Rossipottis
Leibspeise
Bildung ist ein hohes Gut. Sie kann aus einem Affen einen Menschen und
aus einem Menschen einen Vegetarier machen.
Leider verwechselt man heute häufig Bildung mit Wissensanhäufung.
Während früher ein gebildeter Mensch jemand war, der sein Wissen
dazu nutzte, seine Persönlichkeit zu entwickeln und der Gesellschaft
zur Verfügung zu stellen, denkt man heute bei einem "gebildeten
Menschen" eher an jemanden, der in einer Quizshow viel Geld abräumt.
Als ich kürzlich Rossipotti den
Untergang des ursprünglichen Bildungsideals ausmalte, schüttelte
er nur unwillig mit dem Kopf und sagte: "Du wirst langsam alt! Statt
dich um Humboldt und Co. zu kümmern, solltest du im weltweiten Netz
wie ein Fisch im Wasser schwimmen und dich darin aalen, dass wir heute
so viel wissen können wie noch nie zuvor."
"Wozu denn?" fragte ich. "Um eine Million zu gewinnen?"
"Quatsch!" sagte Rossipotti.
"Um dir kein X für ein U vormachen zu lassen. Mit den Möglichkeiten
heute, bist du nicht mehr davon abhängig, was dir irgendein Professor
oder Nachrichtensprecher auftischt."
"Dafür weiß ich nicht mehr, was wirklich wissenswert ist
und was nicht!" sagte ich. "Früher wurde wenigstens vorsortiert
und Unwichtiges aussortiert. Aber heute? Ist es zum Beispiel wichtiger,
ob Pomparosa eine Schönheitsoperation hatte oder ob im Sudan ein
Krieg ausgebrochen ist?"
"Du hast ernsthafte Orientierungsschwierigkeiten", stellte Rossipotti
betroffen fest. "Unter diesen Umständen sollten wir das nächste
Mal tatsächlich ein paar Bücher vorstellen, die deinem Bildungsideal
entsprechen.
Yep! dachte ich und war dieses eine Mal froh, dass mich Rossipotti
für dümmer gehalten hat als ich bin. Und deshalb gehe ich jetzt
voller Elan zu Rossipottis Leibspeise!
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