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Salon Albert

Hallo Kinder,

toll, dass ihr euch nicht von den Verbots-Schildern "Vorsicht Fantasy!", "Achtung Budenzauber!" "Gewalttätiger Kitsch!" oder "Flucht-Gefahr!" habt zurück schrecken lassen!
Offensichtlich seid ihr mutig und unerschrocken genug, um euch auf das Abenteuer Fantasy einzulassen.
Das ist auch nötig, denn die beiden Helden, die ich euch heute vorstellen möchte, sind mit allen Wassern gewaschen und schrecken nicht einmal davor zurück, mit dem Tod persönlich zu ringen!
Die Rede ist von Fafhrd und dem Grauen Mausling, deren Abenteuer von Fritz Leiber unter anderem in dem Band Der unheilige Gral beschrieben werden.

"Gral hört sich nach Tugend und Sinnsuche an", ruft ein Junge aus der ersten Reihe dazwischen. "Wir wollen lieber Fantasy mit klingenden Schwertern und dunkler Magie!"

"Immerin ist der Gral unheilig!" bemerkt ein Mädchen eine Reihe hinter ihm und schaltet ihren MP3-Player aus. "Das kann spannend werden."

"Ich will auf keinen Fall etwas über graue Mäuse hören", sagt ein Mädchen mit mehreren Nasen-Piercings, "ich interessiere mich für coole Typen, die gegen üble Zauberer und Herrscher kämpfen!"

"Prima", schaltet sich wieder die Qualle Albert ein. "Dann seid ihr bei Fritz Leibers Fafhrd und dem Grauen Mausling genau richtig. Denn der Graue Mausling ist alles andere als eine Maus und er und sein Freund Fafhrd sicher keine tugendhafte Helden. Zusammen stehlen sie anderen die Häuser unterm Sitz weg, trinken, bis sich die Balken biegen, liefern sich mit allen möglichen Menschen und magischen Wesen tödliche Schwertkämpfe und legen sich mit grausamen Zauberern an."

"Wer ist eigentlich Fritz Leiber?" fragt ein Junge mit Drachenkopf-T-Shirt.

"Lie-ber", wiederholt Albert. "Man spricht Leiber wie Lie-ber aus."

"Leiber oder Lieber", sagt der Junge mit Drachenkopf ungeduldig. "Das ist doch ganz egal. Wer ist das denn jetzt?"

"Leiber gilt als einer der großen Fantasy-Autoren", erklärt Albert. "Manche bezeichnen ihn sogar als den Größten des Genres überhaupt und sehen in ihm das Vorbild für Fantasy."

"Und warum kenne ich ihn dann nicht?" fragt der Junge mit Drachkopf-T-Shirt.

"Es gab auch schon vor deiner Zeit Fantasy", meint ein Junge, der neben ihm sitzt.

Der Drachenkopf-Junge wird rot, sagt aber nichts.

"Fritz Leiber ist tatsächlich schon 1992 gestorben", sagt Albert. "Und er hat seine ersten Geschichten bereits in den 1930er Jahren in verschiedenen Magazinen veröffentlicht. Übrigens nicht nur Fantasy-, sondern auch Science Fiction- und Horrorgeschichten.
Die ersten Geschichten von Fafhrd und dem Grauen Mausling sind auch in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts entstanden. Trotzdem wirken die Helden heute noch erstaunlich frisch und moderner als manch andere aktuelle Fantasy-Held."

"Warum denn?" fragt das gepiercte Mädchen.

"Weil Fafhrd und der Graue Mausling um ihre eigene Relativität oder ihre Schwächen wissen", sagt Albert, "und weil das keinerlei Problem für sie ist. Sie müssen keine Übermenschen sein, um Helden zu sein. Sie sind Helden, weil sie sich selbst sind."
Albert und schlägt den ersten Band Der unheilige Gral der Abenteuer von Fafhrd und dem Grauen Mausling auf, findet eine Stelle fast am Ende des Buchs und liest den Beginn des Kapitels Der Preis des Vergessens daraus vor:

Der große Barbar Fafhrd, Ausgestoßener der Eiswüste der Welt Nehwon und ewiger Fremder in Lankhmar Land und Stadt, Nehwons bedeutendster Region, und der kleine, aber tödliche Schwertkämpfer, der Graue Mausling, selbst im gleichgültigen, unbürokratischen Nehwon ein Staatenloser, ein Mann ohne Heimatland (von dem er wüsste), waren seit dem Augenblick, als sie einander in Lankhmar Stadt, nahe der Kreuzung Goldstraße und Monetenmeile, begegnet waren, dicke Freunde und Kameraden. Aber sie hatten nie ein gemeinsames Zuhause. Erstens war ganz offensichtlich, dass sie, abgesehen von ihrer Freundschaft, von Natur aus Einzelgänger waren; und die sind fast immer ohne festen Wohnsitz. Zweitens waren sie fast ständig auf Abenteuersuche, auf der Walz oder auf Forschungsreisen, oder sie flohen vor den tödlichen Konsequenzen früherer Untaten und Fehleinschätzungen. Drittens wurden beider erste und einzige wahre Liebe - Fafhrds Vlana und des Mauslings Ivrian - gleich in der ersten Nacht, als die beiden jungen Männer sich kennenlernten, schändlich ermordet (und blutig, wenn auch trostlos gerächt), und ein Zuhause ohne geliebte Frau ist ein kalter Ort. Viertens stahlen sie gewohnheitsmäßig ihre gesamte Habe, sogar ihre Schwerter und Dolche, die sie stets Graustich und Herzstecher und Skalpell und Katzenklaue nannten, ganz gleich, wie oft sie sie verloren und Ersatz stibitzen mussten - und ein Zuhause ist bemerkenswert schwer zu stehlen. Selbstredend zählen hier nicht Zelte, Gasthäuser, Höhlen, Paläste, in denen man angestellt oder Gast einer Prinzesssin oder Königin ist, oder gar Hütten, die man eine Weile mietet, wie es der Mausling und Fafhrd später und vorübergehend in einer Gasse unweit des Platzes der dunklen Freuden taten.
Doch nach ihren ersten Fahrten und Reisen durch Nehwon, nach ihren zweiten, meist unbeweibten Abenteuern in und um Lankhmare - denn die Erinnerung an Ivrian und Vlana quälte sie über Jahre -, nach ihrer verzauberten Fahrt über das Äußere Meer und zurück, nach der Begegnung mit den sieben schwarzen Priestern rund mit Atya und Tyaa und ihrer zweiten Rückkehr nach Lankhmar, teilten sie sich einige Monde lang doch Haus und Herd, wiewohl es recht klein und, natürlich, gestohlen war, die beiden Frauen darin nur Gespenster, und seine Lage - der morbiden Stimmung wegen, die ihnen gemeinsam war - höchst fragwürdig und dröge ...
"

"Bei den beiden scheint ja mächtig was los zu sein", unterbricht der Junge aus der ersten Reihe Albert. "Aber leider kann man sich überhaupt nicht in die Handlung reinversetzen."

"Stimmt, das hört sich eher nach einer Nacherzählung an", meint das Mädchen mit dem MP3 Player.

"Das ist es eigentlich auch", sagt Albert. "Denn Leiber hat das Kapitel Der Preis des Vergessens erst 1986 geschrieben, also viele Jahre später als die Geschichten davor. Wahrscheinlich hat er deshalb nochmals aufgezählt, was bisher geschehen war, um besser an das Geschehene anknüpfen zu können. Aus dem gleichen Grund habe ich euch übrigens die Stelle vorgelesen. Nach dieser Einleitung kann ich euch jetzt gerne eine spannendere Stelle vorlesen."

"Zuerst möchte ich wissen, was eigentlich Nehwon und Lankmahr ist?" fragt der Drachenkopf-Junge.

"Das ist die phantastische Landschaft, in der sich die beiden Helden bewegen", erklärt Albert. "Nehwon ist das Land, in dem beide geboren wurden. Fafhrd in der Eiswüste als Sohn einer Schneefrau, der Graue Mausling im Irgendwo Nehwons, erzogen von einem guten Zauberer. Lankmahr ist die Hauptstadt Nehwons und dessen 'zivilisiertes' Herz. Zivilisiert heißt in Lankmahr allerdings nicht gesellschaftlich verfeinert, sondern vor allem rätselhaft und vielschichtig. Die Stadt liegt ständig im Dunst und in ihr scheint es nie richtig hell zu sein. Diebe haben in Lankmahr das Sagen, Zauberer treiben ihr Unwesen, arme Geschöpfe drücken sich in engen, modrigen Gassen herum und verschwinden in dunklen Spelunken. Daneben existieren in Lankmahr allerdings auch unzählige Religionen und können sogar Außerirdische einen Laden mit Müll aus dem Weltall eröffnen."

"Hört sich irgendwie durchgeknallt an", sagt das Mädchen mit MP3-Player.

"Gar nicht nach Fantasy", sagt der Drachenkopf-Junge. "Seit wann gibt es Außerirdische in Fantasy?!"

"So lange es trotzdem reinpasst", findet der Nachbar des Drachenkopf-Jungen. "In den Geschichten gibt es sicher vieles zu entdecken?"

"Allerdings", sagt Albert und blubbert ein paar Luftblasen ins Glas. "Jedes Kapitel eröffnet neue Phantastereien, neue Spielarten und Figuren. Obwohl die Welt Nehwon geographisch durch Meer und Schneewüste klar begrenzt ist, scheinen die Entdeckungen, die man dort machen kann, unbegrenzt zu sein."

"Und was machen Fafhrd und der Graue Mausling in Wirklichkeit in dem Roman?" fragt das gepiercte Mädchen. "Haben die keine höhere Mission?"

"Zack, zack, zack!" sagt der Junge aus der ersten Reihe und macht dazu schnelle Bewegungen mit dem Arm. "Fafhrd und der Graue Mausling räumen endlich mal in Lankmahr und Nehwon auf. Zack: Schluss mit den durchtriebenen Halunken. Zack: Schluss mit den vielen Göttern. Zack: Schluss mit den Außerirdischen."

"Haarscharf daneben", sagt Albert, "Fafhard und der Graue Mausling kämpfen zwar tatsächlich mit Dieben, Zauberern und Außerirdischen. Aber nicht, um aufzuräumen. Dafür lieben sie die Stadt und ihr Land, genau so wie beides ist, viel zu sehr. Fafhrd und der Graue Mausling kämpfen lieber, um ihre eigene Haut zu retten, an Geld und Edelsteine zu kommen oder einen Auftrag ihrer beiden Zauberer Schilba und Ningaubel Siebenaug auszuführen. "

"Woher kommen denn plötzlich die beiden Zauberer?" fragt das Mädchen mit dem MP3-Player. "Ich hätte gedacht, dass sie frei und unabhängig sind. Und jetzt stehen sie plötzlich im Dienst von Zauberern."

"Tatsächlich dürfen die beiden jahrzehnte lang unabhängig durch die Gegend streifen", sagt Albert. "Aber in der späten Fortsetzung Der Preis des Vergessens befreien die Zauberer die beiden endlich von den Gespenstern ihrer Geliebten. Als Gegenleistung müssen sie dann verschiedene Dinge für die Zauberer erledigen. Zum Beispiel neun weiße Katzen ohne auch nur ein einziges schwarzes Haar am Leib auftreiben, fünf Exemplare ein und desselben Buchs magischer Runen aus den weit verstreuten Bibliotheken von fünf Zauberern stehlen oder Proben des Kots von vier lebenden oder toten Königen beschaffen oder eben auch Außerirdische vertreiben."

"Das soll wahrscheinlich alles komisch und witzig sein?!" fragt das gepiercte Mädchen. "Dabei macht sich Leiber mit den Witzen eigentlich viel mehr über Fantasy lustig!"

"Wohl kaum!" sagt Albert. "Leiber nimmt Fantasy und seine Helden viel zu ernst. Er hat einfach so viele tolle, erstaunliche, skurrile Einfälle, dass er sich selbst in Nebensätzen nicht zurück halten kann."

"Und was passiert in den Hauptsätzen?!" fragt der Junge aus der ersten Reihe. "Passiert in dem Buch denn auch mal was Richtiges? Etwas Großes, für das es sich zu kämpfen lohnt?! Zack, zack, zack!"

"Hm", macht Albert und sagt dann: "Am besten lese ich euch einen Abschnitt aus dem Kapitel Die unwirtliche Küste vor. Zu dieser Küste, die am Ende von Nehwon liegt, sind Fafhrd und der Graue Mausling wochenlang gesegelt, weil sie den verhängnisvollen Worten eines kleinen, blassen Mannes mit einer gewölbten Stirn und tief liegenden Augen gefolgt sind. Als sie an der Küste ankommen, erwartet sie ein schrecklicher Kampf:

"[...] Unter dem zunehmend dunkleren bleigrauen Himmel sah er, wie zweifacher Tod für sich und seinen Gefährten ausgebrütet wurde.
Den ersten Hinweis auf ihre Beschaffenheit lieferte eine lange, schwertähnliche Klaue, die sich durch einen Riss [des Eis] bohrte und ihn weiter verbreiterte. Bruchstücke der Schalen fielen schneller herab.
Die beiden Kreaturen, die im zunehmenden Dunkel zum Vorschein kamen, waren selbst für den benommenen Geist des Mauslings riesig. Schlurfende Wesen, aufrecht wie Menschen, aber größer, mit Reptilienköpfen, knochig und gekrönt wie Helme, Klauenfüßen wie Echsen, Schultern mit Dornenstacheln und Vordergliedmaßen, die beide in einer zwei Ellen langen Klaue endeten. Im Haldbunkel sahen sie wie garstige Zerrbilder kämpfender Männer aus. Die Dämmerung verbarg nicht das Gelb ihrer blinzelnden Augen.
Dann rief die Stimme erneut: "Für Krieger das Verhängnis eines Kriegers."
Bei diesen Worten fielen die Fesseln der Lähmung vom Mausling ab. Einen Augenblick dachte er, er würde aus einem Traum erwachen. Doch dann sah er die gerade geschlüpften Kreaturen auf sich zurasen und schrille, begierige Schreie mit den langen Schnauzen ausstoßen. Neben sich hörte er ein kurzes, knirschendes Geräusch, als Fafhrd das Schwert aus der Scheide zog. Dann zog der Mausling seine eigene Klinge, einen Augenblick später prallte sie auf eine stahlharte Klaue, die nach seinem Hals griff. Gleichzeitig parierte Fafhrd einen ähnlichen Schlag des anderen Ungeheuers.
Was nun folgte, war ein Alptraum. Klauen, die Schwerter waren, hieben und stachen. Nicht so schnell, dass sie nicht pariert werden konnten, obwohl vier gegen zwei kämpften. Gegenangriffe prallten an undurchdringlichen Knochenpanzern ab. Beide Kreaturen wirbelten plötzlich herum und schlugen nach dem Mausling. Fafhrd ging von der Seite dazwischen und rette ihn. Langsam wurden die beiden Gefährten zum Rand der Klippen zurück getrieben. Die Ungeheuer schienen unermüdlich zu sein, mehr Geschöpfe aus Knochen und Metall denn aus Fleisch und Blut. Der Mausling sah das Ende kommen. Er und Fafhrd mochten sie noch eine Weile abwehren, doch schließlich würde Erschöfung die Oberhand gewinnen; ihre Paraden würden langsamer, schwächer werden; die Ungeheuer würden obsiegen.
Wie als Vorahnung davon spürte der Mausling eine Klaue sein Handgelenk ritzen. Da erinnerte er sich der dunklen, tiefliegenden Augen, die sie über das Äußere Meer geführt, der Stimme, die das Verhängnis über sie gebracht hatte. Eine seltsame, irre Wut packte ihn - nicht auf die Ungeheuer, sondern auf ihren Herrn und Meister. Er schien die schwarzen, toten Augen aus dem schwarzen Sand starren zu sehen. Dann verlor er die Kontrolle über sein Tun. Als die beiden Ungeheuer als nächstes einen Doppelangriff auf Fafhrd versuchten, kam er ihm nicht zu Hilfe, sondern huschte vorbei in die Mulde, zu den halb vergrabenen Eiern.
Allein gegen die Ungeheuer kämpfte Fafhrd selbst wie ein Wahnsinniger, sein großes Schwert pfiff, als er die letzten Energiereserven seiner Muskeln verbrauchte. Er merkte kaum, als sich eine der Bestien abwandte und seinen Begleiter verfolgte.
Der Mausling stand zwischen den Eiern und betrachtete eines, das kleiner und glänzender war, als die anderen. Aufgebracht schlug er mit dem Schwert darauf ein. Der Schlag machte seine Hand taub, aber das Ei barst.
Dann kannte der Mausling den Quell des Bösen der unwirtlichen Küste, das hier lag, seinen Geist wandern ließ und Menschen ins Vererben lockte. Hinter sich hörte er die schlurfenden Schritte und das gierige Kreischen des Ungeheuers, das zu seiner Vernichtung erkoren worden war. Aber er drehte sich nicht um. Statt dessen hob er das Schwert und schlug pfeifend nach der halb embryonalen Kreatur, die sich heimlich an den Geschöpfen weidete, die sie in den Tod gerufen hatte, nach der gewölbten Stirn des kleinen blassen Mannes mit den dünnen Lippen.
Dann wartete er auf den tödlichen Hieb der Klauen. Doch er blieb aus. Als er sich umdrehte, sah er das Ungeheuer auf dem schwarzen Sand liegen. Um ihn herum zerfielen die schwarzen Eier zu Staub. Als Silhouette vor dem nicht ganz so dunklen Himmel sah er Fafhrd auf sich zustolpern und mit seiner tiefen, kehligen Stimme Worte der Erleichterung und des Staunens murmeln. Der Tod war von der unwirtlichen Küste gewichen, der Fluch an der Wurzel ausgemerzt. Aus der Nacht erklang der jubilierende Schrei eines Meeresvogels, und Fafhrd und der Mausling dachten an den langen, unmarkierten Weg, der zurück nach Lankmahr führte."

"Wow, ein starker Kampf zwischen Schwert und Magie!" sagt der Junge aus der ersten Reihe anerkennend.

"Mit coolen Typen!" meint auch das gepiercte Mädchen. "Die wissen, worauf es ankommt."

"Voll gruselig", sagt der Drachenkopf-Junge. "Das waren gar keine echten Drachen, die aus den Eiern geschlüpft sind. Das waren Horrorgestalten!"

"Nicht Horrogestalten, sondern Ausgeburten des Todes!" widerspricht das Mädchen mit dem MP3 Player: "Der Tod war von der unwirtlichen Küste gewichen, der Fluch an der Wurzel ausgemerzt."

"Also doch richtiges Fantasy", sagt der Drachekopf-Junge zufrieden. "Im Grunde hat das Buch die gleiche Handlung wie Der Herr der Ringe, in dem die Hobbits ausziehen, das alles vernichtende Böse, also den Tod, zu besiegen. Nur, dass in Der unheilige Gral alles viel schneller geht. Da reichen ein paar Schwerthiebe aus, um den Tod zu zerschlagen."

"Halt, halt!" sagt Albert. "Die beiden Bücher haben so gut wie nichts gemeinsam! Fafhrd und der Graue Mausling kämpfen nicht für eine große Sache oder eine bessere Welt! Ihr Kampf gegen den Tod ist nur eines der wahnwitzigen Abenteuer, die die beiden zu bestehen haben. Gleich im nächsten Kapitel erledigen sie zum Beispiel einen verrückten alten Mann, der Reisende in seinen heulenden, laufenden Turm lockt, um sie dort als Opfergabe Geisterhunden zu überreichen. Und wieder ein Kapitel später entkommen Fafhrd und der Graue Mausling nur in letzter Minute dem Sog der schatzbeladenen, aber untergehenden Insel Simorgya. Und danach erledigen sie mit viel Schweiß und Furcht sieben schwarze Priester, die seit ewiger Zeit darauf gewartet haben, dass ihr heißer Gott-Ungeheuer-Teufel-Berg mit ihrer Kraft wieder aufersteht."

"Das sind eigentlich lauter symbolische Geschichten, die menschliche Ängste und Vorstellungen in phantastische Bilder packen", überlegt der Junge, der neben dem Drachenkopf-Jungen sitzt. "Und wir selber schlüpfen als Leser in die Haut der unvollkommenen Helden, wobei Leiber unser Gott ist, der uns glauben lässt, dass wir die todbringenden Eier schon zerschlagen können."

"Geil", sagt der Junge aus der ersten Reihe aufgeregt. "Kommt, wir streifen am besten gleich selbst als die beiden Helden durch Nehwon und Lankhmar! Ich bin der Graue Mausling!"

"Und ich bin Fafhrd!" sagt der Drachenkopfjunge.

"Na toll!" sagt das gepiercte Mädchen, "dann bleibt für uns anderen ja gar nichts mehr übrig!"

"Es gibt doch viele verschiedene Kapitel!" sagt das Mädchen mit dem MP3-Player. "Da können wir uns einfach aufteilen. Ich würde mir zum Beispiel gerne als Fafhrd den heulenden Turm ansehen. Wer kommt als Grauer Mausling mit?"

"Ich", sagt das gepiercte Mädchen schnell entschlossen. "Mal sehen, wie schnell wir den alten Mann erledigen."

"Wir gehen zu der untergehenden Insel ", sagt der Drachenkopf-Junge. "Mal sehen, ob wir Simorgya nicht den Schatz entreißen können."

"Ich komme bei euch mit", sagt der Junge, der neben dem Drachenkopf-Jungen sitzt, zu den beiden Mädchen. "Der heulende Turm hört sich spannend an."

"Wir sind schon voll!" sagt das gepiercte Mädchen abweisend.

"Ich bin einfach euer Ersatzspieler", schlägt der Junge vor. "Ich misch mich erst ein, wenn einer von euch erledigt ist."

"Hört sich gut an", sagt das Mädchen mit dem MP3-Player. "Komm wir nehmen ihn mit! Und wo gehst du hin, Albert?"

"Ich bleibe hier und warte auf euch", sagt Albert. "Einer muss schließlich aufpassen, dass ihr auch alle wieder auftaucht! Doch bis dahin wünsche ich euch spannende Abenteuer und viel Glück!"

* * *

Die grün markierten Textstellen sind Auszüge aus:

Fritz Leiber:Der unheilige Gral. Die Abenteuer von Fafhrd und dem Grauen Mausling 1. Aus dem Amerikanischen von Joachim Körber. Edition Phantasia. Bellheim 2004.

 © Rossipotti No. 23, Dez. 2010