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Rossipottis 11 Uhr Termin
- Liedchen (wer das
Gedicht geschrieben hat, erfahrt ihr, wenn ihr beim Quiz mitmacht)
- lasst mich mensch sein (wer
das Gedicht geschrieben hat, erfahrt ihr, wenn ihr beim Quiz mitmacht)
- Fabel von Anderland und Soistsland (wer
die Fabel geschrieben hat, erfahrt ihr, wenn ihr beim Quiz mitmacht)
- Taube hält den Feind ab (wer
die Sage geschrieben hat, erfahrt ihr, wenn ihr beim Quiz mitmacht)
- die uga-sprache (wer
das Gedicht geschrieben hat, erfahrt ihr, wenn ihr beim Quiz mitmacht)
- A.E.I.O.U. (wer das Gedicht
geschrieben hat, erfahrt ihr, wenn ihr beim Quiz mitmacht)
- Rotkäppchen (wer
das Märchen geschrieben hat, erfahrt ihr, wenn ihr beim Quiz
mitmacht)
- Eine märchenhafte Geschichte (wer
das Märchen geschrieben hat, erfahrt ihr, wenn ihr beim Quiz
mitmacht)
* * *
Quiz:
Die Zeiten ändern sich, das, was die Menschen bewegt, bleibt
oft erstaunlich gleich.
Bekommt ihr heraus, welcher der Texte heute, welcher früher
geschrieben wurde?
Die Lösung findet ihr unter dem jeweiligen Text.
* * *
Liedchen
Die Zeit vergeht,
Das Gras verwelkt,
Die Milch entsteht,
Die Kuhmagd melkt.
Die Milch verdirbt.
Die Wahrheit schweigt.
Die Kuhmagd stirbt.
Ein Geiger geigt.
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lasst mich mensch sein
lasst mich mensch sein denkt der dino
lasst mich rein ins spielkasino
sumpflandschaften tu ich hassen
ich will endlich geld verprassen
erst macht ich die nacht zum tag
säh hundertmal jurassic park
ich wär DER dinosaurier
und zwarn besonders schlaurier
nen feinen anzug möcht ich tragen
reichlich porzellan zerschlagen
alles um mich ging in scherben
ich finds besser als auszusterben
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Alt oder neu? Lösung verbergen!
Das Gedicht ist relativ alt und von
Joachim Ringelnatz (1883-1934)
geschrieben.
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Alt oder neu? Lösung verbergen!
Das Gedicht ist neu und von
arne rautenberg (*1967) geschrieben.
Arne Rautenberg hat Rossipotti
dieses Gedicht netterweise zur Verfügung gestellt.
Wir freuen uns sehr! Vielen Dank!
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Fabel von Anderland und Soistsland
Vor vielen Jahren wählten sich die Tiere von Anderland eine
Antilope zum König. Sie wollten nicht immer wieder einen Löwen
zu ihrem Herrscher haben, denn sie sagten sich, wir werden es einmal
mit einem versuchen, der die Schönheit mehr liebt als die Rauferei
und anmutige Manieren höher schätzt als protziges Gehabe.
Der neue König gefiel den meisten Untertanen sehr gut, denn
er zog Frieden dem Krieg, Rechtschaffenheit der Durchtriebenheit
vor, und all seinen Reichtum steckte er lieber in aufwendige Feste
und Lustbarkeiten, statt ihn für Waffen und Kriegshändel
auszugeben. Die schönen Künste blühten im Land, sogar
die rauhbeinigen Tiger, die gefräßigen Löwen, die
Haifische, die Füchse waren's zufrieden, solange ihnen niemand
verwehrte, so zu leben wie es ihnen gemäß war.
Illustration: Annette Kautt
Nun gab es in der Nachbarschaft von Anderland das Königreich
Soistsland, regiert von einem Bären. Auch die Soistsländer
waren auf den Trichter gekommen, sich nicht immer von einem Löwen
regieren zu lassen. Und wenn ihr König nur halb so vernünftig
gewesen wäre wie der von Anderland, dann hätten die beiden
Reiche friedlich nebeneinander leben können. Aber ihr König
Braunbär hatte sich in den Kopf gesetzt, sein Nachbarkönig
müsste seine schöne Tochter heiraten. Es stimmte, sie
war sehr schön, aber sie hatte nicht vor, nach Anderland zu
ziehen, denn sie war in einen Tanzbär verliebt, den sie im
Zirkus gesehen hatte.
Illustration: Annette Kautt
Das hatte eine Taube ausgekundschaftet, die der Hofnarr, ein fröhliches
Zebra, am anderlandischen Hof eigens für verschwiegene Erkundungen
hielt. Sie war sehr unscheinbar, aber sehr klug, konnte lesen und
viele Dialekte verstehn, sogar Gedanken erraten und in Herzen schauen.
So hatte sie erfahren, dass die Königstochter betrübt
war, einen Mann heiraten zu sollen, den sie nicht liebte. Und, was
nicht weniger schlimm war, die Hochzeit, die ihr Vater einfädeln
wollte, war ihm nur wichtig für sein politisches Ränkespiel.
Er wollte seine Macht auf Anderland ausweiten. Das alles erzählte
die Taube dem Raben, der der Ratgeber des Hofnarren war.
Hitzköpfig, wie er war, hielt der König von Soistsland
es eines Tags nicht mehr aus, in eigner Person wollte er seinem
Nachbarn deutlich machen, wie nützlich die Verbindung beider
Reiche sei. Es könne nicht angehn, wollte er ihm freiweg ins
Gesicht sagen, seine Tochter als Gemahlin auszuschlagen. Er fühle
sich beleidigt und herausgefordert. Drum hätte er seine Soldaten
dabei, wenn man so wolle, ein kleines Heer. Er könne die Schmach
der Abweisung nicht länger ertragen, also wolle er seinem Anerbieten
Nachdruck verleihen. So sagte er, ohne sich lange mit Begrüßungsritualen
aufzuhalten. Der Hofnarr, neben seinem König sitzend, kannte
nun dank des Berichts des Raben alle finsteren Pläne des Königs
von Soistsland. Zum Glück verstand er den Dialekt, den man
seinerzeit in Soistsland sprach. Und da er ein gewitzter und weiser
Hofnarr war, wollte er diese grobe Eröffnung seinem Herrscher
ersparen. So übersetzte er: "Sei gegrüßt von
mir und meinem Volk, König von Anderland." Der war froh
das zu hören, aber dachte bei sich: Obwohl das Betragen meines
Gastes sehr unhöflich ist, will doch ich ihm meine Ehrerbierung
zeigen. Er machte eine unmißverständliche Bewegung mit
dem Oberkörper. Das gab's nichts zu übersetzen, jedermann
konnte es sehn. Der König von Anderland begrüßte
höflich seinen Rivalen.
Illustration: Annette Kautt
Der war verdutzt und erbost und sagte, ein ganzes Heer wartet hinter
dem Berg, wenn du mich verspottest, werde ich dich überfallen
und derlei Ungezogenheiten. Das Zebra dolmetschte: "Ich habe
viele Karren beladen mit Geschenken. Verzeih, wenn ich mich nicht
verbeugte. In der Aufregung vergaß ich ganz das gebotene Zeremoniell."
Der Gastgeber machte eine freundliche Geste mit dem Arm, beinahe
so, wie wenn er seinen Besucher umarmen wollte. Der Hofnarr übersetzte
ziemlich genau die Worte der Antilope: "Das versteh ich sehr
gut. Du bist noch hitzigen Gemüts. Das schreckt mich nicht."
Das war für den Braunbären zu viel. Er fühlte sich
gefoppt und bloßgestellt. Er machte einen ungestümen
Griff zur Brust. Dort hatte er einen Dolch verborgen, womit er seinen
Gegner töten wollte. Man hätte es aber auch so deuten
können: Da greift sich einer ans Herz, weil er hilflos ist
und überwältigt in seiner Verwirrung.
Die gutmütige Antilope wollte nicht nachstehn, und im nu,
so schnell, dass niemand der Umstehenden es recht begriff, umarmte
sie den Bären. Und dieser Augenblick war sein Tod. Die machtvolle
Umarmung ließ das Herz des bösen Braunbären stillstehn.
Er bekam ein ehrenvolles Geleit bis zu seinen Soldaten. Als sie
ihren Herrn tot auf einer Bahre liegen sahn, überkam sie Angst
und Schrecken. Führerlos, kopflos stob das Heer auseinander.
Wie ist das möglich? fragte der König seinen Hofnarren.
Es ist möglich, antwortete der, sie führten nichts Gutes
im Schilde. Und er erzählte seinem König den wahren Hintergrund.
Der zog seinen Hofnarren, der auch sein Vertrauter und Dolmetsch
war, liebevoll am Ohr und sagte:
"Ich hab's geahnt, alles. Hätte ich sonst so schnell sein
können?"
Die sprachgewandte Taube und der kluge Rabe durften noch am gleichen
Abend links und rechts vom Zebra sitzen an der königlichen
Tafel.
Die älteste Tochter des Braunbären wurde die neue Königin
von Soistsland, und da sie verständig war, machte sie ihrer
jüngeren Schwester keinerlei Vorschriften.
Alt oder neu? Lösung verbergen!
Die Fabel ist relativ neu und von Rolf Hannes
(*1936) geschrieben.
Rolf Hannes hat Rossipotti
diese Fabel netterweise zur Verfügung gestellt. Wir freuen
uns sehr! Vielen Dank!
* * *
Taube hält den Feind ab
Illustration: Annette Kautt Im
Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt Höxter oder
Huxar im Korveischen von den kaiserlichen Soldaten eingeschlossen
und konnte nicht eingenommen werden; endlich kam der Befehl, sie
sollte mit schwerem Geschütz geängstigt und gezwungen
werden.
Wie nun bei einbrechender Nacht der Fähndrich die erste Kanone
losbrennen wollte, flog eine Taube und pickte ihm auf die Hand,
so dass er das Zündloch verfehlte. Da sprach er: "Es ist
Gottes Willen, dass ich nicht schießen soll" und ließ
ab. In der Nacht kamen die Schweden, und die Kaiserlichen mussten
abziehen; so war die Stadt diesmal gerettet.
Alt oder neu? Lösung verbergen!
Die Sage ist alt und wurde von Jacob Grimm
(1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) aufgeschrieben.
* * *
die uga-sprache
uga heißt ich liebe dich
uga uga heißt verlass mich nicht
uga uga uga heißt vielleicht ja vielleicht nein
uga uga uga uga heißt du bist gemein
uga uga uga uga uga heißt ich kann nicht mehr
uga uga uga uga uga uga heißt nimms nicht so schwer
uga uga uga uga uga uga uga heißt du hast gut lachen
uga uga uga uga uga uga uga uga heißt nun lass es krachen
uga uga uga uga uga uga uga uga uga heißt wo ein ross da ein
reiter
uga uga uga uga uga uga uga uga uga uga heißt das gute leben
geht jetzt weiter
Alt oder neu? Lösung verbergen!
Das Gedicht ist neu und von arne rautenberg
(*1967) geschrieben.
Arne Rautenberg hat Rossipotti
dieses Gedicht netterweise zur Verfügung gestellt. Wir
freuen uns sehr! Vielen Dank!
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A.E.I.O.U.
A. ist derer, die nicht wollen.
E. ist derer, die nicht sollen.
I. ist derer, die da zagen.
O. ist derer, die da klagen.
U. ist derer, die da plagen.
Alt oder neu? Lösung verbergen!
Das Gedicht ist sehr alt und von Friedrich
Logau (1604-1655) geschrieben.
* * *
Rotkäppchen
Illustration: Ludwig Richter
Es war einmal eine kleine süße Dirne, die hatte jedermann
lieb, der sie nur ansah, am allerliebsten aber ihre Großmutter,
die wusste gar nicht, was sie alles dem Kinde geben sollte. Einmal
schenkte sie ihm ein Käppchen von rotem Sammet, und weil ihm
das so wohl stand und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß
es nur das Rotkäppchen. Eines Tages sprach seine Mutter zu
ihm: "Komm, Rotkäppchen, da hast du ein Stück Kuchen
und eine Flasche Wein, bring das der Großmutter hinaus; sie
ist krank und schwach und wird sich daran laben. Mach dich auf,
bevor es heiß wird, und wenn du hinauskommst, so geh hübsch
sittsam und lauf nicht vom Weg ab, sonst fällst du und zerbrichst
das Glas, und die Großmutter hat nichts. Und wenn du in ihre
Stube kommst, so vergiß nicht, guten Morgen zu sagen, und
guck nicht erst in alle Ecken herum."
"Ich will schon alles gut machen", sagte Rotkäppchen
zur Mutter und gab ihr die Hand darauf. Die Großmutter aber
wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun
Rotkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf. Rotkäppchen
aber wusste nicht, was das für ein böses Tier war, und
fürchtete sich nicht vor ihm. "Guten Tag, Rotkäppchen",
sprach er. "Schönen Dank, Wolf." "Wo hinaus
so früh, Rotkäppchen?" "Zur Großmutter."
"Was trägst du unter der Schürze?" "Kuchen
und Wein: gestern haben wir gebacken, da soll sich die kranke und
schwache Großmutter etwas zugut tun und sich damit stärken."
"Rotkäppchen, wo wohnt deine Großmutter?" "Noch
eine gute Viertelstunde weiter im Wald, unter den drei großen
Eichbäumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nusshecken, das
wirst du ja wissen", sagte Rotkäppchen. Der Wolf dachte
bei sich: 'Das junge zarte Ding, das ist ein fetter Bissen, der
wird noch besser schmecken als die Alte: du musst es listig anfangen,
damit du beide erschnappst.' Da ging er ein Weilchen neben Rotkäppchen
her, dann sprach er: "Rotkäppchen, sieh einmal die schönen
Blumen, die ringsumher stehen, warum guckst du dich nicht um? Ich
glaube, du hörst gar nicht, wie die Vöglein so lieblich
singen? Du gehst ja für dich hin, als wenn du zur Schule gingst,
und ist so lustig haußen in dem Wald."
Rotkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die
Sonnenstrahlen durch die Bäume hin und her tanzten und alles
voll schöner Blumen stand, dachte es: "Wenn ich der Großmutter
einen frischen Strauß mitbringe, der wird ihr auch Freude
machen; es ist so früh am Tag, dass ich doch zu rechter Zeit
ankomme", lief vom Wege ab in den Wald hinein und suchte Blumen.
Und wenn es eine gebrochen hatte, meinte es, weiter hinaus stände
eine schönere, und lief darnach, und geriet immer tiefer in
den Wald hinein. Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem Haus der
Großmutter und klopfte an die Türe. "Wer ist draußen?"
"Rotkäppchen, das bringt Kuchen und Wein, mach auf."
"Drück nur auf die Klinke", rief die Großmutter,
"ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen."
Der Wolf drückte auf die Klinke, die Türe sprang auf,
und er ging, ohne ein Wort zu sprechen, gerade zum Bett der Großmutter
und verschluckte sie. Dann tat er ihre Kleider an, setzte ihre Haube
auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhänge vor.
Illustration: Ludwig Richter
Rotkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als
es so viel zusammen hatte, dass es keine mehr tragen konnte, fiel
ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den
Weg zu ihr. Es wunderte sich, dass die Türe aufstand, und wie
es in die Stube trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, dass es
dachte: "Ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mir's heute
zumut, und bin sonst so gerne bei der Großmutter!" Es
rief "Guten Morgen", bekam aber keine Antwort. Darauf
ging es zum Bett und zog die Vorhänge zurück: da lag die
Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und
sah so wunderlich aus. "Ei, Großmutter, was hast du für
große Ohren!" "Dass ich dich besser hören kann."
"Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!"
"Dass ich dich besser sehen kann." "Ei, Großmutter,
was hast du für große Hände?" "Dass ich
dich besser packen kann." "Aber, Großmutter, was
hast du für ein entsetzlich großes Maul!" "Dass
ich dich besser fressen kann." Kaum hatte der Wolf das gesagt,
so tat er einen Satz aus dem Bette und verschlang das arme Rotkäppchen.
Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder
ins Bett, schlief ein und fing an, überlaut zu schnarchen.
Der Jäger ging eben an dem Haus vorbei und dachte: 'Wie die
alte Frau schnarcht, du musst doch sehen, ob ihr etwas fehlt.' Da
trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so sah er, dass
der Wolf darin lag. "Finde ich dich hier, du alter Sünder",
sagte er, "ich habe dich lange gesucht." Nun wollte er
seine Büchse anlegen, da fiel ihm ein, der Wolf könnte
die Großmutter gefressen haben und sie wäre noch zu retten:
schoss nicht, sondern nahm eine Schere und fing an, dem schlafenden
Wolf den Bauch aufzuschneiden. Wie er ein paar Schnitte getan hatte,
da sah er das rote Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte,
da sprang das Mädchen heraus und rief: "Ach, wie war ich
erschrocken, wie war's so dunkel in dem Wolf seinem Leib!"
Und dann kam die alte Großmutter auch noch lebendig heraus
und konnte kaum atmen. Rotkäppchen aber holte geschwind große
Steine, damit füllten sie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte,
wollte er fortspringen, aber die Steine waren so schwer, dass er
gleich niedersank und sich totfiel.
Da waren alle drei vergnügt; der Jäger zog dem Wolf den
Pelz ab und ging damit heim, die Großmutter aß den Kuchen
und trank den Wein, den Rotkäppchen gebracht hatte, und erholte
sich wieder, Rotkäppchen aber dachte: "Du willst dein
Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen, wenn
dir's die Mutter verboten hat."
Es wird auch erzählt, dass einmal, als Rotkäppchen der
alten Großmutter wieder Gebackenes brachte, ein anderer Wolf
ihm zugesprochen und es vom Wege habe ableiten wollen. Rotkäppchen
aber hütete sich und ging gerade fort seines Wegs und sagte
der Großmutter, dass es dem Wolf begegnet wäre, der ihm
guten Tag gewünscht, aber so bös aus den Augen geguckt
hätte: "Wenn's nicht auf offner Straße gewesen wäre,
er hätte mich gefressen." "Komm", sagte die
Großmutter, "wir wollen die Türe verschließen,
dass er nicht herein kann." Bald darnach klopfte der Wolf an
und rief: "Mach auf, Großmutter, ich bin das Rotkäppchen,
ich bring dir Gebackenes." Sie schwiegen aber still und machten
die Türe nicht auf: da schlich der Graukopf etliche Mal um
das Haus, sprang endlich aufs Dach und wollte warten, bis Rotkäppchen
abends nach Haus ginge, dann wollte er ihm nachschleichen und wollt's
in der Dunkelheit fressen. Aber die Großmutter merkte, was
er im Sinn hatte. Nun stand vor dem Haus ein großer Steintrog,
da sprach sie zu dem Kind: "Nimm den Eimer, Rotkäppchen,
gestern hab ich Würste gekocht, da trag das Wasser, worin sie
gekocht sind, in den Trog." Rotkäppchen trug so lange,
bis der große, große Trog ganz voll war. Da stieg der
Geruch von den Würsten dem Wolf in die Nase, er schnupperte
und guckte hinab, endlich machte er den Hals so lang, dass er sich
nicht mehr halten konnte und anfing zu rutschen: so ruschte er vom
Dach herab, gerade in den großen Trog hinein, und ertrank.
Rotkäppchen aber ging fröhlich nach Haus, und tat ihm
niemand etwas zuleid.
Alt oder neu? Lösung verbergen!
Das Märchen ist alt und wurde von Jacob
Grimm (1785-1863) und Wilhelm Grimm (1786-1859) aufgeschrieben.
* * *
Eine märchenhafte Geschichte
Es war einmal vor langer Zeit. Nämlich gestern Mittag. Da
schickte mich meine Mama mit einer goldenen Kugel und einem Knüppel
im Sack zur Großmutter.
"Bleib aber schön auf dem Bürgersteig. Du weißt,
der Wolf überfährt nicht nur sieben Geißlein."
Illustration: Ludwig Richter
Ich machte mich auf den Weg und nachdem ich sieben Gänseblümchen
auf einen Streich gepflückt hatte, machte sich auf einmal ein
kleiner Rauhaardackel an mich ran. Als er mich nach der Adresse
meiner Großmutter fragte, antwortete ich ihm: "Bei den
Zwergen hinter den sieben Bergen."
Das war natürlich eine List von mir, denn meine Großmutter
wohnt schon hinter dem dritten Berg. Aber ich hatte den Rauhaardackel
unterschätzt. Als ich ankam, hatte er bereits das halbe Lebkuchenhaus
meiner Großmutter aufgefressen. Da diese nicht zu sehen war,
dachte ich, der Dackel hätte sie auch gefressen. Das war aber
ein Irrtum. Denn meine Großmutter war, wie ich später
erfuhr, mit einem gewissen Hans im Glück durchgebrannt - einer
zweifelhaften Figur, die ihr das Goldene vom Himmel versprochen
hatte und in Hameln mit ihr Ratten fangen wollte.
Da der Dackel in dem halbaufgefressenen Lebkuchenhaus auf einmal
so riesige Ohren und ein noch riesigeres Maul bekam, versteckte
ich mich sicherheitshalber im Uhrenkasten. Von diesem Trick hatte
ich irgendwo mal gehört.
Bei mir half dieser Trick allerdings nicht. Der Dackel fand mich
auf Anhieb und fraß mich auf.
Ich wartete eine Weile, aber es kam kein Jäger vorbei, um dem
Dackel den Bauch aufzuschneiden. Jäger gibt es anscheinend
nur in Märchen. Zum Glück hatte ich eine Schere dabei.
In solchen Situationen habe ich grundsätzlich eine Schere dabei.
Das tapfere Schneiderlein half mir hinterher, den Dackel wieder
zuzunähen. Aber das hätten wir uns sparen können,
denn als der Dackel aufwachte, hat er sich vor Wut sofort in zwei
Stücke zerrissen. Spät in der Nacht wurden die beiden
Dackelhälften noch einmal gesehen, wie sie wild um ein Lagerfeuer
tanzten.
Auf dem Heimweg legte ich mich in eine Rosenhecke, schloss die Augen
und wartete auf den Prinzen. Der hat sich allerdings ziemlich verspätet.
Ich wollte ihm schon eine Szene machen. Aber dann habe ich mich
doch von ihm küssen lassen. Wir wurden beide glücklich.
Er nahm einen meiner kleinen goldenen Schuhe und ich sein Pferd.
Damit ritt ich in irgendein Schloss, wo ich die Kissen aufschüttelte,
Frau Holle heiratete und schließlich erschöpft auf sieben
Matratzen einschlief.
Und wenn ich dann gestorben bin, so war das nur ein Märchen.
Alt oder neu? Lösung verbergen!
Das Märchen ist neu und von Peter Friedrich
(*1965) geschrieben.
Peter Friedrich hat Rossipotti
dieses Märchen netterweise zur Verfügung gestellt.
Wir freuen uns sehr! Vielen Dank!
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