"Klassische Computer? Was soll denn das sein?" war die
knappe Antwort von Rossipotti
auf meine E-Mail, die ich ihm als Vorschlag für diese Rossipotti-Ausgabe
geschickt hatte. Klassische Musik, klassische Frisuren oder klassische
Kuchenrezepte, das wäre wohl was nach seinem Geschmack gewesen.
Aber klassische Computer?
Aber ich habe mein Thema genau überlegt. Alles stimmt!
Um ein Gefühl dafür zu kriegen, was klassische Computer
sind, muss man wissen, dass die Computer-Zeitrechnung eine ganz
andere ist, als die der übrigen Kultur. Der Computer entwickelt
sich so rasant schnell, dass 10 Jahre Computer-Zeit vergleichbar
ist mit 100 Jahren sonstiger Kulturgeschichte. Als Konrad Zuse vor
70 Jahren eine der ersten Rechenmaschinen baute, war noch Computer-Mittelalter,
vergleichbar mit Johannes Gutenbergs erstem Buchdruck vor knapp
700 Jahren (um das Jahr 1450).
Was die Computer-Klassik angeht, so behaupte ich, dass sie in den
80er Jahren, also vor etwa 20 bis 25 Jahren war. Es war die Blütezeit
der sogenannten Heimcomputer. Bis dahin gab es nur sperrige Rechenmaschinen,
die in Raumfahrtstationen, beim Militär oder in Universitäten
standen. Sie waren dazu da, Planetenbahnen auszurechnen, Raketen
zu steuern und aberwitzige Rechenoperationen auszuführen, wie
die Berechnung der millionsten Nachkommastelle der Kreiszahl π
(Pi). Die neuen Heimcomputer dagegen kamen endlich in den Wohnstuben
und Kinderzimmern der normalen Leute an.
Und hier sind wir auch schon bei der Definition der klassischen
Computer. Sie müssen beliebt und weit verbreitet sein und außerdem
Maßstäbe setzen. Und dies trifft auf die Heimcomputer
der Achzigerjahre haargenau zu. Plötzlich redet jeder von Input
und Output, Prozessoren, RAMs und Bits und Bytes. Dieses
ganze Getümmel von neuen Wörtern prägt sich in die
Köpfe ein und strukturiert bis heute noch unsere Wahrnehmung.
Auch ästhetisch waren klassische Computer beispielgebend für
das gesamte Produktdesign vom Rasierapparat bis hin zum Toaster.
Verglichen mit den damaligen Innovationen scheint die heutige technische
Entwicklung des fotografierenden, Email-verschickenden, Allzwecktelefons
geradezu lächerlich.
Und wie sahen sie aus, die klassischen Computer?
Ich habe ein paar sehr wichtige Vertreter der klassischen Computer
mitgebracht. Zuerst den bahnbrechenden Sinclair ZX81. Mit seinem
Preis von 99 US-Dollar (ca. 1982) war er unschlagbar billg.
Er hatte eine Plastiktastatur so groß wie eine Schokoladentafel
und besaß nur 4 Rechenchips. Wer mochte, konnte ihn sich als
Bausatz bestellen und ihn selbst zusammenstecken. Der ZX81 wurde
mit einem Kabel hinten an's Fernsehgerät angeschlossen und
konnte dann ganze 64 verschiedene schwarz-weiße Zeichen, darunter
das Alphabet in Großbuchstaben, auf dem Bildschirm anzeigen.
Ein
weiterer wichtiger Vertreter der klassischen Computer ist der Commodore
C64. Er kam kurze Zeit nach dem ZX81 auf den Markt und wurde mit
einer Verkaufszahl von 22 Millionen der am häufigsten
verkaufte Computer überhaupt. Der C64 konnte bunte Zeichen
in 16 verschiedenen Farben darstellen und sogar Grafiken anzeigen.
Plötzlich begann der Computer sogar Piepstöne und Geräusche
zu machen, alles natürlich über den angeschlossenen Farbfernseher.
Kein Wunder also, dass sich Musiker bald eine Klaviertastatur daran
gesteckt haben und begonnen haben, auf dem C64 Musik zu komponieren.
Den
technischen Höhepunkt erreichten die klassischen Computer schließlich
mit dem Atari ST. Es muss bereits Mitte der Achzigerjahre gewesen
sein, als dieser Computer für die Kunden, die weit hinaus wollten,
gebaut wurde. Der Atari ST konnte je nach Anzahl der darstellbaren
Farben bis zu 640×400 Pixel auf dem Bildschirm anzeigen. Er hatte
neben dem Ausgang für den Fernsehbildschirm auch einen Ausgang
für einen eigenen Monitor, was den Computer auch für Büroanwendungen
interessant machte. Als unglaubliche Neuigkeit hatte dieser Computer
eine grafische Benutzeroberfläche und eine Maus als Eingabegerät.
Programme wurden nicht mehr gestartet, indem man seltsame Befehle
über die Tastatur eingab, sondern durch das Anklicken von kleinen
Bildchen.
All diesen Computern war gemeinsam, dass jeder für sich ein
Individuum war. Jeder Computer sprach seine eigene Sprache und für
jeden brauchte man eigene Programme, die nur auf dieser Sorte liefen.
Also ZX81-Programme für den ZX81 und C64-Programme für
den C64 und so weiter. Programme waren deshalb immer sehr selten,
weshalb sich viele hinsetzen und eigene Programme schrieben. Es
gab Computer-Zeitschriften, in denen Programme zum Abtippen standen
und Radiosendungen in denen Computer-Programme als Pfeiftöne
zum Aufnehmen auf Musikkassetten gesendet wurden.
Doch
wozu waren diese klassischen Computer da?
Na gut. Das wusste niemand so genau. Sie waren ja noch ganz neu
und unverbraucht. Deshalb hat man sich erst einmal an die Ursprünge
der Rechenmaschinen gehalten: Raketen steuern und Feinde bekämpfen.
Die eigentliche Anwendung für Heimcomputer war tatsächlich
für die meisten das Spielen. Vielleicht waren klassische Computer
deshalb so beliebt.
Zum Abschluss meiner Beschreibung klassischer Computer habe ich
deshalb ein klassisches Computerspiel mitgebracht. Es heißt
Space-Invaders und ist zwar ein bisschen stumpfsinnig, denn es geht
darum, feindliche Raumschiffe abzuschießen, aber dieses Spiel
ist sozusagen die Großmutter aller Computerspiele. Denkt deshalb
beim Ballern daran, dass dies ganz große Klassik ist. Viel
Spaß dabei!