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Kulturtasche

 

Was ist eigentlich eine ... : Pferde-Bauchtänzerin?

Ist das eine Stute, die ihren Bauch im Takt bewegt?
Ist das eine Bauchtänzerin im Pferdekostüm?
Oder ist das eine Bauchtänzerin, die gleichzeitig reitet und tanzt?
Des Rätsels Lösung erfahrt ihr, wenn ihr das Interview lest.

 

Kulturtasche: Isabell, was machst du in deiner Freizeit am liebsten?

Ich gehe tanzen und reiten, einmal in der Woche zum Klavierunterricht.

Ach, das Lesen gehört nicht dazu?

Doch, jetzt schon.

Das bedeutet wohl, du hast früher nicht so gern gelesen. Was hat dich denn umgestimmt?

Das Tanzen und das Reiten.

Das ist für mich ein Rätsel, auf dessen Lösung ich wohl nur mit deiner Hilfe komme. Also, wie hat das alles angefangen?

Zuerst einmal habe ich mit dem Bauchtanz angefangen. Es ist eine beinahe märchenhafte Geschichte, wie ich dazu gekommen bin. Vor etwa fünf Jahren hing im Hort oder im Kindergarten, das weiß ich jetzt nicht mehr so genau, ein Plakat der Tanzschule "Aladdina" mit der Ankündigung einer Veranstaltung.
Jeden Tag führte mich mein Weg an diesem Plakat vorbei und ich ging vorbei. Es war wie jeder andere Informationsanschlag auch. Je länger er an seinem Platz ist, desto weniger nimmt man ihn wahr.
Doch dann war es auf einmal so, als ob mir die Frauen im Tanzkleid zuwinkten. Manchmal blieb ich vor dem Bild stehen und dachte an Scheherezade und andere Märchenbilder aus "Tausend und eine Nacht". Ich hörte die Männer auf dem Plakat die Trommel schlagen.
Dann war das Plakat weg. Irgend jemand hatte es abgehangen. Und auf einmal fehlte mir was.
Doch als ich nach Hause kam, überraschte mich meine Mama mit Eintrittskarten für das Programm! Die Aufführung war dann am darauf folgenden Sonnabend.

Vita

Isabell wurde 1995 geboren und wohnt in Kleinmachnow. Das ist ganz dicht hinter der südwestlichen Stadtgrenze von Berlin.
Im August 2005 führt Isabel mit ihrer Bauchtanzgruppe auf einem Reiterhof in Thyrow ein Tanztheaterstück auf. Pferd und Tänzerinnen bewegen dabei ihre Hüften im Takt.


Illustration von Jule (6 Jahre)

Und die Vorstellung war dann so märchenhaft, dass du auch gleich Bauchtanz lernen wolltest ?

Es war eine ganz eigene Stimmung in diesem vollen Saal, vor allem mit vielen Frauen, die anscheinend mit den Tänzerinnen auf der Bühne bekannt waren. Übrigens war es keine orientalische Teestube. Die meisten Frauen waren blond und nicht mehr taufrisch und nicht unbedingt gertenschlank. Aber sie tanzten toll, die Kostüme waren richtig cool. Es gab auch eine Gruppe von Mädchen, die eigene Tänze aufführten. Ich war einfach hin und weg!
Als dann Aladdina nach dem Schlussapplaus bekannt gab, dass die Tanzschule neue Tänzerinnen aufnehmen würde, da war für mich klar: Ich muss da hin. Was mir damals natürlich nicht klar war, das weiß ich heute nur zu gut: Bauchtanz, das ist nicht einfach so mal mit den Hüften wackeln. Das ist anstrengende körperliche Betätigung, es ist Sport. Und es steckt sehr viel Kultur aus einer anderen Welt mit drin. Heute kann ich mir meine Woche ohne das Training am Donnerstag bei Aladdina gar nicht mehr vorstellen.

Was gefällt dir denn besonders am Bauchtanz?

Noch immer gefallen mir die Kostüme. Mir gefällt das Tanzen in der Gruppe. Mir gefällt auch, dass wir mit unseren Tänzen eine Geschichte erzählen. Ich finde auch gut, dass wir auf Veranstaltungen auftreten, trotz der zusätzlichen Proben, trotz der Aufregung während des Auftritts. Mindestens einmal im Jahr gestalten wir solch einen ganzen Abend, wir Mädchen gemeinsam mit den Frauen und den Trommlern. Da zeigen wir, was wir in den zurückliegenden Monaten gelernt haben.

Lachen die anderen in deiner Klasse über dich, weil du Bauchtanz machst?

Nein. Warum auch? Meine eine Freundin macht Jazz-Tanz, die andere geht zum Reiten. Und ich mache eben Bauchtanz.

Für deine Bauchtanz-Aufführung mit Pferd musst du auch reiten können. Wann hast du mit dem Reiten angefangen?

Ich hatte in der Kindergartenzeit schon Kontakt zu Pferden, aber nur mal so bei Besuchen im Streichelzoo und bei Urlaubstagen auf dem Bauernhof. Das waren dann meist Ponys. Im vorigen Jahr machten wir Urlaub in Portugal, und meine Mutter buchte für sich und mich einen Reitkurs. Das war herrlich. Das Wort "herrlich" sagt eigentlich viel zu wenig. Aber auf jeden Fall begann hier meine richtige Liebe zu Pferden. Seitdem gehe ich einmal in der Woche zum Reiten.

Hast du nicht einen Schreck bekommen, als du das erste Mal so ganz dicht bei einem Pferd gestanden hast?

Nein, das nicht. In Portugal waren es keine Ponys, sondern kleinere Pferde. Aber du hast schon recht, wenn man so ganz dicht neben einem Pferd steht, dann merkt man erst, wie klein wir Menschen und wie riesig die Pferde sind.

Was liebst du an den Pferden?

Die Augen, die Wärme des Körpers, den Geruch, das Satteln, das Führen, das Putzen ...

Auch das Putzen? Das ist doch Arbeit. Was macht denn daran Spaß?

Ja, man kann es vielleicht als Arbeit bezeichnen. Obwohl ... Nein, ich glaube, das kann man eigentlich nicht sagen. Das Putzen ist keine richtige Arbeit. Es ist ein Dankeschön an das Pferd. Du bürstest sein Fell. Es pustet Luft durch die großen Nüstern. Über den Körper geht so ein Zittern wie eine Welle. Manchmal tastet es mit seinen dicken Lippen nach dir. Und du merkst, wie wohl es sich fühlt. Du bist dem Tier ganz nahe.

Reitest du immer auf einem ganz bestimmten Tier?

Ja, meist auf Sugar, das ist eine Hafflingerstute.

Wir haben jetzt also eine Bauchtänzerin und ein Pferd. Und beide wollen miteinander auftreten. Wie muss man sich das jetzt vorstellen? Tanzt ihr auf den Pferden? Tanzen die Pferde mit euch? Machen sie auch Bauchtanz? Du lachst. Im Zirkus habe ich mal Elefanten mit Rüschen um den Bauch gesehen. Wenn sie durch die Manege liefen, dann bewegten sich ihre Mini-Röcke wie eure Hüften. Na, entschuldige bitte! Wie also kommen Pferde in euer Bauchtanz-Bild?

Unser nächster Auftritt wird auf einem Reiterhof in Thyrow sein. Da mehrere von uns reiten, auch unsere Bauchtanzlehrerein, da ergab sich das wie von selbst, dass auch Pferde eine Rolle spielen, einfach spielen müssen. Es gibt in unserem Programm einen Zigeunertanz. Dabei sitzen Aladdina, ein anderes Mädchen und ich auf Prinz, dem Apfelschimmel. Wir haben Tücher und Fächer und schwenken diese zur Musik.
Auch wenn das Pferd seine normalen Bewegungen macht, sieht es doch aus, als würde es mit uns gemeinsam zur Musik tanzen. In einem zweiten Tanzbild, bei dem die Trommeln den Ton angeben, spielt Acedce mit, das ist ein wunderschönes braunes Pferd. Passend zur Musik, macht es Galopp, Schritt, Trab. Natürlich ist das dressiert. Aber es sieht trotzdem toll aus!

So, nun hast du mir so geduldig meine Fragen beantwortet. Aber ich lasse dich nicht gehen, bevor du mir nicht des Rätsels Lösung anbietest. Wie haben dich das Tanzen und Reiten zum Lesen gebracht? Eigentlich wird deine Zeit nach der Schule dadurch sehr viel weniger und doch hast du jetzt mehr als vorher Muße und Lust zum Lesen. Wie geht denn das?

Tanzen ist anstrengend, aber Reiten auch. Dazu kommen beim Bauchtanz auch noch die Proben für die Auftritte. Und trotzdem fühle ich mich sehr gut, wenn ich an diesen Tagen abends in meinem Zimmer sitze. Ich nehme sehr viel mit nach Hause, sehr viel an Erlebnissen, an Gesprächen, an komischen, verpatzten oder auch natürlich erfolgreichen Situationen. Mit dem Lesen kann ich mich ablenken und gleichzeitig innerlich auf die nächsten Aufgaben, die auf mich warten, vorbereiten. Dabei muss für mich ein Buch was mit Pferden zu tun haben und natürlich spannend sein. Zur Zeit lese ich gerade "Hände weg von Mississippi!". Das ist eine Pferdegeschichte von Cornelia Funke. Ich kann dieses Buch nur empfehlen.

Isabell, ich bedanke mich bei dir, wünsche dir viel Erfolg beim nächsten Tanz-Auftritt, noch viele interessante Stunden mit Sugar und genauso viele spannende Leselektüre, in denen Pferde oder vielleicht auch andere Tiere eine Hauptrolle spielen!

* * *

Das Interview führte dieses Mal Helma Hörath.

 © Rossipotti No. 8, Juli 2005