[Diese
Seite drucken]
Etwas anderes
Ah, da sind wir also in Juans verlassener Höhle.
Ein wenig unaufgeräumt sieht es hier aus. Aber gemütlich.
In der einen Ecke steht ein Korb, in dem alte Stoffbären, Puppen
und aufziehbare Mäuse rausschauen, in der anderen Ecke steht
eine große Kiste auf der "Streng geheim! Darf nur von
den Wilden Alligatoren geöffnet werden!"
Wilde Alligatoren? Hört sich an wie ein Bandenname.
Eigentlich respektiere ich die Geheimnisse anderer. Aber da ich
als Krokodil zu den Alligatoren gehöre und bekanntlich auch
wild sein kann, darf ich die Kiste sicher öffnen...
Der Deckel geht sehr schwer auf. Und quietscht schauerlich.
Oh!
Ich hatte viel erwartet. Aber nicht das!
Damit sind die Wilden Aligatoren eindeutig zu weit gegangen.
Ihr wollt wissen, was in der Kiste ist?
Das kann ich euch leider nicht sagen. Denn jetzt bin ich natürlich
zum Geheimnisträger der Bande geworden.
Aber
eines verrate ich euch doch:
In der Kiste war auch ein Amulett, das die Bande beschützen
soll. Zum Glück, denn sonst hätte ich wirklich Angst,
dass Juan nicht mehr gesund aus dem Amazonas zurück kommt!
Ein Fluch kann nämlich auch noch Jahre später wirken.
Sehen
wir uns deshalb lieber andere Dinge in dem Raum an. Von der Decke
hängt zum Beispiel ein Lebkuchenherz auf dem "Ich werde
dich vermissen!" steht.
Und an der Wand hängt eine Kette mit dem Yin- und Yang-Symbol.
In der Mitte des Raums steht ein Tisch, auf der eine Bastel-Schachtel
mit buntem Garn liegt. Ich hebe sie hoch und finde erstaunlicherweise
eine Notiz von Helma. Ich lese:
|
Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, aber auch die
Erinnerung. Heute ist es üblich - und das nicht nur unter
Mädchen -, Freundschaftsbänder zu tauschen. In meiner
Bibliothek fand ich Vorlagen mit ganz tollen Mustern, mit Anhängern
und Schriftzügen, mit Perlen und Schritt für Schritt
leicht erklärt. Das Buch ist von
Ingrid Moras: Freundschaftsbänder knüpfen. Christopherus
Verlag. Freiburg 2003. |
Ach so. Wahrscheinlich hat Juan ein Geburtstagsgeschenk für
seine Nichte gesucht, und Helma hat ihm einen Buch-Tipp gegeben.
Wie ich sehe, steht Juan auch mit Tine in Briefkontakt. Denn auf
dem Tisch liegen auch drei Zeichnungen von ihr:
Offensichtlich sind es literarische Rätselbilder zum Thema
Freundschaft.
Erinnert ihr euch, wer die Freunde von Sherlock Holmes, Pippi Langstrumpf
und Winnetou sind?
Sicher habt ihr die Antworten schneller gefunden als ich den Satz
beenden konnte?
Dann kann ich euch gleich noch ein Rätsel stellen: Was zeichnet
denn die Freundschaft der drei verschiedenen Figuren aus?
Sind zum Beispiel Annika und Thomas wirklich gute Freunde von Pippi?
Eigentlich stehen sie doch immer nur dabei und warten, bis Pippi
einen Einfall hat ...
Und wie sieht es bei Sherlock Holmes und Dr. Watson aus?
Klar Winnetou und Old Shatterhand sind, was die Verlässlichkeit
ihrer Freundschaft angeht, kaum zu toppen. Aber hättet ihr
wirklich gerne einen Freund wie Old Shatterhand?
Sicher fallen euch einige Helden aus der Literatur ein, die ihr
unheimlich gerne als Freunde hättet? Und damit meine ich nicht
nur die Wilden Hühner, Harry Potter oder Frodo.
Bevor ihr allerdings verzweifelt, dass ihr mit all den ausgedachten
Personen nie ins Gespräch kommen werdet, überlegt euch
lieber, was ihr an euren wirklichen Freundinnen und Freunden schätzt.
Übrigens habe ich hier gerade neben Tines Bildern noch eine
Notiz von Helma zum Thema "Poesiealbum" entdeckt:
Vielleicht hast du ein Buch, in dem deine Freunde etwas über
sich reinschreiben: neben Namen und Geburtstag auch Lieblingsmusik,
Lieblingsfarbe, Lieblingsbuch... Es gibt ja die verschiedensten
Arten im Handel zu kaufen. Aber manche Exemplare sind ganz schön
teuer. Deshalb kannst dir solch ein Freundschaftsbuch auch selbst
aus einem dicken Heft machen. Du schreibst die Fragen für deine
Freunde einfach selber rein, so kannst du allein bestimmen, was
du von ihnen gern erfahren und was du später dann auch noch mit
den Schreibern verbinden möchtest.
Weißt du eigentlich, dass diese Tradition des "Liber amicorum" (das
ist Lateinisch und bedeutet im Deutschen nichts anderes als "Buch
der Freunde") schon vor 500 Jahren unter Studenten an der Universität
in Wittenberg entstanden ist? Sie ließen sich beim Abschied am Ende
eines Studienjahres und zur Erinnerung von ihren Freunden etwas
in die von Martin Luther übersetzte Bibel einschreiben.
Dann wurden über Jahrhunderte die so genannten Stammbücher oder
Poesiealben geführt. Du siehst hier solch ein Büchlein aus der Zeit
deiner Uroma oder deines Uropas. Es
wurde vor 80 Jahren begonnen und auch in der Zeit beendet. Auf dem
Pappdeckel steht in altdeutscher Schrift: "Schreib mir hier ein
Verslein ein und in Lieb' gedenk ich dein!" Wenn man das Herz auseinander
klappt, dann entsteht ein vierblättriges Kleeblatt. Hierhinein wurden
die Sprüche und guten Wünsche eingeschrieben.
Meine Oma, die 92 Jahre alt geworden ist, hat oft in ihrem Poesiealbum
aus ihrer Schulzeit geblättert und sich dabei an ihre Freundinnen
und Schulkameraden erinnert. In einem kleinen Schächtelchen bewahrte
sie auch ein ganz besonderes Freundschaftsgeschenk auf. Es war ein
Ringlein, nur aus Messing, aber es strahlte, als sei es aus reinem
Gold. Ihr erster Freund steckte ihr diesen kleinen Ring an den Finger.
Ganz unscheinbar ist er, mit zwei Glitzersteinsplitterchen und einer
Perle. Und auch die ist sicherlich nicht echt. Aber für ein Geschenk
unter Freunden oder Freundinnen ist das wohl das Unwichtigste, was
man sich nur vorstellen kann.
Ein schönes Schlusswort von Helma wie ich finde.
Und da es in Juans Zimmer auch nichts mehr zu entdecken gibt, was
mit unserem Thema zu tun hätte, gehe ich mal zu meinem Fisch.
Er ist sicher schon ungeduldig und möchte wissen, was es heute
zu fressen gibt.
Bis gleich,
Euer Rossipotti
|