detail muss Herrn Maiteufel beim Bau der Maschine entgangen sein
...
Eines Tages bekommt Herr Maiteufel ein Paket. Herr Maiteufel ist
fest davon überzeugt, dass ihm der Finder seiner Gasluftballonkarte,
die er beim letzten Betriebsfest verschickt hat, das Paket geschickt
hat. Doch leider ist es nicht von einem unbekannten Finder, sondern
nur von seiner ehemligen Klassenkameradin Mara. Zuerst ist Herr
Maiteufel enttäuscht darüber, weil in dem Paket nichts
weiter als ein paar alte Fotografien und ein alter Stadtplan seiner
Heimatstadt sind. Doch dann entdeckt er, dass die Streckenverhältnisse
des Stadtplans und seines Konstruktionsplans genau gleich sind!
Und das kann für Herrn Maiteufel
nur eins bedeuten: Wenn sich das fehlende Detail seiner Maschine
nicht auf dem Konstruktionsplan entdecken lässt, muss es in
seiner Heimatstadt zu finden sein! Kurz entschlossen packt Herr
Maiteufel deshalb seine Siebensachen und reist mit dem Zug dorthin.
Doch kaum hat er seine Reise begonnen, weiß er nicht mehr, ob er
nicht lieber zu Hause geblieben wäre. Im Zug bringt ihn sein Gegenüber
stark in Verlegenheit, im Hotel seiner Heimatstadt verwirrt ihn
eine "Brötchenfrau" und auch der eigentlich ganz harmlose Kaffeklatsch-Besuch
bei seiner alten Bekannten Mara ruft bei ihm vor allem Beklemmung
hervor. Zum Glück ist da auf einmal von einem Finder die Rede,
und Herr Maiteufel weiß sofort, dass nur der Finder seiner
Luftballonkarte gemeint sein kann! Er möchte ihn unbedingt
kennen lernen und stattet ihm deshalb gleich einen Besuch ab.
Dort erfährt er, dass der Finder nicht nur seine Karte, sondern
auch noch viele andere Dinge gefunden hat. Außerdem weiht
ihn der Finder in die seltsamen Geschehnisse der Stadt ein:
Eine wichtige Person der Stadt, der Läufer, ist verschwunden.
Und so lange der Läufer verschwunden ist, bleibt in der Stadt
alles gleich und kann sich nichts mehr verändern! Der
Finder ist deshalb beauftragt worden, den Läufer zu finden,
hat aber bisher noch keine Spur.
Herr Maiteufel fühlt sich beim Finder wohl und möchte
ihm gerne helfen. Doch nach einem merkwürdigen Traum, sieht
Herr Maiteufel die Dinge plötzlich in einem
anderen Licht: Der Finder erscheint ihm gefährlich und die
Brötchenfrau dagegen als ernst zu nehmende Persönlichkeit.
Nur sie scheint sowohl Herrn Maiteufel bei der Suche nach seinem
Detail als auch der Stadt bei der Suche nach dem Läufer wirklich
helfen zu können. Er sucht deshalb die Brötchenfrau auf,
erfährt aber nichts von ihr. Stattdessen schleppt sie ihn zu
einer wundersamen Gartenparty mit. Und bevor er es richtig wahrnimmt,
hat Herr Maiteufel das Detail seiner Maschine und den verschwundenen
Läufer beinahe vergessen. Denn in dem Garten riecht es unglaublich
gut, es gibt leckere Regenbogen-Getränke und vor allem Meringue.
Während Herr Maiteufel sich in dem Garten immer heimischer
fühlt, unternehmen Maras Familie und Freunde große Anstrengungen,
den Läufer zu finden: Nachdem die Suche auf dem Erdboden bisher
ergebnislos war, möchten sie jetzt den Himmel über der
Stadt mit einem selbst gebastelten Ballon nach dem Läufer absuchen.
Gleichzeitig entdeckt der Finder, dass Herr Maiteufel verschwunden
ist. Er findet Herrn Maiteufels alten Stadtplan und glaubt zu wissen,
warum Herr Maiteufel verschwunden ist: Die Hindernisse haben ihn
verschleppt und halten ihn gefangen!
In der Stadt unten entdecken dagegen Lena und Arturo, dass sich
die Hindernisse verdoppeln können und somit fast unschlagbar
sind!
Kaprize überbrückt ihre Ferienlangeweile mit einem selber
erfundenen Murmelspiel, bei dem die Kanaldeckel beim Finanzamt eine
wichtige Rolle spielen, und schließlich kommen die Luftreisenden
ohne den Läufer wieder nach Hause.
Die Lage in der Stadt und im Garten ist also beinahe wie zuvor,
wäre da nicht Larifari, den Herrn Maiteufel beim Rätsel-Spielen
kennen gelernt hat und der behauptete, dass Herr Maiteufel nicht
freiwillig im Garten wäre ...
Zwölftes Kapitel, in dem Herr Maiteufel überlegt,
was für ihn Glück ist
Herr Maiteufel wälzte sich im Bett. Es war schon längst
nach Mitternacht. Aber er konnte nicht einschlafen.
Er dachte daran, was Larifari ihm in den letzten Tagen immer wieder
gesagt hatte: Dass der Garten eine Endstation ohne Ausweg sei. Dass
man in dem Garten seine eigenen Wünsche nicht verwirklichen
könnte. Und ob er, Herr Maiteufel, keine Wünsche mehr
habe? Ob er denn schon alle Möglichkeiten aufgegeben habe?
Am Anfang hatte Herr Maiteufel über Larifaris Reden nur gelacht
und gemeint, dass es ihm noch nie so gut gegangen wäre wie
in diesem Garten. Und wenn es nach ihm ginge, könnte er sogar
für immer in dem Garten bleiben.
Aber Larifari hatte jeden Tag so lange auf ihn eingeredet, bis Herr
Maiteufel wütend wurde und ihm sagte, dass er nichts mehr von
ihm hören wolle. Er wisse selbst sehr gut, was für ihn
richtig sei und was nicht.
Doch Larifari kam immer wieder auf diese Punkte zu sprechen und
nun - Herr Maiteufel gestand es sich selbst nur ungern ein - hatte
er ihn so weit gebracht, dass er nicht mehr ruhig schlafen konnte!
Er dachte an seine Maschine und an seine Sehnsucht nach Frühlingsgefühlen.
Ob es in dem Garten wohl jemals Frühling wurde?
Er dachte an Odette und daran, dass er sie immer noch nicht angerufen
hatte. Sogar an Herr Knobel musste er denken. Ob er ihm wohl schon
gekündigt hatte? Herr Maiteufel dachte an an Mara, die Kaffeerunde
und an den Finder. Ob er inzwischen den Läufer gefunden hatte?
Herr Maiteufel rieb sich mit der Hand die Stirn.
Alle Personen, die er außerhalb des Gartens gekannt hatte,
schienen ihm unendlich weit weg zu sein. Als ob sich eine dicke
Nebelschicht zwischen den Garten und alles, was jenseits war, geschoben
hätte.
Er versuchte sich vorzustellen, wie Odette die Teetasse an den Mund
hob und daraus trank. Oder wie sie mit vollen Einkaufstüten
in die Küche kam und sich seufzend auf einen Stuhl fallen ließ.
Aber der Nebel in seinem Kopf ließ ihn nur noch Schemen und
Umrisse erkennen.
"Was ist nur mit mir los?" dachte er. "Warum fällt
es mir so schwer, mir meine eigene Schwester vorzustellen?!"
Er setzte sich in seinem Bett hoch, drückte seine Augen fest
zu und sagte leise vor sich hin: "Odette, Odette, Odette."
Doch je mehr er an Odette denken wollte, umso mehr sah er Meringue.
Statt der Teetasse an Odettes Mund sah er Meringues große
runde Augen und statt Odettes Seufzen hörte er Meringues fröhliches
Kichern.
Herr Maiteufel sagte resigniert: "Also gut. Dann stelle ich
mir eben nicht Odette, sondern Herrn Knobel vor. Seine Ohren und
seine Nase werden mich sicher nicht an Meringue erinnern."
Aber seltsam, die Ohren von Herrn Knobel verwandelten sich in seiner
Vorstellung in den kleinen Teich im Garten und die Nase erinnerte
ihn an die grauen Kieselsteine.
"Irgend etwas stimmt mit mir nicht", dachte Herr Maiteufel
und spürte ein beklemmendes Gefühl auf der Brust. "Aber
wenigstens ist mein Verstand noch in Ordnung! Denn immerhin kann
ich noch an Odette und Herrn Knobel denken, auch wenn ich
sie mir nicht mehr vorstellen kann!"
Durch diesen Gedanken einigermaßen beruhigt, legte er sich
wieder hin und schlief ein.
Am anderen Morgen fühlte sich Herr Maiteufel das erste Mal,
seit er hier war, unwohl.
Meringue zog ihn nach dem Frühstück mit sich in den hinteren
Teil des Gartens und fragte ihn neckend: "Warum guckst du denn
heute so fürchterlich?"
Herr Maiteufel erwiderte nichts darauf. Er legte sich ins Gras und
schloss die Augen.
Meringue beugte sich zu ihm hinunter und piepste ihm ins Ohr: "Tschiep,
tschiep, tschiep ... weißt du, was das für ein Vogel
ist?"
Herr Maiteufel überlegte unkonzentiert. Dann schüttelte
er den Kopf.
"Das ist der Tschieppiep", meinte Meringue.
"Sicher nicht", sagte er verärgert. "In Wirklichkeit
ist das viel eher eine Amsel oder ... oder eine Haubenmeise. Ein
Tschieppiep ist es auf jeden Fall nicht, weil es Tschieppiepse gar
nicht gibt!"
Meringue starrte Herrn Maiteufel erschrocken an.
So erschrocken, dass sich Herr Maiteufel über sich selbst wundern
musste.
Was war nur in ihn gefahren?
"Entschuldige!" sagte Herr Maiteufel.
"Schon gut", sagte Merinque.
"Weißt du, Meringue, ich kann mich an so viele Dinge
nicht mehr erinnern. Das macht mir Angst."
Meringue sah ihn erstaunt an: "Weißt du etwa nicht mehr,
dass wir zusammen Steine gesammelt haben?"
"Doch", meinte Herr Maiteufel.
"Und kannst du dich noch daran erinnern, wie Xander dir gestern
eine Ohrfeige gegeben hat, weil du weiter spucken konntest als er?"
fragte Meringue weiter.
"Natürlich kann ich mich daran noch erinnern!" rief
Herr Maiteufel. "Aber ich weiß kaum noch, wie meine Schwester
aussieht oder mein Chef in der Butterbrotpapierfabrik."
"Wo ist denn hier eine Butterbrotpapierfabrik? Und wer ist
hier deine Schwester?" fragte Meringue erstaunt.
"Doch nicht hier", sagte Herr Maiteufel ungeduldig, "sondern
außerhalb des Gartens. Da ist die Butterbrotpapierfabrik und
da ist meine Schwester".
"Aber wenn es nicht hier ist, ist es nicht wichtig", meinte
Meringue unbekümmert. "Und was nicht wichtig ist, darf
man ruhig vergessen!"
Sie zwickte Herrn Maiteufel ins Bein und lief schnell weg, damit
er sie nicht zurück zwicken konnte. Herr Maiteufel sprang schnell
auf, rannte Meringue hinterher und bekam sie beim Brunnen zu fassen.
Sein Ärger war verflogen.
Den weiteren Tag verbrachten sie gemeinsam mit Melle, Pistazie und
Zeber, und es wurde wieder ein schöner, glücklicher Tag.
Erst als es dunkel wurde und Herr Maiteufel an die lange Nacht dachte,
die ihm bevorstand, wurde er wieder nachdenklich und still.
Wie die Nacht zuvor lag Herr Maiteufel wach in seinem Bett und
dachte nach.
Im Inneren des Hauses hörte man keinen Laut. Durch die dicken
Fenstervorhänge sickerte nur wenig Mondlicht.
Vielleicht hatte Larifari Recht und der Garten war tatsächlich
eine Art Endstation? Vielleicht blieb man in dem Garten eingeschlossen
wie in einer Traumblase?
Aber wenn schon? War er hier nicht gut aufgehoben? War es hier nicht
viel schöner als alles was er sich bis dahin überhaupt
hatte vorstellen können? War sein Traum von der Maschine nicht
kindisch gegen das, was er hier vorgefunden hatte?
Doch obwohl Herr Maiteufel hier sehr glücklich war, empfand
er auch einen Mangel. Einen Mangel an Konzentration. Es fiel ihm
so unglaublich schwer, sich zu besinnen, was außerhalb des
Gartens war.
Gab es Odette denn wirklich?
Und wer überhaupt war Herr Knobel, dessen Name ihm seit gestern
immer wieder durch den Kopf ging?
Herr Maiteufel zitterte. Es musste irgend etwas mit ihm passiert
sein. Entweder, es hatte nie einen Herrn Knobel gegeben, und dann
war es sehr merkwürdig, warum er ständig an ihn denken
musste. Oder, es gab ihn, und dann war es sehr beängstigend,
dass er nicht mehr wusste, wer das war!
"Womöglich hat mich der Larifari mit seinem Geschwätz
ganz durcheinander gebracht", dachte Herr Maiteufel und entschloss,
sofort zu ihm zu gehen, um ihn zur Rede zu stellen.
Er stieg aus dem Bett, zog sich ein Paar Hausschuhe an und ging
zu Larifaris Zimmer, das einen Stock höher lag als seines.
Ohne vorher anzuklopfen öffnete Herr Maiteufel leise die Tür,
schlich sich durchs Zimmer und trat an Larifaris Bett.
Larifaris bleiches Gesicht erschreckte ihn.
Es sah aus wie das einer leblosen Wachspuppe. Die Lider waren bläulich
und schienen geschwollen zu sein und aus dem leicht geöffnete
Mund mit seinen schmalen Lippen lief ein dünner Speichelfaden.
Obwohl Herr Maiteufel sich vor diesem Gesicht ekelte und er am liebsten
wieder in sein Zimmer zurück gegangen wäre, rüttelte
er sanft an Larifaris Schulter.
Nach kurzer Zeit öffnete er seine geschwollenen Lider.
"Was machen Sie denn hier?" fragte er erstaunt.
"Sie haben mich durcheinander gebracht", stotterte Herr
Maiteufel. "Ich möchte, dass Sie das wieder klarstellen.
Und wenn Sie es auch nicht wissen wollen: Es gefällt mir hier
außerordentlich, und ich habe nicht vor, diesen Ort jemals
wieder zu verlassen. Auch wenn Sie mir vorgaukeln, dass ich irgendwann
mal eine Beziehung zu einer gewissen Odette oder einem Herrn Knobel
unterhalten habe. Ich falle auf Ihre verwirrenden Einfälle
nicht mehr herein!"
Larifari rieb sich die Augen, setzte sich im Bett auf und sagte
nichts.
"Nun, da sind Sie sprachlos, was?" sagte Herr Maiteufel.
Doch Larifari schüttelte nur bekümmert den Kopf und sagte:
"Ich wusste nicht, dass es bei Ihnen so schnell ging. Sonst
hätte ich mich sicher noch mehr um Sie bemüht. Mir scheint,
dass es für Sie jetzt zu spät ist."
"Zu spät für was?" fragte Herr Maiteufel gereizt.
"Für Ihre Möglichkeiten."
"Ich habe hier alle Möglichkeiten, die ich brauche!"
sagte Herr Maiteufel.
"So?" fragte Larifari schnippisch, "Sie haben ja
noch nicht einmal die Möglichkeit, dieses Haus hier und seinen
Garten zu verlassen."
"Dass ich nicht lache", erwiderte Herr Maiteufel ungehalten.
"Ich brauche nur die Türklinke zu betätigen und nach
draußen zu gehen!"
"Ach, haben Sie das schon einmal versucht?"
Herr Maiteufel erwiderte nichts darauf.
Statt dessen sagte er: "Wenn es Ihnen hier absolut nicht gefällt,
warum sind Sie dann nicht selbst schon längst wieder abgereist?"
"Sie scheinen nicht der Hellste zu sein. Kein Wunder, dass
Sie alles so schnell vergessen konnten!" Larifari drehte sich
seufzend auf die andere Seite. "Ich versuche schon seit Jahren
diesen Ort zu verlassen. Aussichtslos. Als ich festgestellt habe,
dass man das Haus auf keinen Fall durch die Tür verlassen kann,
habe ich versucht, unterirdisch wieder in die Stadt zurückzugelangen.
Tage- und nächtelang bin ich schon unter der Stadt hin- und
hergelaufen, doch der Weg nach oben blieb mir bisher immer versperrt."
Herr Maiteufel starrte erstaunt auf den Rücken von Larifari.
Nicht er, sondern dieser Mann schien verwirrt zu sein! Was redete
er da von unterirdischen Wanderungen und der Unmöglichkeit,
die Türklinke drücken zu können?
"Und Sie sind sich ganz sicher, dass Sie nicht einfach nur
Parbleu zu bitten brauchen, Ihnen die Tür zu öffnen?"
Larifari nickte nur schwach mit dem Kopf.
"Wie ist es Ihnen überhaupt möglich, unter der Stadt
zu wandern?"
Larifari drehte sich wieder mit dem Gesicht zu Herrn Maiteufel.
Seine Augen bekamen einen eigentümlichen Glanz.
"Ich habe vor längerer Zeit entdeckt, dass der Teich im
Garten an die Kanalisationsschächte der Stadt angeschlossen
ist. Seither bin ich schon oft in den Gängen umher geirrt,
konnte aber nirgends einen Kanaldeckel oder sonst eine Öffnung
nach draußen entdecken."
Ungläubig schaute Herr Maiteufel Larifari an.
Larifari schien dies zu bemerken, denn er sagte: "Wenn Sie
mir nicht glauben, kommen Sie das nächste Mal doch einfach
mit. Es besteht für Sie auch gar kein Risiko. Denn hierher
kommen Sie zwangsläufig zurück."
Larifari wandte sich wieder von Herrn Maiteufel ab und gab ihm zu
verstehen, dass er jetzt schlafen wollte.
Herr Maiteufel wünschte ihm eine "gute Nacht" und
ging leise zurück in sein Zimmer.
Am anderen Morgen, gleich nach dem Frühstück, wollte
Herr Maiteufel die Tür nach draußen öffnen.
Nicht, weil er etwa gehen wollte, sondern weil er die Worte Larifaris
überprüfen wollte. Auch wenn er eigentlich nichts von
dem glaubte, was ihm Larifari zur nächtlichen Stunde mitgeteilt
hatte, so blieb doch ein leiser Zweifel übrig, ob Larifari
nicht doch Recht haben könnte.
Er ging also den Korridor entlang auf die Tür zu.
Doch gerade in dem Moment, als er seinen Arm ausstreckte, um nach
der Klinke zu greifen, kam Meringue angerannt und fragte ihn, ob
er nicht Lust habe, mit ihr Kirschen zu pflücken.
"Die Alabaster-Schönheit will Kirsch-Krapfen backen!"
rief Meringue erhitzt. "Kirsch-Krapfen sind meine Leibspeise!"
"Macht nichts", dachte Herr Maiteufel, als er Meringue
in den Garten folgte, "dann öffne ich die Tür eben
später."
Das Kirschenpflücken machte ihm großen Spaß. In
den letzten Tagen hatte er seine Höhenangst verloren, Zeber
erzählte einige lustige Geschichten und Pistazie erklärte
ihnen, wofür man die einzelnen Kräuter im Garten verwenden
konnte.
Erst als die Alabaster-Schönheit zum Kaffee rief und sich Herr
Maiteufel an den von heißen Krapfen dampfenden Kaffeetisch
setzte, fiel ihm wieder ein, dass er ja die Türklinke hatte
versuchen wollen!
"Gleich nachher werde ich hinausgehen", dachte er und
biss in einen Krapfen.
Doch die Kaffeetafel war längst vorbei und auch das Geschirr
vom Abendessen war schon weggeräumt, als ihm einfiel, dass
er die Tür immer noch nicht probiert hatte.
Entschlossen ging es deshalb wieder den Korridor entlang, trat auf
die Tür zu und nahm die Klinke in die Hand.
Doch da kam plötzlich Parbleu die Treppe hinunter.
"Ah, Herr Maiteufel!" sagte er. "Waren Sie zufällig
gerade auf dem Weg zu mir, um mir den Stein, den Sie bisher zurück
gehalten haben, wieder zu bringen?"
Beschämt schüttelte Herr Maiteufel den Kopf, lies die
Klinke los und ging schnell in den Garten zu den anderen zurück.
Nach zwei Tagen hatte Herr Maiteufel immer noch nicht herausbekommen,
ob sich die Tür öffnen ließ oder nicht: Immer war
ihm etwas dazwischen gekommen, oder es war ihm plötzlich nicht
mehr so wichtig erschienen, die Türe zu öffnen.
Am Mittag des zweiten Tages, Herr Maiteufel lag gerade im Garten
und ließ sich die Sonne ins Gesicht scheinen, setzte sich
Larifari zu ihm und fragte ihn: "Nun, was habe ich gesagt?
Es stimmt doch, dass sich die Tür nicht öffnen läßt?!"
"Ach was", erwiderte Herr Maiteufel, "Ich denke immer
noch, dass sich die Tür leicht öffnen läßt."
"Was heißt hier 'ich denke'. Haben Sie die Tür nun
versucht oder nicht?"
"Wenn ich ehrlich sein soll", sagte Herr Maiteufel, "habe
ich nie so richtig daran gedacht. Vielleicht, weil ich Ihnen sowieso
nicht glaube. Warum sollte die Tür denn auch nicht zu öffnen
sein? Das alles ist doch nur ein lächerlicher Gedanke von Ihnen."
Doch obwohl Herr Maiteufel Larifari gegenüber so selbstsicher
auftrat, ärgerte er sich im Stillen doch über sich selbst.
Warum hatte er nur immer und immer wieder vergessen, die Tür
zu öffnen? Er fühlte sich unwohl und unselbständig.
Er musste an einen Traum denken, in dem er dringend irgendwohin
musste, aber so schwere Füße hatte, dass er sie kaum
vom Boden lösen konnte.
Larifari sah Herrn Maiteufel skeptisch an und sagte nach einer Weile:
"Fragen Sie sich doch einmal, warum Sie die Tür immer
vergessen. Es liegt doch auf der Hand, dass die Tür für
Sie verschlossen bleibt, weil Sie sie immer vergessen. Und Sie vergessen
die Tür, weil irgendwer daran interessiert ist, dass Sie die
Tür nicht öffnen. Also habe ich Recht und die Tür
kann von uns nicht geöffnet werden."
"Wer sollte denn daran interessiert sein, dass ich hier bleibe?"
fragte Herr Maiteufel. "Parbleu vielleicht? Was soll denn das
Ganze für einen Sinn machen?"
Larifari machte ein säuerliches Gesicht: "Sehen Sie, Sie
stellen die falschen Fragen. Es ist nämlich durchaus egal,
wer hier warum daran interessiert ist, dass wir hierbleiben. Entscheidend
ist doch die Tatsache, dass wir hier nicht fortkommen und dass wir
hier festgehalten werden. Die einzige Frage, die sich deshalb für
mich stellt, ist die, wie ich hier so schnell wie möglich wieder
herauskomme!"
Nachdenklich sagte Herr Maiteufel: "Vielleicht sind Sie ja
auch nur deshalb hier, weil Sie es in diesem Garten gut haben und
Sie es in Wirklichkeit gar nicht so eilig haben, wegzukommen?"
"So, so", meckerte Larifari. "Und warum versuche
ich dann schon seit Jahren mit großer Anstrengung, doch ohne
Erfolg, nach draußen zu kommen?"
Darauf konnte auch Herr Maiteufel nichts einwenden.
Schweigend saßen sie noch eine Weile nebeneinander.
Dann stand Larifari auf und sagte förmlich zu Herrn Maiteufel:
"Wenn Ihnen doch noch die Augen geöffnet werden sollten,
können Sie sich ja überlegen, ob Sie morgen Nacht mit
mir mitkommen möchten. Dann nämlich werde ich wieder einmal
mein Glück in den Kanalschächten versuchen. Bis dann."
Mit steifen Schritten ging Larifari auf's Haus zu.
Dreizehntes Kapitel, das unter die Stadt führt
"Ich sagte Ihnen doch bereits, dass es hier nicht weiter geht",
sagte Larifari etwas unwirsch zu Herrn Maiteufel. "Lassen Sie
uns endlich weiter gehen. Ich schlage vor, nach rechts abzubiegen.
Nach einigen Metern kommt dort eine Öffnung. Ich bin zwar schon
einmal durch sie hindurch geklettert, aber vielleicht habe ich damals
ja etwas übersehen, was uns zum Ausgang führen könnte."
Herr Maiteufel nickte. Er klopfte nochmals mit einem herumliegenden
Stein das Gewölbe ab, zuckte mit den Schultern und folgte Larifari,
der bereits in den rechten Gang eingebogen war.
Sie mochten nun schon zwei Tage in diesen dunklen Schächten
und Kanälen unter der Stadt herum irren, ohne jedoch einen
Ausgang - oder auch nur die Möglichkeit eines solchen - entdeckt
zu haben.
Tatsächlich hatte sich Herr Maiteufel dazu entschieden, mit
Larifari den Garten durch den Teich zu verlassen, um über die
unterirdischen Kanäle und Gänge wieder in die Stadt zu
gelangen.
Warum er sich dazu entschieden hatte und nicht bei Merigue in dem
süßduftenden Garten geblieben war, wusste er selbst nicht
genau. Vielleicht war er aus Angst mitgekommen, die Tür wirklich
nicht öffnen zu können, wenn er es endlich versuchen würde?
Oder war er mitgegangen, weil er fürchtete, dass er, wenn er
bliebe, alles, was außerhalb des Gartens war, völlig
vergessen würde? Oder trieb ihn nur die bloße Neugier
an, mit Larifari durch die feuchten Gemäuer zu stapfen, in
der seltsamen Idee, unbedingt einen Ausweg finden zu müssen?
Er wusste keine richtige Antwort darauf. Und doch musste er zugeben,
dass er sich in dem Garten nicht mehr richtig wohlgefühlt hatte,
seit er die Türe hatte öffnen wollen.
"Hier, sehen Sie", sagte Larifari und deutete mit dem
Lichtstrahl seiner Taschenlampe auf ein dunkles Loch, das ungefähr
zwei Meter über ihnen lag.
"Da sind Sie schon mal hindurchgekrochen? Ganz alleine?"
fragte Herr Maiteufel anerkennend.
Larifari lächelte dünn. "Wenn Sie wüssten, was
ich hier schon alles hergeschleppt habe. Dieses Mal haben wir mit
der einwöchigen Verpflegung, den Schlafsäcken, dem Seil,
den paar Werkzeugen und Taschenlampen nur das Nötigste mitgenommen.
Als ich zum ersten Mal hier her gekommen bin, hatte ich neben einem
Gaskocher, einer Leiter, und einem kleinen Schlauchboot, sogar noch
Rattengift dabei. Wissen Sie, ich fürchte mich schrecklich
vor Ratten. - Leider ist mir die Tüte mit dem Rattengiftpulver
aber schon am zweiten Tag kaputt gegangen. Das Pulver hat meinen
ganzen Lebensmittelvorrat vergiftet, und ich musste wieder umkehren.
Aber zum Glück gibt es hier gar keine Ratten, und ein Schlauchboot
kann man hier auch nirgends einsetzen."
"Merkwürdig", meinte Herr Maiteufel. "Eigentlich
müsste hier doch das Abwasser der Stadt fließen. Oder
sind wir hier gar nicht unter der Stadt?"
"Natürlich sind wir hier unter der Stadt. Wo denn sonst?"
erwiderte Larifari etwas hochnäsig. "Wahrscheinlich befinden
wir uns in dem alten Kanalsystem der Stadt. Dann ist es sehr verständlich,
dass hier kein Wasser mehr fließt."
"Aber dann ist es auch sehr verständlich, dass wir keinen
Ausgang finden", sagte Herr Maiteufel schlagfertig. "Wenn
wir uns hier wirklich in dem alten und damit stillgelegten Kanalsystem
befinden, werden alle Verbindungen zum neuen zugemauert sein!"
Larifari schaute Herrn Maiteufel erschrocken an.
"Das habe ich mir so noch gar nicht überlegt!" sagte
er. "Aber sicher, Sie haben Recht. Es kann hier gar keinen
Ausgang geben."
Er ließ sich mit dem Rücken die Wand hinuntergleiten
und stöhnte. "Eigentlich habe ich es schon lange gewusst.
Ich habe es Ihnen ja selbst gesagt, dass es hier keinen Ausgang
gibt, und dass der Garten unsere Endstation ist. Aus der Traum von
meinen Möglichkeiten! Vorbei die kühnen Zukunftspläne.
Adieu' mein visionärer Katalog!"
Er winkte mit der Hand seinen unsichtbaren Möglichkeiten hinterher.
Dann schlang er seine Arme um die Knie und war nicht mehr ansprechbar.
Herr Maiteufel seufzte. Er hätte sich nie auf Larifari einlassen
sollen! Erst war es Larifari gelungen, ihm den Garten madig zu machen.
Dann hetzte er ihn unaufhaltsam durch all diese Gänge. Und
nun verlor er schon bei der ersten Schwierigkeit (denn als solche
betrachtete Herr Maiteufel den Umstand, dass sie in dem alten Kanalsystem
waren) allen Mut und dachte daran aufzugeben.
Er hockte sich neben Larifari und dachte nach.
Eigentlich war es ihm ganz angenehm, dass sie keinen Ausgang fanden.
So würde er bald wieder in den Garten zurückkehren können.
Andererseits wollte er die Suche noch nicht abbrechen. Und sei es
nur, um Larifari davon überzeugen zu können, dass es einen
Ausweg aus dem Garten gab, und dass sich dort niemand gezwungenermaßen
aufhalten musste.
"Wenn wir uns wirklich in dem alten System befinden",
dachte er, "dann muss es das neue entweder kreuzen oder die
beiden Systeme verlaufen parallel. Irgendwo muss es also eine Stelle
geben, wo beide Mauerwerke aneinander stoßen. Wir müssen
diese Stelle nur finden und dann durchbrechen."
Larifari saß immer noch zusammengesunken an die Mauer gelehnt
und regte sich nicht.
Herr Maiteufel stand deshalb leise auf und ging den Gang zurück,
den sie gekommen waren. An der Stelle, wo er vorhin die Wand abgeklopft
hatte, hob er den Stein auf, ging ein paar Schritte weiter und schlug
mit ihm gegen das Gemäuer. Ein stumpfes "Tock" hallte
ihm entgegen.
Langsam, Meter für Meter, hörte Herr Maiteufel die Wand
ab. Doch er hörte immer den gleichen Laut: "Tock, Tock
... Tock, Tock."
Er bog gerade in einen anderen Gang, um auch dort die Wand abzuhorchen,
als ihm eine Hand auf die Schulter gelegt wurde.
Erschrocken drehte er sich um.
"Ach, Sie sind es!" stöhnte er erleichtert auf.
"Wer denn sonst?" erwiderte Larifari. "Erwarten Sie
etwa noch jemanden? - Was machen Sie denn da? Ich wollte jetzt eigentlich
wieder in den Garten gehen. Da ist es auf jeden Fall gemütlicher
als in diesen kalten Katakomben."
"Ach, auf einmal?" sagte Herr Maiteufel gereizt. "Und
warum haben Sie mich dann beinahe gezwungen mit Ihnen hier her zu
kommen, wenn es Ihnen oben viel besser gefällt?"
Larifari sah ihn erstaunt an. "Und ich wusste nicht, dass es
Ihnen hier unten so gut gefällt."
"Vielleicht sollten Sie wieder nach oben gehen, während
ich hier noch ein Weilchen den Ausgang suche," meinte Herr
Maiteufel.
"Das könnte Ihnen wohl so passen. Erst muss man Sie dazu
fast gewaltsam drängen, den Garten zu verlassen, und dann wollen
Sie sich hier unten heimlich aus dem Staube machen."
"Was heißt denn hier 'aus dem Staube' machen?" fragte
Herr Maiteufel empört. "Sie glauben doch gar nicht mehr
daran, dass man sich hier überhaupt aus dem Staube machen kann!
Sie ereifern sich völlig umsonst."
"Wieso ereifere ich mich umsonst? Wenn Sie an einen Ausweg
glauben, können Sie sich doch wohl aus dem Staube machen, oder
etwa nicht?"
"Ja, ich schon, aber Sie nicht!"
"Genau! Ich nicht. Ich will mich aber auch aus dem Staube machen.
Das war ohnehin meine Idee und nicht Ihre!"
Herr Maiteufel stutzte. Irgend etwas stimmte an Larifaris Argument
nicht, doch er wusste nicht, was. Deshalb fragte er nur matt: "Kommen
Sie jetzt mit mir oder gehen Sie in den Garten zurück?"
"Natürlich komme ich mit Ihnen mit!" sagte Larifari.
"Sie glauben doch nicht, dass ich sie alleine gehen lasse?!"
Herr Maiteufel stieß einen zufriedenen Seufzer aus. Eigentlich
wäre es ihm sehr unangenehm gewesen, alleine durch diese dunklen
Schächte gehen zu müssen.
Er erzählte Larifari, was er sich ausgedacht hatte.
Larifari schüttelte bedächtig seinen Kopf. "Ich denke,
dass es beinahe unmöglich ist, durch Klopfen die neue Kanalisation
ausfindig zu machen. Die Mauern sind viel zu dick, als dass man
irgendwelche Schlüsse aus den Klopfgeräuschen ziehen könnte.
Und selbst wenn. Wie sollten wir denn die Mauern durchbrechen? Wir
haben dafür doch gar keine Werkzeuge dabei."
"Könnten wir uns nicht etwas von Parbleu ausleihen?"
meinte Herr Maiteufel.
Larifari verzog das Gesicht. So, als wolle er sagen, Herr Maiteufel
habe wohl noch gar nichts verstanden.
"Dann müssen wir uns eben etwas anderes ausdenken",
seufzte Herr Maiteufel.
So einfach, wie er sich das vorgestellt hatte, war die Suche nach
dem Ausgang wohl doch nicht.
"Und was ist mit Ihrem Möglichkeitenkatalog?" fragte
er. "Ich denke, Sie haben unzählige Möglichkeiten
gesammelt. Dann müssten Sie doch auch eine davon haben, aus
diesen dunklen Tunneln herauszukommen."
Larifari schüttelte betrübt den Kopf und sagte leise:
"Warum machen Sie sich immer über mich lustig? Sie wissen
doch ganz genau, dass ich in meinem Katalog nur Möglichkeiten
habe, die die Möglichkeit zur Umsetzung schon voraussetzen.
Wie sollte ich hier zum Beispiel einen Stand mit den größten
Würsten der Welt eröffnen können? Oder wie könnte
ich in diesen Schächten eine Versammlung einberufen, die über
das ausschließliche Tragen von Schnallenschuhen mit hohen
Absätzen entscheiden soll? Oder wo ist hier genug Platz, Luft
und Licht für eine Parkallee, deren Baumkronen mit Watte gepolstert
sind, damit man es sich dort so richtig schön gemütlich
machen kann? Oder wissen Sie etwa ..."
"Ich wollte Ihnen nicht wirklich zu nahe treten", sagte
Herr Maiteufel ungeduldig. "Trotzdem verwundert es mich, dass
Sie sich lieber überlegen, wie etwas wäre, wenn, als dass
Sie versuchen, sich auf die jetzige Situation zu konzentrieren und
mit mir zu überlegen, wie man hier heraus kommt."
"Oho. Sie verdrehen ja schon wieder die ganze Angelegenheit!
Was glauben Sie denn, wieso ich hier die ganze Zeit - als Sie noch
nicht einmal die Existenz des Gartens ahnten - nach einem Ausgang
suchte?!"
"Vielleicht sollten wir nochmals in dem Gang hinter der Öffnung
nachschauen", versuchte Herr Maiteufel das Gespräch in
eine andere Richtung zu lenken. "Womöglich haben Sie ja
bei Ihrer ersten Suche tatsächlich etwas übersehen. Immerhin
könnte es auch sein, dass wir nicht nur über das neue
Kanalsystem ins Freie gelangen können."
Larifari nickte.
Gemeinsam gingen sie den Gang wieder zurück, bogen rechts ab
und hielten vor der Öffnung.
"Der stärkere von uns sollte als erstes hochsteigen, damit
er den anderen nach oben ziehen kann", schlug Herr Maiteufel
vor.
"Richtig", sagte Larifari. "Deshalb bleibe ich hier
unten und gebe Ihnen die Spitzbubenleiter."
Herr Maiteufel staunte, dass Larifari ihn für den Stärkeren
hielt. Er selbst glaubte kaum, dass er die Kraft hatte, Larifari
nach oben zu ziehen. Aber er wollte nicht schon wieder mit Larifari
streiten. Deshalb nickte er nur, stemmte sich mit Larifaris Hilfe
kurz entschlossen nach oben und kletterte in die Öffnung.
"Ahh! Hier ist es ganz glitschig."
Vorsichtig versuchte er sich aufzurichten, doch die Decke war viel
zu nieder zum Stehen. Er kniete sich deshalb auf den nassen Boden
und reichte Larifari die Hand.
"Können Sie nicht stärker ziehen?" rief Larifari
Herrn Maiteufel zu.
"Nein", stöhnte Herr Maiteufel. "Sie sind zu
schwer für mich. Können Sie sich nicht etwas leichter
machen?"
"Ich habe nun mal mein Gewicht", sagte Larifari. "Bestimmt
geht es besser, wenn Sie sich flach auf den Boden legen."
"Dann werde ich doch völlig nass und schmutzig!"
widersprach Herr Maiteufel.
"Nun haben Sie sich nicht so, oder wollen Sie etwa alleine
weitergehen?"
Herr Maiteufel grummelte. Mit einiger Überwindung legte er
sich auf den Boden und versuchte Larifari nach oben zu ziehen. Nun
ging es tatsächlich viel leichter.
Noch zwei Atemzüge und noch einen.
Dann kniete Larifari neben Herrn Maiteufel.
"Vielen besten Dank", sagte Larifari übertrieben
freundlich. "Hier haben Sie auch mein Taschentuch. Damit können
Sie sich ein wenig sauber machen."
Etwas angewidert nahm Herr Maiteufel Larifaris Taschentuch. Sein
eigenes hatte er tief unten im Rucksack verstaut. Als er den gröbsten
Schmutz von sich abgerieben hatte, krochen sie langsam und bedächtig
hintereinander den Gang entlang.
"Wir müssen ungefähr zweihundert Meter weit kriechen",
sagte Larifari.
"Aha!" sagte Herr Maiteufel und rutschte Zentimeter um
Zentimeter vorwärts.
Nach einer halben Stunde waren seine Knie wund gescheurt, seine
Hose durchweicht und seine Hände eiskalt.
"Ich glaube, der Gang ist bald zu Ende", sagte Larifari.
"Hoffentlich!" sagte Herr Maiteufel. "Viel länger
hätte ich es auch nicht mehr ausgehalten."
"Was glauben Sie, warum ich erst einmal durch diesen Gang gekrochen
bin?" sagte Larifari.
Plötzlich griff Herrn Maiteufels Hand ins Leere.
"Oh!", machte Herr Maiteufel. "Wir sind da!"
"Wunderbar! Wenn wir hier hinab klettern, kommen wir in einen
größeren Raum, in dem man wieder gut stehen kann",
erklärte Larifari. "Am besten lassen Sie mich zuerst hinab
klettern."
Er quetschte sich an Herrn Maiteufel vorbei und rutschte rückwärts
auf den Boden. "Endlich!" sagte Larifari.
Er leuchte den Raum ab und Herr Maiteufel bemerkte, dass er wie
ein abgeschnittenes Tortenstück aussah. An einer Seite liefen
zwei Wände spitz aufeinander zu. Am breiteren Ende des Raumes
gähnte ein schwarzes Loch. Da also ging der Gang weiter.
Herr Maiteufel ließ sich vorsichtig auf den Boden gleiten.
Es war schön, wieder stehen zu können.
"Eine seltsame Form für einen Raum", bemerkte er.
"Finden Sie nicht auch?"
"Schon", meinte Larifari, "aber vielleicht bauen
sie unterirdisch anders als oberirdisch." "Wahrscheinlich.
Trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, wozu der Raum hier gebraucht
wurde."
Herr Maiteufel leuchtete langsam die Wände ab. Sie schienen
ziemlich trocken zu sein. Nur aus der Öffnung, aus der sie
vorhin geklettert waren, schimmerte die Wand algengrün und
war ganz klamm. Larifari zog seinen Rucksack fest und ging zum Ausgang.
"Irgendetwas ist hier merkwürdig", sagte Herr Maiteufel
zu sich selbst.
Nachdenklich schüttelte er den Kopf, folgte dann aber trotzdem
Larifari, der den Raum bereits verlassen hatte.
Ein matter Lichtschein wies Herrn Maiteufel den Weg.
Ende
Teil 7
Die Fortsetzung der Geschichte könnt
ihr im
Rossipotti
No. 14
lesen!
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