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Das geheime Buch
Anna Pop in der Elefantenhaut
Ein Märchen aus der neuesten
Zeit
Annette Kautt
Fortsetzung: Teil 2
Wer nicht nur die kurze Zusammenfassung lesen möchte,
sondern den ganzen ersten Teil, geht zurück zur ersten
Rossipotti-Ausgabe
.
Was bisher geschah:
Anna Pop ist ein neunjähriges
Mädchen, das an einer seltsamen Krankheit leidet: Jede Nacht
wächst ihr eine Elefantenhaut, die das ganze Zimmer ausfüllt
und Anna beinahe erdrückt. Deshalb kann sie auch nie schlafen
und wird immer schwächer und schwächer. Ihre Eltern rufen
per Mausklick verschiedene Heiler aus aller Welt herbei. Aber der
erste der ankommt, der Mampfende Schluck, verschwindet schon am
ersten Tag seiner Ankunft auf mysteriöse Weise. Und die nächsten
beiden Ärzte, Angeber-Luzie und Betrüger-Schorschi haben
bisher nichts anderes zu tun, als sich gegenseitig schlecht zu machen.
Um Angeber-Luzi bloßzustellen, aber auch um das komplizierte
Verhältnis der beiden zueinander der Familie Pop zu erklären,
erzählt Betrüger-Schorschi folgende Geschichte:
Die Geschichte von Akladabad, dem Stinkkäse
<<Vor etlichen Jahren
war ich mit dem Zug zu einem Kongress unterwegs. Ich hatte einen
Vortrag über unterschiedliche Riechsubstanzen vorbereitet und
als Demonstrationsobjekt einen Akladabad Käse dabei. Dessen
Eigenschaft ist es, in geschlossenen Räumen extrem stark nach
Fußschweiß zu riechen.
Da ich in einem kleinen Abteilwagen saß, wollte ich nicht,
dass die anderen Fahrgäste annahmen, meine Füße
würden so stinken. Ich dachte mir, dass es doch wesentlich
besser wäre, den Käse heimlich in der Tasche meines Sitznachbarn
zu verstecken. Mein Sitznachbar war mir ohnehin auf den ersten Blick
unsympathisch gewesen. Er hatte sich die Haare zu einem hochstaplerischen
Hahnenkamm frisiert, roch unerträglich nach Parfum und Rasierwasser
und putzte sich zudem mit ausladender Geste seine Fingernägel.
Ich war mir sicher, dass der Käse bei ihm gut aufgehoben wäre.
Tatsächlich stank es schon nach kurzer Zeit in unserem Abteil
unerträglich nach Fußschweiß.
Zuerst benahmen sich alle fünf Mitreisenden so, als würden
sie nichts bemerken. Dann begannen sie, unruhig auf ihren Sitzen
hin- und herzurutschen. Trotzdem waren sich alle zu vornehm, das
Fenster zu öffnen. Bevor der Geruch unerträglich wurde,
beschloss ich, das Thema direkt mit den anderen Fahrgästen
zu besprechen und den "Täter" zu entlarven. Ich fragte
also die anderen, wer hier denn so unerträglich nach Fußschweiß
stinken würde. Im Interesse aller solle er sich freiwillig
melden. Natürlich meldete sich niemand.
Der Angeber mit seiner Hochfrisur neben mir sah mich sogar überheblich
an und sagte dann: "So wie Sie aussehen, sind Sie sicher der
Verursacher des Gestanks."
Jetzt war meiner Meinung nach das Maß voll. Mit diskreten,
aber eindeutigen Worten überzeugte ich die anderen davon, dass
es in der Nähe meines Sitznachbarn besonders stark stinken
würde. Nachdem sich die anderen Fahrgäste alle vorgebeugt
hatten und es bald eindeutig war, dass nur mein Sitznachbar Verursacher
des Geruchs sein konnte, wurde er kurzerhand mitsamt seiner edlen
Ledertasche aus dem Abteil geworfen.
Ich muß allerdings leider zugeben, dass mir bei der Geschichte
ein kleiner, aber wie sich in den folgenden Jahren herausstellte,
gravierender Fehler unterlaufen war. Denn natürlich mußte
ich den Aklabadad so lange in der Tasche des Sitznachbarn lassen,
bis ich den Zug verließ. Kurz bevor ich ausstieg, suchte ich
im Zug also den Angeber, und versuchte, unbemerkt wieder an den
Akladabad zu gelangen. Das gelang mir aber offensichtlich nicht.
Denn der Angeber muss mich beobachtet haben, als ich mir den Käse
heimlich aus seiner Tasche holte. Denn seither sinnt er auf Rache
und er verfolgt mich überall hin.
Anscheinend hat diese Geschichte Angeber-Luzi - denn kein anderer
als er war ja mein Sitznachbar - so mitgenommen, dass erst zur Ruhe
kommen kann, wenn er mich ebenfalls in aller Öffentlichkeit
blamiert hat.
Zu meiner großen Freude und zu Angeber-Luzis allergrößtem
Bedauern ist ihm das bisher aber noch nicht gelungen. Das einzige,
was Angeber-Luzi wirklich hervorragend kann, ist, sich an meine
Fersen zu heften.>>
"Das war eine schöne Geschichte", sagte Anna.
Angeber-Luzi schaute sie beleidigt an. "Kinder", murmelte
er vor sich hin.
"Dann sind Sie also gar kein Arzt, sondern das Anhängsel
von Betrüger-Schorschi?" fragte Annas Mutter enttäuscht.
Angeber-Luzi schaute sie noch beleidigter an als Anna. "Frauen",
zischte er verächtlich.
"Aber sicher," versuchte Betrüger-Schorschi Annas
Mutter zu beruhigen und Abgeber-Luzie ein wenig aufzuheitern. Er
tätschelte Angeber-Luzis Hand und sagte dann: "Er ist
sogar ein hervorragender Arzt. Das ist auch der einzige Grund, warum
ich ihn in meiner Nähe überhaupt aushalte. Es ist häufig
ganz nützlich, einen kompetenten Kollegen zur Hand zu haben.
Seine Schwäche ist nur, dass er die Diagnose der Patienten
manchmal ein bißchen aufbläst, um einen besseren Showeffekt
zu erzielen.
Zum Beispiel behauptet er, man habe eine fragile Knall-Halluzination,
wenn man nur einen einfachen Fiebertraum hat. Die Heilung des Patienten
erscheint dann viel phantastischer. Das Erstaunlichste, was ich
in dieser Hinsicht von ihm erlebt habe, war die Aktion Saatkrähe
..."
Angeber-Luzi fiel ihm ins Wort und wollte verhindern, dass er die
Geschichte erzählte. Doch die Familie Pop schien interessiert
an dieser weiteren Geschichte. Außerdem war Betrüger-Schorschi
schon so sehr in Fahrt, dass ihn ein Einwand von Angeber-Luzi nicht
mehr stoppen konnte. Und so erzählte er die Geschichte von
der Saatkrähe:
Aktion Saatkrähe
<<Wenn Angeber-Luzi glaubt, dass
er nur mich verfolgt, so ist er natürlich auf dem Holzweg.
Denn jeder, der andere verfolgt, wird auch selbst verfolgt. Ich
bin mir deshalb überhaupt nicht sicher, ob er durch diese ewige
Verfolgerei nicht viel mehr sich selbst und seinem Ruf schadet als
mir und meinen Reputationen.
Denn wie Sie aus der folgenden Geschichte erfahren werden, gelingt
es mir ausgezeichnet, seine Fähigkeiten für mich auszunutzen
und gleichzeitig seinen Ruhm klein zu halten. Insofern könnte
ich mich eigentlich glücklich schätzen, einen so treuen
Verfolger zu haben.
Mit den Jahren sind mir allerdings auch alle seine Schwächen
bekannt geworden. Und diese verabscheue ich zutiefst. Wenn ich allein
sein devotes, einschmeichelndes Grinsen sehe, um damit irgendwelche
Ärztekommission von irgendetwas zu überzeugen, wird mir
speiübel.
Mittlerweile kann ich allein durch die Beobachtung seines Äußeren
in ihm lesen wie in einem offenen Buch. Sehen Sie jetzt zum Beispiel:
Seine Ohren sind ganz angelegt, sein Kopf etwas geduckt, und seine
Oberlippe zittert leicht. Das bedeutet erstens: Gefahr im Verzug.
Das bedeutet zweitens: Nur nichts anmerken lassen. Und das bedeutet
drittens, dass er sicher gleich sein Mini-Telefon aus der Hosentasche
zieht und mit dessen Tasten spielt. (Natürlich war Angeber-Luzi
von den Reden des Betrüger-Schorschis so irritiert, dass er
tatsächlich sein Telefon hervorzog.)
Doch wir wollten die Geschichte mit der Saatkrähe hören.
Nun denn. Es war in Dschibuti. Ich, das heißt wir, waren angereist,
weil der Minister für innere Angelegenheiten eine seltene Halsschimmelkrankheit
hatte. Aus der ganzen Welt waren Ärzte gekommen, um sich an
dem Minister zu versuchen. Bei erfolgreicher Behandlung sollte eine
astronomische Summe ausgezahlt werden. Allerdings wurde zu dem Minister
niemand vorgelassen, der nicht einwandfreie Referenzen vorzuweisen
hatte. Ich hatte damit natürlich keinerlei Probleme. Aber Angeber-Luzi.
Er war noch nicht lange Arzt und hatte deshalb fast keine Zeugnisse.
Er wollte aber unbedingt zum Minister vorgelassen werden. Denn zum
einen wollte er mich nicht aus den Augen lassen. Zum anderen hatte
sein Selbstbewußtsein durch seine mühsame Verfolgerei,
mit der er mir weniger schadete als nützte, in letzter Zeit
so stark gelitten, dass er sich nicht eingestehen wollte, nicht
zur Crème de la Crème der Ärzte zu gehören.
Eines Mittags fiel mir auf, dass mich Angeber-Luzi nicht verfolgte.
Nach mehreren Stunden machte ich mir Sorgen um ihn. Ich suchte also
nach ihm. Da ich zuvor schon oft in Dschibuti gewesen war und deshalb
auch viele seiner geheimen Winkel kannte, fand ich Angeber-Luzi
bald. Er stand auf dem Hof einer heruntergekommenen Tierarzt-Praxis
und stocherte einer Saatkrähe im Schnabel herum. Aus meinem
Versteck beobachtete ich die Szenerie noch eine Weile und konnte
so sehen, wie ein alter Tierarzt Angeber-Luzi ein Papier ausstellte,
unterschrieb und stempelte.
Ich zählte eins und eins zusammen, und war mir sicher, dass
Angeber-Luzi versuchte, sich bei einem Tierarzt falsche Referenzen
zu erschleichen. Ich verschwand, bevor er mich zu Gesicht bekommen
konnte. Wie ich vermutete hatte, wurde Angeber-Luzi am nächsten
Morgen plötzlich zum Minister vorgelassen, und zur allgemeinen
Freude konnte er tatsächlich das Leiden des Ministers heilen.
Meine Annahme, dass sich Angeber-Luzi mit gefälschten Referenzen,
das heißt mit einer minderwertigen oder zu vernachlässigbaren
Tierbehandlung, den Zugang zum Minister erschlichen hatte, bestätigte
mir Angeber-Luzi, als ich ihm drohte, ihn sonst zu denunzieren.
Da die Drohung so erfolgreich verlief, drohte ich ihm außerdem,
ihn auffliegen zu lassen, sollte er nicht öffentlich kundtun,
dass er nur mein Assistent sei, und die eigentliche Ehre mir gebühre.
Sebstverständlich hat Angeber-Luzi auf mich gehört und
alles so gemacht, wie ich es gewünscht habe. Da ich ein Menschenfreund
bin, haben wir den Gehalt brüderlich geteilt. Ich muß
sagen, dass ich insgesamt sehr zufrieden mit dem Ausgang der Geschichte
bin.
Welcher medizinische Zusammenhang aber zwischen der Schnabelkrankheit
der Saatkrähe und dem Halsschimmel des Ministers besteht, wollte
Angeber-Luzi mir leider bis heute nicht verraten.>>
Dabei schaute Betrüger-Schorschi traurig vor sich hin und
drehte seinen Kopf so langsam hin und her, dass sich die Flauschhaare
wie Flossen bei einem Fisch bewegten. Als er bemerkte, dass die
anderen ihn beobachteten und noch auf irgendeinen Kommentar warteten,
zuckte er mit den Schultern, stand auf und wünschte allen einen
Gute Nacht.
Angeber-Luzi seufzte erleichtert auf. Vielleicht hoffte er, dass
er nun seine Version der Dinge schildern konnte.
Doch soweit sollte es nicht kommen. Denn unter den Erzählungen
des Betrüger-Schorschis war es tiefe Nacht geworden. Auch Annas
Eltern waren müde geworden und gähnten.
Und auf Anna wartete schließlich die Elefantenhaut.
Der andere Morgen fing bei allen tatkräftig an. Betrüger-Schorschi
machte lautstark bei geöffnetem Fenster seine Morgengymnastik.
Anna ging zur Schule, Annas Vater ins Büro, Annas Mutter machte
zuerst die Steuererklärung und fuhr dann ebenfalls zur Arbeit,
und Angeber-Luzi inspizierte Haus und Garten.
Beim Mittagessen, zu dem sich alle wieder eingefunden hatten, brachte
Angeber-Luzi schließlich die Sprache auf Annas Leiden: "Nun.
Nachdem ich mich heute hier umgesehen habe, und alles sehr schön
fand, kann ich mich nun um Ihre Tochter kümmern. Gleich nach
dem Mittagessen werde ich sie untersuchen."
"Das Kind ist gesund," plapperte Betrüger-Schorschi
dazwischen. "Sie sitzt gerade auf dem Stuhl, hat beinahe eine
rosige Gesichtsfarbe und ist der Sprache mächtig. Stimmt's
mein Kind?"
Anna nickte zögerlich. Doch Annas Eltern warfen sich gegenseitig
einen zweifelnden Blick zu.
"Soweit ich unterrichtet bin ...," widersprach Angeber-Luzi
mit gewichtigem Augenaufschlag, "... leidet das Kind nachts.
In einem solchen Fall muss das Kind tagsüber gesund aussehen.
Nox non dies est wie mein wissender Lehrer Huldmeier immer sagte.
Oder umgekehrt: Bei Nacht sind alle Katzen grau. Wie dem auch sei.
Das Kind muß selbstverständlich nachts untersucht werden.
Es ist nur ein Jammer, dass ich nachts so furchtbar schläfrig
bin. Deshalb wollte ich auch Betrüger-Schorschi bitten, ob
er sich nicht Anna bei Nacht ansehen kann. Ich würde dann bei
Tage mit der Behandlung anfangen."
"Das ist wieder so ein typischer Quatsch von dir!" empörte
sich Betrüger-Schorschi. "Oder steckt da vielleicht ein
Trick dahinter? Die Diagnose zu stellen ist in einem solchen Fall
sicher schwieriger als die Behandlung."
"Du weißt ganz genau, dass die Diagnose bereits feststeht:
Elefantenhautentwicklung bei Nacht mit folgendem akuten Schlaf-
und Traumentzug. Du mußt sie dir also nur eine Nacht ansehen,
damit wir wissen, ob es sich um einen afrikanischen oder einen indischen
Elefanten handelt!"
"Nein. Ich weigere mich"
"Warum denn?"
"Ich weigere mich." Betrüger-Schorschi blickte starr
vor sich auf den Teller, hatte die Arme fest an den Körper
gepreßt und schien für das Thema nicht mehr zugänglich
zu sein.
"Ist es denn so wichtig, aus welchem Land der Elefant kommt?"
versuchte Annas Mutter zu vermitteln.
"Nicht unbedingt," gab Angeber-Luzi zu, "aber dazu
müßte ich sie mir erst einmal ansehen."
"Ich finde sowieso, dass kranke Kinder ins Bett gehören,
und nicht wie gesunde Kinder fröhlich am Tisch sitzen sollten,"
meckerte Betrüger-Schorschi von seinem Platz aus. "Kranke
Kinder, die gar nicht krank sind, machen mich schwindelig. Der erste
Schritt meiner Behandlung sieht deshalb vor, dass das Mädchen
tagsüber ins Bett muß."
Anna sah flehend zu ihren Eltern. Und Annas Eltern sahen bittend
zu Angeber-Luzi.
Doch zu Ungunsten von Familie Pop fand auch Angeber-Luzi, dass dies
eine gute Idee sei. Er gab es zwar nicht gerne zu, sah aber ein,
dass dies von Vorteil sei. Erstens mußte er in diesem Fall
die differenzierte Diagnose nicht Betrüger-Schorschi überlassen,
den er übrigens für einen ziemlichen Stümper hielt.
Und außerdem war ihm noch ein anderer Gedanke gekommen: Es
war durchaus möglich, dass die Nacht-Elefantenhaut eigentlich
eine Tag-Elefantenhaut war und bisher nur noch nicht die Möglichkeit
gehabt hatte, sich zu zeigen. So etwas gab es zweifellos. Und in
solch einem Fall müßte er Anna natürlich einer gänzlich
anderen Behandlung unterziehen.
"Und wann geht sie dann in die Schule?" gab Annas Mutter
zu bedenken.
"Wenn sie tagsüber krank wäre, könnte sie auch
nicht in die Schule gehen!" konterte Angeber-Luzi. "Außerdem
handelt es sich doch dabei nur um ein bis zwei Tage, bis die Diagnose
zweifelsfrei feststeht. Wenn Anna tagsüber immer schläfriger
und schläfriger wird, weil sie nachts nicht mehr schlafen kann,
ist es ihr bald auch nicht mehr möglich, in die Schule zu gehen."
Mit dieser Feststellung war die Diskussion beendet.
Anna mußte trotz Widerrede ins Bett.
Um ihr das Schlafen bei Tage etwas zu versüßen, überzog
ihre Mutter die Bettdecke mit einem schönen neuen Bettbezug.
Auf dem weißen Untergrund waren zarte hellblaue Wolken gemalt.
Und an jede Wolke waren sogar Flügel gezeichnet. Engelsflügel
oder Schwanenflügel. Anna war sich da nicht so ganz sicher.
Wenn sie schon mittags schlafen mußte, so dachte Anna, dann
war er sicher besser, wenn man solch eine Bettdecke hatte.
Immer noch ein wenig zähneknirschend, aber doch auch ein wenig
froh, sich einmal tagsüber von den vielen anstregenden Nächten
zuvor ausruhen zu können, zog Anna ihr langes, weißes
Nachthemd an. Wie eine kleine Prinzessin sah sie darin aus. Sie
schlüpfte unter die frisch gestärkte Bettdecke, sog den
Waschmittelgeruch ein und schloß die Augen.
Betrüger-Schorschi, der kurz darauf das Zimmer betrat, schaute
hochzufrieden auf das schlummernde Mädchen hinunter.
"Na bitte, nun haben wir ja eine Patientin", dachte er
erfreut und schloß vorsichtig die Türe.
Annas Eltern warteten gespannt auf Angeber-Luzis Diagnose und die
Behandlung, die er und vielleicht auch Betrüger-Schorschi daran
anschließen würden.
Doch leider kam es in den nächsten Tagen weder zu einer Diagnose
noch zu einer Behandlung. Denn während Anna tagsüber schlief,
schlief auch ihre Elefantenhaut. Nachts, wenn beide ausgeruht waren,
wuchs die Haut genauso unaufhaltsam wie zuvor. Der einzige Unterschied,
der sich durch die Behandlung der Ärzte ergab, war, dass Anna
zwar nicht mehr so müde und bleich war, dass die Elefantenhaut
dafür aber auch immer zäher und dicker zu werden schien.
Die Ärzte waren dennoch mit ihrem Zustand zufrieden. Angeber-Luzi
bemerkte, dass sich nun langsam aber sicher herausstellen würde,
dass es sich tatsächlich um eine Nacht- und nicht um eine Tag-Elefantenhaut
handelte.
Und Betrüger-Schorschi ging sowieso lieber zum nahegelegenen
Fluß angeln als in das Krankenzimmer. Jeden Abend brachte
er einen Fisch mit nach Hause.
Annas Eltern waren erstaunt, was für seltsame Sorten an seiner
Angel hängen blieben. Die meisten Namen, die Betrüger-Schorschi
ihnen nannte, hatten sie noch nie in ihrem Leben gehört: Brisch-Brasch,
Filli-Pilli, Goromolo, Krauke, Murme und Latte waren nur einige
der erstaunlichen Namen, die ihnen Betrüger-Schorschi jeden
Abend mit einem eigentümlichen Funkeln in den Augen nannte.
Sicher hätten Annas Eltern unter normalen Umständen nie
an die Existenz solcher Fische geglaubt. Doch da sie die Fische
mit ihren eigenen Augen sahen, blieb ihnen nichts anderes übrig
als es zu tun. Da war es beruhigend, dass Betrüger-Schorschi
ihnen wenigstens Namen gab. Der Name machte die Fische beinahe amtlich.
Unabhängig davon entdeckten Annas Eltern bald ihre Vorliebe
für den Brisch-Brasch. Nicht nur, dass sein Leib rot-golden
schimmerte und er einen aquamarinfarbenen Kopf und Flossen hatte,
er schmeckte auch vorzüglich. Betrüger-Schorschi wußte
ihn köstlich mit Butterflöckchen und gerösteten Mandelsplittern
zuzubereiten. Das Fleisch zerging einem auf der Zunge.
Bald nachdem Annas Eltern herausgefunden hatten, dass Betrüger-Schorschi
ein hervorragender Koch war - denn er verstand sich nicht nur auf
Fisch - überließen sie ihm die Küche. Auf seinen
Wunsch hin kauften sie ihm etliche unterschiedlich große Tiegel
und Töpfe, scharfe und stumpfe Messer, Hackklötze, Siebe,
Schneebesen, Mörser, Dosen, Löffel, kurz: alles, was ein
erfahrener Koch braucht, will er ein anständiges Gericht auf
den Tisch bringen.
Binnen kurzem hatte Betrüger-Schorschi die Küche als sein
Revier entdeckt und abgesteckt. Wenn er nicht gerade angeln war,
brachte er den ganzen Tag damit zu, neue Rezepte auszuprobieren.
Er klapperte dabei mit den Töpfen, sprach mit sich selbst über
sein Können und fabrizierte stets einen solchen Dampf in der
Küche, dass er abends mit feucht-glänzender Haut das Menü
servierte.
Angeber-Luzi verhielt sich der Familie gegenüber zwar etwas
zurückhaltender. Doch auch er war schon nach wenigen Tagen
aus dem Hause Pop nicht mehr wegzudenken. Er hatte sich in die Bibliothek
des Hauses zurückgezogen und studierte aufmerksam alle heilkundlichen
Bücher. Wenn er davon genug hatte, spazierte er im Haus herum,
sah hin und wieder nach der schlafenden Anna, fuhr mit einem Staublappen
über das Geländer, rückte ein Bild zurecht oder füllte
das Wasser in einer der vielen herumstehenden Blumenvasen nach.
Besonders gerne machte er den Telefondienst. Jedes Mal, wenn das
Telefon klingelte, ging er mit hastigen, langen Schritten auf das
Telefon zu und meldete sich mit betont gepflegter Stimme: "Guten
Tag, guten Tag. Hier Angeber-Luzi im Hause Pop. Mit wem habe ich
die Ehre?"
Annas Eltern war diese Angewohnheit Angeber-Luzis zwar anfangs ziemlich
lästig gewesen. Doch nachdem sich die meisten Anrufer an seine
Ansage gewöhnt hatten, gaben Annas Eltern den Kampf um das
Telefon mit Angeber-Luzi auf.
Nach einigen Tagen war im Hause Pop also alles in bester Ordnung.
Eigentlich hätte es immer so weitergehen können.
Doch leider schreckte eines Sonntagmorgens ein langes Klingeln die
Hausgemeinschaft aus den Federn...
Ende Teil 2.
Fortsetzung
folgt in der nächsten Rossipotti-
Ausgabe.
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