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Abenteuer mit der Flupppuppe

Vorwärts

Emily

Nachdem die Flupppuppe ihm offensichtlich auch heute nicht erlaubte, auf ihren Rücken zu steigen, fiel Dr. Slump wieder seine wundervolle Frau Midori ein. Midori hatte ihm aufgetragen, so schnell wie möglich mit Arale nach Hause zu kommen. Da Arale offensichtlich nicht beim Torwart war, wollte er sie beim Baby suchen gehen.

Arale untersuchte gerne ausgefallene Dinge, und darunter gehörte sicher auch das Baby. Das Baby war allerdings schon unter normalen Umständen gefährlich. Sobald es aber von Betrüger-Schorschi auf Diät gesetzt werden würde, wäre mit ihm sicher gar nicht mehr zu spaßen. Er musste Arale deshalb unbedingt vor den ersten Wirkungen der Diät finden.

Dr. Slump stand kurz entschlossen auf und verabschiedete sich von allen: „Ich flieg dann mal!“

Der Torwart nickte. „Viel Erfolg bei deiner Suche!“

„Hals und Beinbruch“, sagte Emiliy und grinste.

Schnell stieg Dr. Slump in sein fliegendes Auto und brauste davon.

„Ich hätte mit ihm fliegen sollen“, sagte Herr Rossi, als das Flugauto nur noch ein kleiner Punkt am Himmel war. „Besser dort als hier!“

„Ich habe noch eine kleine Grotte frei“, sagte der Torwart. „Wenn Sie möchten, können Sie nebenan einziehen, bis sich Ihre Pfeife wieder findet.“

„Zu liebenswürdig“, sagte Herr Rossi. „Eine Höhle ist zwar keine Villa mit Swimmingpool, aber immerhin etwas! Ist vor der Höhle vielleicht sogar noch Platz für ein Gärtchen?“

„Für ein Gärtchen, so groß wie meine Tischdecke“, sagte der Torwart.

„Welch ein Glück“, sagte Herr Rossi. „Was will man mehr als einen netten Nachbarn und ein Gärtchen, in dem man eine Karotte groß ziehen kann?“

Herr Rossi ging in die Höhle, um sich sein neues Zuhause anzusehen.

„Und du?“, fragte der Torwart Emily. Sie saß mit angezogenen Knien auf dem kalten Boden und stierte in die Schlucht. „Solltest du nicht auch besser wieder nach Hause gehen?“

„Nerv’ mich nicht“, sagte Emily.

Der Torwart kannte Emily seit sie ein Baby war und ließ sich von ihrer abweisenden Art nicht aus der Ruhe bringen. „Warum bist du zu mir gekommen?“

„Zu öde zu Hause“, sagte Emily und warf einen Stein in die Schlucht. „Alles Langweiler. Selbst das Ekelmonster reißt mich nicht mehr vom Hocker.“

„Und hier ist es spannend?“

„Hier kommen wenigstens immer mal wieder beknackte Leute vorbei“, sagte Emily.

Sie zeigte auf Betrüger-Schorschi, der in seinem Korb stand und kontrollierte, ob die Leute außer dem Proviant auch noch andere Dinge wie seinen Ärztekoffer oder sein selbst geschriebenes Kochbuch weggenommen hatten.

„Wer ist dieser hässliche Typ eigentlich?“

„Betrüger-Schorschi“, seufzte der Torwart. „Er kam mit der Flupppuppe von drüben. Keine Ahnung, was sie an ihm findet. Er ist gerade mal einen Tag hier und spielt sich schon als Retter des Blauen Gebirges auf.“

„Ich könnte ihm einen Löffel von meiner seltsamen Soße verpassen“, schlug Emily vor. „Meine Flasche ist fast voll!“

„Er ist von drüben“, sagte der Torwart. „Er steht nicht unter meinem Schutz.“

„Ich werde ihm zwei Löffel verpassen“, sagte Emily und verzog den Mund zu einer hinterhältigen Fratze. „Dann werden wir sehen, was in ihm steckt.“

Der Torwart nickte.

„Flupppuppe“, rief er möglichst beiläufig. Sie flog gerade einige Meter über ihnen auf dem Rücken und ließ sich die Sonne auf ihren Bauch und ihre Beine scheinen. „Hast du nicht Lust, in meine Höhle zu kommen? Ich möchte dir etwas zeigen!“

„Suppe?“, rief die Flupppuppe erfreut.

„Ja“, antwortete der Torwart. „Zeit für Suppe.“

Betrüger-Schorschi stand in seinem Korb und hatte sich überzeugt, dass alles noch an Ort und Stelle war. Offensichtlich hatten die anderen wirklich nur Hunger gehabt. Er kletterte aus dem Ballonkorb und ging zurück auf die Felsplattform vor die Höhle. Die Flupppuppe flog einen Bogen um ihn herum und streckte dann die Beine durch das Fenster des Torwarts. War es wirklich schon wieder Zeit für Suppe?

„He, du da!“, rief Emily. „Bist du ein Mann?“

„Hä?“, Betrüger-Schorschi sah widerwillig zu dem Mädchen. „Natürlich bin ich ein Mann!“

„Dann habe ich hier was für dich“, sagte Emily. „Komm mal her!“

Zögernd ging Betrüger-Schorschi auf Emily zu. Was wollte diese Göre von ihm?

„Nur Mut“, sagte Emily. „Oder ist der Retter des Blauen Gebirges eine Memme?“

‚Retter des Blauen Gebirges?’, horchte Betrüger-Schorschi auf. ‚Sehen die Leute hier in mir schon einen Retter, nur weil ich dem Baby eine Diät verpassen will?’

„Mach schon!“, sagte Emily und streckte ihm eine Flasche hin. „Das macht starke Männer noch stärker!“

„Interessant“, sagte Betrüger-Schorschi. „Und schwache Männer?“

„Haut es um“, sagte Emily.

Lässig trat Betrüger-Schorschi neben Emily und nahm ihr die Flasche aus der Hand. Eine knallrote, zähe Soße schwamm hinter dem weißen Glas.

„Was ist da drin? Himbeersaft?“

Emily schüttelte den Kopf. „Streng geheim!“

‚Wusste ich es doch!’, dachte Betrüger-Schorschi. ‚Das Mädchen will mich zum Narren halten. Sicher ist in der Flasche nur Sirup und ein bisschen Dreck.’

„Das kannst du deinen Spielkameraden einflößen, aber nicht mir.“

Betrüger-Schorschi gab Emily die Flasche zurück.

„Ich wusste, dass du kein Mann bist“, zischte Emily böse.

Erstaunt drehte sich Betrüger-Schorschi zu dem Kind um. Geringschätzig sah sie ihn aus finsteren Augen an.

Betrüger-Schorschi schüttelte den Kopf. Was bildete sich diese Person eigentlich ein, ihm seine Männlichkeit abzusprechen? Sah sie nicht, dass er männlicher war, als diese ganzen schwächlichen Kreaturen hier zusammen?!

„Der Torwart hat übrigens keine Angst, meine Soße zu kosten“, sagte Emily. „Und Dr. Slump auch nicht!“

Betrüger-Schorschi sah Emily wütend an und riss ihr die Flasche aus der Hand. Was der Torwart und Dr. Slump konnten, konnte er schon lange! Entschlossen drehte er den Deckel auf und trank mehrere Schluck aus der Flasche.

„Halt, halt!“, rief Emily. „Ein paar Schluck sind zuviel. Normalerweise verabreiche ich höchstens zwei Löffel.“

Betrüger-Schorschi setzte die Flasche ab und sagte: „Dann hast du es wahrscheinlich bisher nur mit Memmen zu tun gehabt, he?!“

Er gab Emily die Flasche zurück und wischte sich über den Mund. Das Zeug hatte komischerweise nach Blut geschmeckt.

Emily schaute ihn interessiert an. Seine Hände zitterten ein bisschen, aber ansonsten schien er ganz in Ordnung zu sein. Nun, vielleicht dauerte es bei Leuten von drüben ein wenig länger?

„Zeit für Abendessen!“, rief der Torwart aus dem Höhleneingang. „Wer möchte alles Suppe?“

Er zeigte auf Betrüger-Schorschi und warf Emily einen fragenden Blick zu. Doch sie zuckte mit den Schultern und ging langsam in die Höhle.

Herr Rossi kam aus seiner Grotte zum Torwart gelaufen und rief freudig: „Ich möchte gerne etwas Suppe. Suppe ist zwar nicht Eiskrem, aber immerhin Etwas.“

Er setzte sich an den Tisch des Torwarts, zeigte fragend auf die Beine der Flupppuppe, die sich durch das runde Höhlenfenster streckten und fragte: „Kann sich die Dame nicht anders an den Tisch setzen?“

„Lieber eine Taube auf dem Dach als einen Spatz in der Hand“, erwiderte die Puppe.

Herr Rossi räusperte sich und hob an, etwas über Manieren am Tisch zu sagen, als plötzlich eine schreckliche Stimme von draußen brüllte:

„Lass meine Puppe, sie ist meine Suppe!“

„Zeit für seltsame Soße?“, fragte die Flupppuppe.

Emily grinste schief und sagte: „Nur ein bisschen. Außerdem ist er von drüben. Ich glaube, es hat nicht viel bewirkt.“

Betrüger-Schorschi kam in die Höhle gewankt. Sein Kopf war lila angelaufen und seine Wangen waren groß wie aufgedunsene Tennisbälle. Er lief zu Rossi und drückte ihm seinen Zeigefinger in den Bauch.

„Du roter Knirps im Schlafrock!“, schrie er. „Beleidige meine Puppe nicht! Du nicht!“

„Nichts für ungut“, stammelte Herr Rossi. „Ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten!“

„Sehr gut“, zischte Betrüger-Schorschi und kippte Hernn Rossi von seinem Stuhl. „Dann tu es aber auch nicht!“

Herr Rossi rappelte sich schnell wieder auf und versteckte sich hinter dem Stuhl des Torwarts. Betrüger-Schorschi hob Herrn Rossis Stuhl vom Boden, wirbelte ihn in der Luft und schrie zum Torwart: „Komm her, du Angeber! Ich mach dich platt! Ich hätte dich schon viel länger wie eine Made zerquetschen sollen! Bei Tante Pim hast du dich immer nach vorne gedrängelt. Und warum hast du mich damals vor allen Leuten blamiert? Der Minister hätte mich adeln sollen, nicht dich! Aber jetzt hast du lange genug im Rampenlicht gestanden! Jetzt ist es aus mit dir!“

Er schmiss den Stuhl Richtung Torwart. Der Stuhl verfehlte sein Ziel nur knapp und fiel krachend zu Boden. Betrüger-Schorschi brüllte wütend und ging stampfend auf den Torwart zu. Seine Oberarme wurden bei jedem Schritt größer, und sein Nacken war so breit wie der eines Stiers. Er senkte den Kopf, scharrte kampfeslustig mit seinem rechten Fuß auf dem Boden und holte zum Schlag aus.

„Lahme Vorstellung“, sagte Emily und schüttelte gelangweilt den Kopf.

„Flupppuppe!“, rief der Torwart. „Hilf mir!“

„Keine Angst“, sagte die Flupppuppe. „In der Not frisst der Teufel Fliegen.“

Es war ein Fehler gewesen, ihm die Soße zu geben, dachte der Torwart und duckte sich unter Betrüger-Schorschis Faust. Aber wer hätte auch ahnen können, dass die Soße bei ihm diese Wirkung zeigte?

„Gleich hab ich dich“, schrie Betrüger-Schorschi.

Er packte den Torwart am Hals und holte zum nächsten Schlag aus.

„Hilfe!“, rief der Torwart. „So helft mir doch!“

Aber die anderen sahen weiter tatenlos zu. Emily belustigt, Herr Rossi angstvoll und die Flupppuppe irgendwie desinteressiert.

Betrüger-Schorschi zog den Torwart nun zu sich heran und würgte ihn mit beiden Händen am Hals

„AAArghhh“, machte der Torwart.

Aber immer noch kam ihm niemand zu Hilfe.

Der Torwart sah schon sein letztes Stündlein geschlagen, als Betrüger-Schorschi mitten im Schlag innehielt und horchte.

War da nicht eine Musik?

Unerwartet lies er den Torwart auf den Boden fallen und tapste aus der Höhle. Ja tatsächlich. Hier konnte man die Töne viel besser hören. Langsam formten sie sich zu einer Melodie, die leise von Worten begleitet wurde. Obwohl der Text kaum hörbar war, verstand ihn Betrüger-Schorschi sofort:

Ich bin die tolle Puppe,
nur mit mir gibt’s Suppe.
Bist du mal alleine,
dann rufe meine Beine:
Meine zarten, schlanken
prallen Hinterpranken
Zick zack zong
ohne Gong!

Ich bin die tolle Puppe
Nur mit mir gibt’s Suppe.
Ich helfe immer allen,
den Menschen und den Quallen.
Doch wenn du meine Beine stichst,
dann helfe ich dir nicht.
Denn ohne Beine,
bin ich keine.

Ich bin die tolle Puppe
Nur mit mir gibt’s Suppe.
Bist du in großer Not,
ich bring’ es dir ins Lot:
Mit meinen zarten, schlanken
flugsichren Hinterpranken
Zick zack zong
ohne Gong!

Ich bin die tolle Puppe
nur mit mir gibt’s Suppe
seit heut’ ist auch mein Freund dabei
mit ihm gibt’s Ruhm und Geld wie Heu,
ich trage ihn jetzt übern Berg,
zu Abenteuern, Kind und Zwerg
auf meinen zarten, schlanken,
flugsichren Hinterpranken

Bei der letzten Strophe schlug Betrüger-Schorschi die Hände vor das Gesicht und weinte.

Bald schluchzte er so laut und hemmungslos, dass es die anderen in der Höhle gut hören konnten.

„Das blöde Echo“, sagte Emily. „Immer kommt es zur falschen Zeit. Jetzt hat es mir mein ganzes Schauspiel versaut!“

„Aber mir das Leben gerettet“, krächzte der Torwart und rieb sich den Hals. „Ich für meinen Teil werde nie wieder etwas gegen das falsche Echo sagen.“

„Warum kommt das falsche Echo nicht dann, wenn man es ruft, sondern wann es will?“, fragte Herr Rossi erstaunt.

„Es stammt aus einem schlechten Comic“, erklärte der Torwart.

„Man hätte es nie reinlassen sollen“, sagte Emily giftig. „Aber du bist immer zu gutmütig. Man sollte dich als Torwart absetzen! Ich hätte auch schon einen supertollen Anwärter für den Posten.“

„Das falsche Echo hat mir das Leben gerettet“, wiederholte der Torwart.

„Und der Typ, den du jetzt reingelassen hast, ist auch nicht besser“, sagte Emily und zeigte durchs Fenster auf Betrüger-Schorschi. Er war inzwischen eingeschlafen und schnarchte leise vor sich hin.

„Mit dem hast du doch deinen Spaß gehabt“, sagte der Torwart erschöpft.

„Eben. Gehabt“, sagte Emily. „Golem sollte Torhüter werden.“

„Der ist doch längst eingestampft worden“, sagte der Torhüter. „Außerdem weißt du ganz genau, dass ich mir den Job hier nicht selbst ausgesucht habe. Wenn es nach mir ginge, säße ich jetzt in Urban und würde mir die Füße von Nylon-Fäden kitzeln lassen!“

„Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein“, sagte die Flupppuppe kurz angebunden. Sie zog ihre Beine aus dem Fenster und flog auf und davon.

„Jetzt hast du sie vertrieben!“, klagte der Torwart. „Wer weiß, wann sie wieder kommt!“

Du hast sie vertrieben“, sagte Emily. „Mit deinem Gerede über Nylon-Fäden und kitzlige Füße.“

„Gestatten?!“, machte sich Herr Rossi bemerkbar. „Ich ziehe es vor, jetzt zu gehen. Wenn Sie mich brauchen, finden Sie mich nebenan.“

Er stand auf, lüftete seinen Hut und ging in seine Höhle.

„Ich werde mich auch schlafen legen“, sagte der Torwart zu Emily. „Und für dich wäre es eindeutig an der Zeit, nach Hause zu gehen!“

Der Torwart räumte den Tisch ab, spülte das Geschirr und legte sich auf die Holzpritsche, auf der Betrüger-Schorschi einige Stunden zuvor aufgewacht war. Nach wenigen Minuten war er eingeschlafen.

Emily ging nicht nach Hause. Sie rückte ihren Stuhl vor den Höhleneingang und schaute neben dem schlafenden Betrüger-Schorschi hinaus in die Dämmerung. Sie beobachtete den Schatten, der immer größer und größer wurde und schließlich den ganzen Berg verdunkelte.

Es war Nacht.

Emily war in ihrem Element.