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Abenteuer mit der Flupppuppe

Vorwärts

Ruhm

„Hast du Arale schon gefunden und nach Hause gebracht?“, fragte der Torwart und hielt sich an einem der Auto-Decken-Griffe fest.

„Leider nein“, sagte Dr. Slump und zog die Mundwinkel theatralisch nach unten. „Aber bestimmt finde ich sie bei dem Volksauflauf vor dem Baby. Vor allem dann, wenn ihr mir helft. Acht Augen sehen mehr als zwei.“

 Er zog einen Hebel, die Insassen wurden in ihre Sitze gepresst, und das Gebirge vor ihnen drehte sich um 90 Grad. Das Flugauto zischte einen Berg entlang nach oben, bis man nur noch Himmel durch die Fenster sehen konnte. Dann zog Dr. Slump einen anderen Hebel, und das Auto machte einen Satz in die Waagrechte.

Unter ihnen lagen gelbe, braune und grüne Felder, und in deren Mitte glitzerte eine große Stadt in verschiedenen Blau-, Grün- und Rottönen.

Betrüger-Schorschi war die Stadt nicht aufgefallen, als er mit der Flupppuppe zum Baby unterwegs gewesen war. Aber wahrscheinlich war sie mit ihm einfach eine andere Route geflogen.

„Urban“, seufzte der Torwart und sagte, an Betrüger-Schorschi gewandt: „Urban ist das kommunikative, hochmoderne Zentrum des Blauen Gebirges. Hier finden Sie alles, was Sie sich nur vorstellen können. Uralte Handschriften neben fliegenden Suppentassen, ultraleichte Beamer aus Kristallfolie neben essbaren Bienen, mittelalterliche Zaubergegenstände neben ...“

„Kitzligen Nylonfäden“, fügte Emily spöttisch hinzu.

Der Torwart sah sie verärgert an und presste wortlos die Lippen aufeinander. Schade. Betrüger-Schorschi hätte gern mehr über Urban erfahren. Die Stadt schien mehr als interessant zu sein.

Dr. Slump drehte an einem Knopf die Geschwindigkeit hoch, und das Fluggefährt raste nun erschreckend schnell auf den Kesselberg zu.

Trotz der dicken Fensterscheiben und dem Lärm, den das Flugauto machte, konnte man das Baby schreien hören. Oder war das wieder nur das falsche Echo?

Bald waren sie so nah am Kesselberg, dass man die einzelnen weichen Speckröllchen der Arme und Beine und die niedlichen Grübchen in den Wangen des Babys erkennen konnte. Die blauen Augen waren weit aufgerissen und schauten halb ängstlich, halb traurig in die Ferne, während die Mundwinkel gefährlich nach unten hingen und zum nächsten Schrei anzusetzen schienen. Die Fäuste waren geballt, enthielten aber sehr wahrscheinlich keine Felsbrocken.

Dr. Slump schaute Betrüger-Schorschi an und sagte: „Sie haben beim Baby offensichtlich wahre Wunder bewirkt! Ich habe es noch nie so harmlos und gleichzeitig so aufregend erlebt!“

„Eine Schande ist das“, sagte der Torwart. „Ich hätte Betrüger-Schorschi niemals bitten sollen, uns zu helfen.“

„Warum denn nicht?“, sagte Dr. Slump ehrlich verwundert. „Die Bewohner des Blauen Gebirges sind begeistert von der Wirkung, die Betrüger-Schorschis Diät beim Baby hat! Sie werden es gleich sehen.“

Betrüger-Schorschi grinste stolz.

„Gefällt es den Leuten etwa, zuzusehen, wie das Baby leidet?“, fragte der Torwart.

„Sie müssen die Sache sportlich nehmen“, sagte Dr. Slump und drückte aufs Gas. „Kommen Sie nicht immer so moralisch! Das Baby sieht einfach zum Brüllen komisch aus, wie es so auf dem Berg sitzt und nach seinem Onkel Schorschi schreit. Das ‚Blue Magazine’ titelt heute übrigens: ‚Unglückliche Liebe: Gigant mit Speckarmen sucht Nuckelpartner’.“

Dr. Slump lachte und riss seinen Mund dabei so weit auf, dass man beide Zahnreihen bis zum Zäpfchen sehen konnte.

Betrüger-Schorschi wand sich ungemütlich in seinem Sitz. Was bitte, war daran so witzig?

„Nuckelpartner“, lachte Dr. Slump und schlug Betrüger-Schorschi grob auf die Schulter. „Das sind Sie!“

Links und rechts spritzten Lachtränen aus seinen Augen. „Geschmacklos“, sagte der Torwart.

Aber Dr. Slump achtete nicht auf den Torwart. Er wischte sich mit dem Handrücken die Tränen ab und meinte: „Die Bewohner des Blauen Gebirges werden Augen machen, wenn ich Ihnen den Nuckelpartner des Babys präsentiere!“

Betrüger-Schorschi schluckte.

„Ich dachte, Sie wollten mit uns Arale suchen?“, fragte er.

„Wissen Sie denn, wie sie aussieht?“, fragte Dr. Slump spöttisch.

Betrüger-Schorschi schluckte ein zweites Mal. Wollte Dr. Slump ihn etwa den Einheimischen ausliefern? War er nur deshalb zum Torwart geflogen?

„Natürlich will ich Arale suchen“, sagte Dr. Slump und grinste breit. „Aber so ein bisschen Spaß nebenbei, kann doch nicht schaden?!“

Emily drückte ihren Finger auf die Scheibe: „Seht ihr etwa auch, was ich sehe? Diesen riesigen Strom von Leuten, der sich auf den Kesselberg zu bewegt?“

„Sage ich doch“, meinte Dr. Slump. „Nachdem alle bemerkt haben, dass das Baby nicht mehr mit Steinen um sich wirft, sondern nur noch nach Onkel Schorschi schreit und wimmert, will sich jeder mal das Baby aus der Nähe ansehen. Das ist die Chance ihres Lebens! Der Mountain Channel und X-TV haben sich bereits das alleinige Senderecht gesichert. Wie ihr seht, haben sie auch schon alle hundert Meter ihre Leinwände aufgestellt.“

Dr. Slump flog jetzt nach unten, bis er ungefähr nur noch zehn Meter über den Köpfen der Menschen war.

Aber was hieß da überhaupt ‚Menschen’?!

Sicher, die meisten Lebewesen unter ihnen sahen tatsächlich wie Menschen aus, dachte Betrüger-Schorschi. Aber es waren doch auch sehr viele darunter, die eher in die Kategorie Tier, Monster oder Außerirdischer passten.

Betrüger-Schorschi entdeckte in der aufgebrachten Menge auf zwei Beinen stehende Bären, Katzen und sogar einen Elefanten. Er sah Hühner mit ausladenden Hüten, Schweine in bunten Jäckchen und Hunde in glänzenden Lederhosen. Er sah lächelnde Drachen, Gestalten mit runden, schwabbeligen blauen oder rosa Körpern und grüne Männchen mit Stielaugen. Er sah Monster mit zwei Köpfen, runzlige kleine Wesen mit riesigen Insektenaugen und dosenförmige Roboter mit dünnen Schlauchbeinen.

Betrüger-Schorschi konnte kaum glauben, was er draußen sah. Wo war er hier nur hingeraten?

Auf einen Maskenball ganz bestimmt nicht. Dafür sahen die Monster viel zu echt und die Menschen viel zu lächerlich aus. Kaum einer der Menschen hätte in Betrüger-Schorschis Welt normal ausgesehen. Entweder waren die Münder zu breit, die Augen zu groß, die Nasen zu knubbelig, das Gesicht zu gelb oder die Haare zu blau. 

Das einzige, was Betrüger-Schorschi beruhigte, war, dass auf der Straße keine aggressive Stimmung zu herrschen schien. Die Bewohner schienen viel mehr in Partylaune zu sein. Am Straßenrand standen Imbissbuden. Kinder trugen Luftballons und leckten Eiskrem, und die erwachsenen Bewohner unterhielten sich ausgelassen. Manche hatten einen runden Apparat auf dem Kopf, aus dem Musik kam, andere tanzten oder machten Kunststücke. Ein drei Meter großes, lila Monster mit langem, flauschigem Pelz hatte ein T-Shirt an mit der Aufschrift „Ich bin dein Nuckelpartner!“

„Mann, ist das ein Gewusel hier“, sagte Dr. Slump und flog noch zwei Meter tiefer. „Da finden wir Arale ja nie!“

„Arale ist sicher da, wo etwas los ist“, vermutete Emily. „Vielleicht wirft sie gerade einen Drachen in die Luft oder benutzt ein Kleinkind als Ball.“

Dr. Slump warf ihr einen grimmigen Blick zu. „Arale ist fast schon erwachsen!“

„Ach ja?“, sagte Emily. „Und was ist da vorne los?“

In einiger Entfernung sahen sie einen Pulk von etwa zehn Personen. Im Abstand von einigen Sekunden flog zuerst ein Mädchenkopf, ein Arm und dann ein Bein in die Höhe, machte jeweils einen Looping und verschwand wieder hinter den Körpern der Menge. Die Leute klatschten bei jedem Looping.

„Arale kann was erleben!“, sagte Dr. Slump und sah sich nach einer freien Stelle um, wo er sein Flugauto landen konnte. Das war gar nicht so einfach, denn der offizielle Parkstreifen war bereits mit allen möglichen Flugautos, fliegenden Untertassen, herkömmlichen Autos und Motorrädern vollgestellt.

Dr. Slump landete deshalb mit einem Seufzer auf offenem Feld. Das würde ihm zwar einen saftigen Strafzettel einbringen, aber er musste Arale einsammeln, bevor ihre Einzelteile verloren gingen.

Mit einem kleinen „Plumps“ kam das Auto zum Stehen. Dr. Slump klappte die Fenstertüren hoch und sprang aus dem Auto. Emily und der Torwart kletterten hinterher. Nur Betrüger-Schorschi blieb sitzen. Er fühlte sich im Auto irgendwie sicherer.

Dr. Slump ging auf den Pulk zu und drängte sich durch die Leute.

„Arale“, schrie er. „Hör sofort auf damit!“

Ein Schuh Arales, der gerade nach unten fiel, traf seinen Kopf. Fluchend sammelte Dr. Slump die Einzelteile auf und schraubte sie wieder zusammen.

„Weißt du eigentlich, dass wir uns große Sorgen um dich gemacht haben?“

Arale sagte nichts.

„Midori wäre vor Sorge um dich fast gestorben!“, schimpfte Dr. Slump und schraubte an ihrem Kopf herum. „Was denkst du dir eigentlich dabei, so einen Quatsch zu machen? Da braucht nur jemand auf einen deiner Arme oder Beine zu stampfen, und schon hättest du ein Glied weniger!“

Der Kopf saß jetzt wieder an Ort und Stelle und Arale sagte: „Dann hättest du mir eben einen neuen Arm gemacht.“

„Von wegen“, stöhnte Dr. Slump und drehte Arales rechten Arm an den Rumpf. „Ich habe andere Dinge zu tun, als frechen Robotermädchen die Arme anzuschrauben.“

„Was denn schon?“, sagte Arale.

„Zum Beispiel den Nuckelpartner des Babys aufzutreiben.“

Dr. Slump grinste und zeigte in die Richtung seines Flugautos.

„Du hast ihn gefunden?“, fragte Arale aufgeregt. „Sieht er zum Anbeißen aus? Darf ich ihn sehen?“

„Gleich“, sagte Dr. Slump. „Lass mich nur noch deinen linken Arm anschrauben!“

„Du hast den Nuckelpartner gefunden?“, fragte ein blau-zotteliges Monster mit tischtennisballgroßen Augen. „Wie schmeckt er denn?“

„Ist es zu fassen?!“, mischte sich nun auch eine dicke Frau mit spitzer Nase und braun-lockigem Haar ein. „Sie haben den Nuckelpartner gefunden? Wie aufregend!“

„Kommt alle mal her“, schrie ein kleiner gelber Junge mit einem Skateboard unterm Arm. „Hier ist der Nuckelpartner des Babys!“

Bald drängelten sich einige Dutzend Leute um Dr. Slump und Arale.

„Halt, halt!“, wehrte Dr. Slump ab. „Ich bin doch nicht der Nuckelpartner! Ich habe ihn nur gefunden! Der Nuckelpartner sitzt in meinem Flugauto!“

„Er hat den Nuckelpartner gefunden!“, sagte eine aufgeregte Reporter-Stimme, die zu einer roten Krake gehörte. Sie drängte sich in einem rollenden Wasserglas durch die Menge. Mit einem ihrer Kraken-Arme schob sie Dr. Slump ein langes, stielartiges Mikrophon mit dem dreieckigen Logo des Mountain Channels vor die Nase und rief: „Erklären Sie unseren Zuschauern bitte, wo Sie den Nuckelpartner gefunden haben!“

Ein großes Huhn mit langen staksigen Beinen und klimpernden Augen hielt eine Kamera auf Dr. Slump.

„Ich habe ihn beim Torwart aufgespürt“, sagte Dr. Slump stolz. Er winkte in die Kamera und sagte: „Hallo Midori! Siehst du mich? Ich habe Arale gefunden! Wir bleiben noch ein Weilchen beim Baby-Spektakel, dann fliegen wir wieder nach Hause! Sag Turbo viele Grüße von mir ...“

Das Huhn schwenkte die Kamera weg und filmte jetzt das Monster mit dem T-Shirt-Aufdruck Ich bin dein Nuckelpartner!

„Bei Ihnen wurde der Nuckelpartner also gefunden!“, sagte die Kraken-Reporterin und drehte sich zum Torwart um. „In welcher Beziehung stehen Sie zu ihm?“

„In gar keiner“, sagte der Torwart. Er wollte auf keinen Fall mit dem unsympathischen Betrüger-Schorschi in Verbindung gebracht werden. „Er ist von drüben. Er kam mit der Flupppuppe hier her. Er steht nicht unter meinem Schutz!“

„Er kam mit der Flupppuppe!“, rief die Krake aufgekratzt. „Und wo ist das himmlische Geschöpf jetzt, wenn ich fragen darf?“

„Ich weiß es nicht“, sagte der Torwart zerknirscht. „Plötzlich war sie verschwunden!“

„Sie haben sie nicht zufällig verärgert?“, fragte die Reporterin und schob das Mikro bedrohlich nahe an den Torwart.

Der Torwart schüttelte den Kopf.

Der Krakenarm wich etwas zurück, und die Reporterin sagte: „Aber immerhin hat die Flupppuppe uns auch dieses Mal nicht im Stich gelassen. Sie hat uns den sagenhaften Nuckelpartner extra von drüben eingeflogen, damit er hier das Baby besänftigt!“

„Und der Torwart hat dem Nuckelpartner den Auftrag gegeben, das Baby unschädlich zu machen“, mischte sich Emily ein.

Der Torwart warf Emily einen wütenden Blick zu. Emily feixte. Die Kamera des Huhns schwenkte nach rechts und zoomte Emilys Gesicht heran. Es war sehr weiß und die Augen glühten darin wie schwarze Kohlen.

Gerade in dem Moment schrie das Baby wieder laut auf.

„Ontel Schoschi!“

Das Huhn drehte sich zum Berg und zoomte schnell das Baby heran. Auf jeder zweiten Leinwand konnte man jetzt groß das Gesicht des Babys sehen. Der Mund öffnete sich weit, und das Baby schrie: „Bei haben! Ontel Schoschi endlich wieder kommen!“

Dann zog sich der Mund in die Länge, die Augen wurden zu Strichen, und das Baby weinte. Dicke Tränen liefen seine Wangen hinunter.

„Und wieder können wir dieses außergewöhnliche Schauspiel des gigantischen Babys erleben“, rief die Reporterin euphorisch. „Obwohl es uns innerhalb einer halben Stunde alle zerquetschen könnte, macht es nichts anderes, als nach seinem Onkel Schoschi zu rufen! Diese Paarung zwischen absoluter Macht und emotionaler Ohnmacht ist einfach unglaublich, und man muss es selbst miterleben, um begreifen zu können, was hier in diesem Augenblick geschieht ...“

Die Menge klatschte und johlte.

Auf der Leinwand konnte man jetzt das ganze Baby sehen. Die Hände waren zu Fäusten geballt und seine Füßchen wackelten. Immer wieder rief es nach seinem Onkel Schoschi.

„Und wir vom Mountain Channel wollen jetzt endlich das Geheimnis lüften und den Bezwinger des Babys und Retter des Blauen Gebirges vor unsere Linse bekommen“, rief die Kraken-Reporterin. „Dr. Slump! Führen Sie uns zu unserem Nuckelpartner!“

Dr. Slump schob seine Brust stolz nach vorne und bahnte sich mit Arale einen Weg durch die Menge. Die Krake und die Kamerafrau folgten ihm dicht.

Auch Emily und der Torwart begleiteten Dr. Slump zum Flugauto.

 

Betrüger-Schorschi hatte durch die Live-Übertragung von seinem Platz aus das meiste mitbekommen. Für die Bewohner des Blauen Gebirges war er offensichtlich ein Held. Innerhalb weniger Stunden war er im Blauen Gebirge zum Held geworden! Er konnte kaum glauben, wie schnell er hier zu Ruhm gelangt war!

Auf einer der Leinwände sah er, wie die Leute vom Mountain Channel und Dr. Slump sich einen Weg zu ihm bahnten. Mit zwei Armen schaufelte die Krake für alle den Weg frei, mit zwei Armen rollte sie ihr Fahrzeug, zwei Arme hingen in dem Wasserbehälter und mit den restlichen Beinen gestikulierte sie mit dem Kamera-Huhn, Dr. Slump und dem Torwart.

Fieberhaft überlegte Betrüger-Schorschi, wie er sie empfangen sollte. Sollte er das Victory-Zeichen mit den Fingern machen? Aber kannten sie das hier überhaupt? Sollte er sich auf die Brust schlagen und schreien „Ich bin der Größte!“?

Nein, das hatte zu wenig Stil. Sollte er also im Gegenteil bescheiden die Augen niederschlagen und sagen: „War nicht der Rede wert!“?

Nein, das machte bei den Monstern sicher keinen Eindruck. Schließlich war er der Retter des Blauen Gebirges! Er musste Kraft und Stärke ausstrahlen. Aber nur wie?

„Und da haben wir auch schon den Retter des Blauen Gebirges!“, rief die Krake. Sie hatte sich jetzt bis zum Flugauto vorgearbeitet. Eigenmächtig klappte sie die Fenstertür hoch und riss mit einem Krakenarm Betrüger-Schorschi ins Freie. Dann drückte sie ihm das Mikrophon unter die Nase und sagte: „Sie sind also der Nuckelpartner des Babys: Onkel Schoschi! Winken Sie unseren Zuschauern bitte einmal zu!“

Betrüger-Schorschi tat, wie ihm geheißen.

„Wie ich gerade gehört habe, sind Sie von drüben“, sagte die Krake neugierig. „Das heißt, Sie wissen von uns sehr wenig oder wahrscheinlich sogar gar nichts. Ist Ihnen deshalb klar, welchen großen, ja gigantischen Dienst Sie uns hier und heute erwiesen haben?“

„Aber ja“, sagte Betrüger-Schorschi. „Ich kenne schließlich die Vorgeschichte des Babys!“

Er drehte sich zur Kamera und machte jetzt doch das Victory-Zeichen. Irgendetwas musste er ja machen. Irgend etwas erwartete die Menge sicher von ihm.

„Erzählen Sie uns doch mal, wie Sie das Baby gezähmt haben?!“

Gezähmt? Hatte er das Baby wirklich gezähmt? Betrüger-Schorschi dachte fieberhaft nach. Aber sonderbarerweise fiel ihm dazu absolut nichts ein.

„Wie ich höre, ruft das Baby gerade wieder nach Ihnen“, versuchte die Reporterin die peinliche Stille zu überbrücken. „Haben Sie das Baby vielleicht mit einem leckeren Gericht von drüben so friedlich gemacht?“

Betrüger-Schorschi schüttelte den Kopf und dachte an das Versprechen, das er dem Baby gegeben hatte.

„Ganz im Gegenteil“, sagte er endlich. „Ich habe es einer Diät ausgesetzt!“

„Ach“, sagte die Reporterin und riss erstaunt die Augen auf, „dann sind Sie der Arzt, der die Diät angeordnet hat? Und wegen Ihnen dürfen wir dem Baby kein Essen mehr geben?!“
Betrüger-Schorschi nickte stolz.

„Aber warum ruft es dann ausgerechnet nach Ihnen?“, fragte die Krake. „Babys lieben diejenigen, die sie füttern, und nicht diejenigen, die ihnen ihr Essen wegnehmen! Alles andere widerspricht allen uns bekannten Gesetzen!“

„Dann habe ich eben dieses Gesetz widerlegt“, sagte Betrüger-Schorschi beinahe trotzig.

„Erklären Sie uns das genauer!“

Betrüger-Schorschi nickte, nahm der Krake das Mikro aus der Hand und kletterte auf das Auto-Dach. Hier oben fühlte er sich schon besser. Die Tiere, Monster und Menschen sahen erwartungsvoll zu ihm auf. Das Huhn richtete die Kamera auf ihn. Neben ihr stand ein gelber Schwamm mit großen Klimperaugen und breitem Grinsemund und hielt auf seinen mickrigen Armen ebenfalls eine Kamera. Wahrscheinlich ein Reporter von X-TV.

Betrüger-Schorschi holte tief Luft und sagte dann laut:

„Es begann mit der Flupppuppe! ...“

Die Menge unter ihm klatschte und rief: „Flupp-Puppe, Flupp-Puppe! Flupp-Puppe!“

Als sich alle wieder etwas beruhigt hatten, rief Betrüger-Schorschi ins Mikro: „Die Flupppuppe brachte mich hier her, damit ich euch in der Sache mit dem Baby helfe! Denn jenseits des Gebirges bin ich ein berühmter Arzt. Die Flupppuppe hörte von mir und war sich sofort sicher, dass ich die richtige Person sei, euch aus der Klemme zu helfen!“

„Hoch lebe die Flupppuppe!“, riefen die Leute. „Hoch lebe Onkel Schoschi und die Flupppuppe!“

„Ich sah mir das Baby an und wusste sofort, dass man es auf keinen Fall weiter füttern durfte“, riss Betrüger-Schorschi das Gespräch wieder an sich. „Das Baby musste man dringend auf Diät setzen. Ein solches Baby ist ein Ding der Unmöglichkeit, und man darf so etwas nicht zulassen! Abnormales muss man auf Normalgröße schrumpfen!“

„Auf unsere Normalgröße!“, schrieen die riesigen Monster und klatschten sich vor Freude auf den Bauch.

„Auf unsere Normalgröße!“, schrieen die Menschen und winkten Betrüger-Schorschi begeistert zu.

„Auf unsere Normalgröße!“, riefen fußhohe Enten, Katzen und Hunde.

Alle waren von dieser Feststellung begeistert. Alle fühlten sich von Betrüger-Schorschi verstanden. Betrüger-Schorschi war ihr Held!

Die Reporterin ließ sich von der Begeisterung anstecken und riss Betrüger-Schorschi das Mikrophon aus der Hand: „Es ist ein unglaubliches Erlebnis, hier zu sein! Es ist lange her, dass das Blaue Gebirge ein solches Event erlebt hat. Die Leute werfen ihre Arme in die Luft und lassen Onkel Schoschi hochleben. Sie rufen so laut ‚Onkel Schoschi, Onkel Schoschi’, dass ich kaum noch mein eigenes Wort verstehen kann. Und um das Ganze noch zu toppen, schreit jetzt das Baby wieder! Es ruft laut nach Onkel Schoschi. Jetzt horcht es und ... ja, ich denke, jetzt hört es die Onkel-Schoschi-Rufe der Leute ... Es sieht so aus, als ob das Baby einen Gedanken fasst und ja ... einfach kaum zu glauben, es greift in die Richtung der Leute hier unten! Die Menge weicht nun ein wenig vom Fuße des Berges zurück. Wahrscheinlich haben viele Angst, das Baby könnte nun doch wieder Steine ins Tal werfen. - Aber nein, das Baby scheint nicht daran zu denken! Es scheint nur an seinem Onkel Schoschi interessiert zu sein, das muss wahre Liebe sein, oh, aua, was soll das ...“

Die Reporterin wurde von einigen Leuten angerempelt, die sich einen Weg zum Flugauto bahnen wollten. Dabei fiel ihr das Mikrophon aus der Hand. Aber auf der Schulter des gelben Schwammes saß die Kamera noch fest. Auf den großen Bildschirmen sah man jetzt, wie die Menge Betrüger-Schorschi vom Auto herunterzerrte und ihn begeistert hochleben ließ. Einige Monster trugen ihn auf ihren Schultern auf die Straße und gingen, begleitet von der Menge, mit ihm dem Kesselberg entgegen. Betrüger-Schorschi schien sich zu sträuben, aber die Menge hatte sich dafür entschieden, den Retter des Blauen Gebirges mit dem Baby zusammen zu bringen. Die Lovestory zwischen Baby und Nuckelpartner sollte vor ihren Augen ein rührendes Ende finden. Man sah ihre Münder in regelmäßigen Abständen etwas rufen. Aber da der Ton abgeschaltet war, konnte man nicht hören, was. Sehr wahrscheinlich riefen sie „Onkel Schoschi“, aber vielleicht auch „Baby“ oder „Nuckelpartner“.

Jetzt richtete die Kamera wieder ihr Auge auf das Baby.

Es horchte in die Luft und schaute verwundert auf den Strom von Leuten, die sich zu seinem Berg aufmachten. Jetzt wackelte es mit dem Oberkörper. Es wippte hin und her und schien aufstehen zu wollen.

„Und da sind wir wieder“, rief die Reporterin ins Mikro. „Wir entschuldigen uns für die kurze Störung ... Aber was sehe ich da? Das Baby versucht aufzustehen! Kann das Baby etwa stehen? Unvorstellbar! Doch tatsächlich, es versucht, nach oben zu kommen! Und von unten sehe ich jetzt, wie sich die Menge zerteilt, um die Gruppe mit Onkel Schoschi zum Baby vorzulassen. Das Baby scheint sie nicht zu bemerken. Es schaut in eine ganz andere Richtung. Onkel Schoschi dagegen will offenbar auf keinen Fall zum Baby. Er strampelt wild mit den Füßen und scheint sich befreien zu wollen. Aber die Leute halten ihn fest im Griff ...“

Während man auf der Leinwand sehen konnte, wie Betrüger-Schorschi gewaltsam Richtung Kesselberg getragen und gestoßen wurde, bemühte sich das Baby weiter, auf die Füße zu kommen. Es kümmerte sich nicht um die vielen Krabbeltiere am Fuße des Berges. Es war ihm gleichgültig, warum sich da so viele von ihnen versammelt hatten. Es wollte nur noch wissen, wo Onkel Schoschi steckte. Hatte es vorhin aus der Ferne nicht immer wieder Onkel Schoschi-Rufe gehört? Und bedeutete das nicht, dass Onkel Schoschi dort irgendwo in der Ferne war? Wenn Onkel Schoschi nicht zu ihm kam, musste es eben zu ihm gehen. Es musste einen wichtigen Grund geben, warum Onkel Schoschi nicht wieder gekommen war. Denn, was Onkel Schoschi versprach, hielt er auch. Und wenn er nicht kam, bedeutete es sicher, dass ihm etwas zugestoßen war! Das Baby musste Onkel Schoschi unter allen Umständen suchen und finden. Das Baby musste Onkel Schoschi zu Hilfe eilen!

Doch zuerst musste es ihm gelingen, aufzustehen. Deshalb wippte es mit dem Oberkörper vor und zurück, vor und zurück, vor und zurück und plötzlich ja, plötzlich klappte es nach vorne, sein großer Popo ploppte in die Höhe und das Baby stand!

PLOPP!

Ein ohrenbetäubender Knall ließ das ganze Tal erzittern. Die Menge zu Füßen des Kesselberges schrie entsetzt auf und starrte zu dem stehenden Baby empor.

Was würde das Baby tun?

Sich auf sie stürzen? Oder mehrere Schritte nach vorne machen und sie dadurch alle zertrampeln?

Hilfe! Jetzt galt es, sich möglichst schnell in Sicherheit zu bringen. Die Leute wichen kreischend zurück, und jeder versuchte, sich boxend durch die Menge weg vom Baby zu drängeln. Doch das Geschiebe und Gedrücke der Masse hatte zur Folge, dass manche von den kleinen Bewohnern ganz und manche von den größeren halb zerquetscht wurden.

Das Kamera-Huhn hatte sich im Gegensatz zum gelben Schwamm vorhin nicht so weit vorgewagt und konnte die Szene nun aus sicherer Entfernung filmen.

Auf den Leinwänden sah man das Baby, wie es mit klarem Blick um sich blickte. Die Tränen waren getrocknet, und es sah sehr zufrieden mit sich aus.

Jetzt versuchte es, einen ersten Schritt zu machen. Auf wackligen Beinen hob es den linken Fuß langsam hoch und höher und blieb dann, als das Bein mehrere Meter über dem Boden schwebte, stehen. Der ganze Babykörper wankte, hin und her, hin und her, und niemand wusste, wo er in jedem Augenblick landen, wen er zuerst unter sich zerdrücken würde!

Die Menge war jetzt in panischem Schweigen verstummt und beobachtete voll Entsetzen die Bewegungen des Babys. Schon verdunkelte der riesige Fuß die nahe stehenden Bewohner, hob sich höher und höher, drehte sich um 90 Grad und ... patschte zur unendlichen Erleichterung der Schaulustigen rechts neben dem Kesselberg auf den Boden. Dorthin, wo wundersamer Weise niemand stand!

Ein erleichterter Aufschrei ging durch die Menge.

Die Kamera schwenkte den Blick, und nun konnte man erkennen, dass das Baby versuchte, sich zu drehen. Wieder hob es einen Fuß, nun den rechten, hob ihn ein Stückchen höher und ... landete fünfzig Meter links neben dem anderen Fuß in einem Feld.

Die Zuschauer waren gerettet!

Das Baby stand nun mit dem Rücken zum Publikum neben dem Kesselberg. Offensichtlich wollte es nicht auf der Straße des Triumphes nach Onkel Schorschi suchen, sondern in der entgegen gesetzten Richtung. 

Das Baby drehte seinen Kopf nach links und rief: „Ontel Schoschi!“ Es drehte seinen Kopf nach rechts und rief wieder: „Ontel Schoschi!“

Als es keine Antwort bekam, machte es einen wackligen Schritt nach vorn, dann noch einen und noch einen. Schritt für Schritt tappte es weiter. Dabei hielt es immer wieder an und rief nach seinem Onkel Schoschi.

Bald verdeckte der Kesselberg die Waden des Babys, dann den Po, den Rücken und zum Schluss den Kopf. So entschwand das Baby „Ontel Schoschi“ rufend allmählich aus dem Blickfeld der Bewohner des Blauen Gebirges.