Was ist ein Kamishibai?

Bedeutung

Das japanische Wort „Kamishibai“ setzt sich aus den beiden Silben „kami“ für Papier und „shibai“ für Theater zusammen. „Kamishibai“ heißt übersetzt also „Papiertheater“.
Für das Theater werden gemalte Bilder auf Papier vor einem Publikum nacheinander in einen Rahmen oder Bilderkasten gesteckt und durch einen spannenden, mündlichen Vortrag zum Leben erweckt. Bei einem Live-Auftritt wird das Publikum dabei oft mit Fragen, Geräuschen oder kleinen Aktionen miteinbezogen.


Je spannender die Geschichte erzählt wird, umso lebendiger erscheinen die unbewegten Bilder auf Papier. Im besten Fall wird die Fantasie dabei so angeregt, dass die Zuschauer den Eindruck haben, ein echtes Theaterstück anzusehen.

Weil der Vortrag der Geschichte ebenso wichtig ist wie die Bilder selbst, nennt man in Deutschland das Kamishibai meistens „Erzähltheater“.
Das macht auch insofern Sinn, da man hier mit „Papiertheater“ eigentlich das Spiel mit ausgeschnittenen Papier-Figuren meint, die man in Schienen von der Seite oder mit Stäben von oben bewegen kann.


Bauform

Kamishibais haben meistens zwei Flügeltüren, die vor dem Stück geöffnet werden. Hinter diesen Flügeltüren kann zusätzlich ein echter oder gemalter Vorhang sein. Um die Zuschauenden neugierig zu machen, kann man dann die Flügeltüren schon öffnen, den Vorhang aber erst vor dem eigentlichen Spiel wegziehen.
Ob der Spiel-Kasten eher an einen Bilderrahmen oder einen Pappkarton erinnert, geschmückt oder schlicht ist, ist für ein Kamishibai nicht so wichtig. Ebenso ist es nicht so wichtig, ob die Bildkarten nach links oder rechts oder nach oben aus dem Kasten gezogen werden.
Hauptsache ist, dass die Bilder vom Publikum gut erkannt werden können, also groß und wenig detailliert gemalt sind, und die Geschichte spannend erzählt wird.


Sonderbauformen

In Deutschland gibt es Kamishibais, an deren Seiten Halterungen für eine Papierrolle angebracht sind. So kann die jeweilige Geschichte Bild für Bild abgerollt werden.
Außerdem gibt es die Möglichkeit, das Bildtheater auch mit standfesten Papierfiguren, die vor den Bildern in Schienen geführt werden, oder mit Stabpuppen zu kombinieren. Die Übergänge zum Figurentheater sind dann fließend.


In Japan wurde das Kamishibai früher meistens draußen auf der Straße gespielt. Dazu wurde der Bilderkasten auf dem Gepäckträger eines Fahrrads befestigt und von hier aus dem Publikum vorgestellt.
Nach dem Spiel konnte der Spieler, selten auch die Spielerin, den Kasten schließen und sich mit dem Fahrrad schnell und unkompliziert einen neuen Vortragsort suchen. Durch den Gepäckträger war die Größe für den Bilderkasten in etwa vorgegeben.
Obwohl Kamishibais heute häufig in Innenräumen gespielt und der Kasten dabei auf den Tisch gestellt wird, ist die Größe des Kastens in etwa gleich geblieben.


Heute gibt es in Japan auch Kamishibais, deren Bildkarten durch digitale Bilder in Tablets ersetzt wurden und so dem Publikum vor Ort präsentiert werden. Diese Form liegt heute insofern nahe, als viele Bilder und Illustrationen gar nicht mehr mit Stift oder Pinsel auf Papier gebracht, sondern gleich mit digitalen Zeichenstiften und Bildbearbeitungsprogrammen erstellt werden.

Das Kamishibai von Rossipotti geht noch einen Schritt weiter. Hier wird das digitale Gerät nicht mehr in einen Rahmen gestellt, sondern selbst als Kamishibai genutzt. Dadurch kann es nicht nur einem Publikum vor Ort, sondern im World Wide Web vorgestellt werden.
Trotz dieser Erweiterung wäre es natürlich wünschenswert, wenn auch das Rossipotti-Kamishibai zu Live-Performances im echten Raum genutzt werden würde. Denn wie jedes Kamishibai, so lebt auch das Rossipotti-Kamishibai vom interaktiven, direkten Austausch mit dem Publikum.
Auf diese Weise wird der Vortrag direkt zum gemeinsamen Erlebnis und kann Menschen viel besser zusammen bringen.


Aufführung

Vor dem Vortrag werden die Bildkarten hintereinander in den Rahmen oder Bilder-Kasten gestapelt. Auf der Rückseite der Bildkarten kann als Gedächtnisstütze für die Erzählenden in wenigen Sätzen die Handlung oder Szene beschrieben werden, die auf dem Bild vorne dargestellt ist. Möglich ist natürlich auch, den gesamten Text auf die Rückseite der Bildkarte zu schreiben und ihn während des Vortrags abzulesen. Routinierte Erzählerinnen und Erzähler brauchen diese Gedächtnisstütze nicht mehr.


Ähnlich wie beim Kasperletheater versammeln sich die Zuschauerinnen und Zuschauer in relativ kleiner Entfernung vor dem Kamishibai. Falls ein Vorhang vorhanden ist, können jetzt schon die Flügeltüren geöffnet sein.
Ein kurzer Trommelwirbel, das Aufeinanderschlagen zweier Klanghölzer oder das Klopfen auf eine Klangschale können den Beginn des Stücks signalisieren und für Aufmerksamkeit sorgen.

Vor Beginn des Stücks wird der Titel und Autor oder die Autorin des Stücks genannt, bzw. gesagt, welche Geschichte man erzählen möchte. Dann werden die Flügeltüren geöffnet oder der Vorhang beiseite gezogen: Das Erzähltheater kann beginnen.


Während des Vortrags werden die Bildkarten je nach Erzählfluss einzeln aus dem Rahmen gezogen und an das Ende des Bilderstapels gesteckt. Möglich ist es auch, die Bildkarte langsam aus dem Rahmen zu ziehen und so erst einen Teil der nächsten Karte zu zeigen. So kann man fließendere Übergänge schaffen oder die Spannung erhöhen.

Je nach Situation kann die Erzählerin oder der Erzähler das Publikum dazu auffordern, sich mit Ratschlägen oder Geräuschen am Stück zu beteiligen.


Einsatz des Kamishibais

Jedes Jahr wird weltweit am 7. Dezember der Tag des Kamishibais mit verschiedenen Veranstaltungen gefeiert.
Neben dem Ziel, Menschen mit dem Erzähltheater zu unterhalten und zusammen zu bringen, wird das Kamishibai heute vor allem im pädagogischen Bereich als Instrument des bildgestützten Erzählens eingesetzt.
Insgesamt soll durch den Einsatz das Verständnis für (Bild)-Sprache und Literatur, die Vorstellungskraft und Kreativität gefördert werden. Außerdem soll das freie mündliche Erzählen oder Vortragen unterstützt werden.


Je nach Altersgruppe gibt es spezifische Einsatzbereiche:

Bei Kleinkindern werden Kamishibais vor allem verwendet, um bei ihnen Freude an Geschichten zu entwickeln, ihr Verständnis für (Bild-)Sprache zu fördern und ihren Wortschatz zu erweitern.

Ab 3 bis 4 Jahren können Kinder Texte auch selbst bebildern oder kurze Geschichten erfinden. Beim anschließenden Vortrag müssen sie dann sehr wahrscheinlich unterstützt werden.


In der Grundschule können Kinder über das Kamishibai leicht an das eigenständige Schreiben und Bebildern von Geschichten und Erlebnissen heran geführt werden.
Außerdem können sie ermutigt werden, ihre Geschichte vor einem größeren Publikum zu präsentieren und das freie Erzählen zu üben.


In weiterführenden Schulen eignet sich das Kamishibai sehr gut für den Einsatz zum Erlernen verschiedener literarischer Genres und im Fremdsprachenunterricht.
Denn durch das Gestalten beispielsweise eines eigenen Comics, Dramas, einer Detektivgeschichte oder eines anderen Genres, lernen die SuS die Merkmale des jeweiligen Genres spielerisch kennen. Außerdem wird die Hemmung, eine fremde Sprache zu sprechen, durch das freie Erzählen mit dem Kamishibai reduziert und geübt.


In Altenheimen können Kamishibais genutzt werden, um Gedächtnis und Kreativität alter Menschen zu unterstützen.
Projekte, die das eigene Leben in Bildern und Texten festhalten, können vor allem bei dementen Menschen Identität stiftend und ermutigend wirken.

In allen Altersstufen werden durch den Einsatz des Kamishibais die Kompetenzen Lesen und Schreiben, Sprechen und Zuhören, Darstellen und Gestalten, Produzieren und Präsentieren gestärkt. Bei gemeinsamen Projekten werden zudem die Kompetenzen Kommunizieren und Kooperieren gefördert.