Jetzt, da die kalte Jahreszeit beginnt, erinnern wir uns wieder
daran, dass Wasser mehr ist, als nasser Badespaß und erfrischende
Limo. Wasser, das ist auch Regen, Wolken, Nebel, beschlagene Scheiben,
Schnee und Eisblumen am Fenster. In alter Tradition dieser Rubrik
Etwas anderes will ich wieder
einmal aus naturwissenschaftlicher Sicht über das Wasser reden.
Phasenzustände des Wassers
Ich möchte euch ein paar seltsame Naturerscheinungen vorstellen,
die alle etwas mit den unterschiedlichen Phasenzuständen des
Wassers zu tun haben.
Was sind Phasen? Phasen sind im Allgemeinen Zustandsformen oder
Aggregatszustände von chemischen Stoffen. Da ich im Besonderen
über das Wasser rede, meine ich mit Phasen jetzt die drei Erscheinungsformen,
die Wasser annehmen kann, nämlich:
flüssige Phase= flüssiges Wasser
feste Phase = Eis
gasförmige Phase = Wasserdampf.
Vielleicht habt ihr schon mal gehört, wie der schwedische
Naturforscher Anders Celsius vor knapp dreihundert Jahren
die Temperaturskala festgelegt hat, die wir heute noch benutzen.
Um die Skala festzulegen, hat er sein selbst gebasteltes Quecksilberthermometer
in Eiswasser getaucht und hat dann diese Temperatur, die gerade
den Übergang von eisförmig zu wasserförmig darstellt,
"0 Grad Celsius" getauft. Dann hat er das Wasser solange
erhitzt, bis es gesiedet hat und hat diese Temperatur "100
Grad Celsius" genannt. Bei dieser Temperatur geht das flüssige
Wasser gerade in Wasserdampf über. Seine Experimente hat Herr
Celsius bei einem "normalen" Luftdruck durchgeführt,
jenem Druck, der eben gerade in seinem Labor war.
Mittlerweile wissen wir, dass die Phasenzustände des Wassers
neben der Temperatur auch vom Umgebungsdruck abhängen. Erhöht
sich der Druck, kann zum Beispiel Wasserdampf flüssig werden
oder Eis schmelzen. Ich habe euch ein Phasendiagramm gezeichnet,
das die drei Phasen in Abhängigkeit von der Temperatur und
dem Druck darstellt:
Die farbig gekennzeichneten Flächen im Diagramm zeigen jeweils die Phasen Eis, Wasser und Dampf. Das Diagramm hat zwei Achsen, den Druck in bar, der nach oben hin zunimmt und die Temperatur in Grad Celsius (°C), die nach rechts hin zunimmt. Wenn du mit der Maus auf dem Diagramm herum fährst, siehst du die aktuellen Druck- und Temperaturwerte, die sich im Moment in dem kleinen Versuchstopf auf der rechten Seite einstellen.
Als erstes Experiment kannst du einmal der gestrichelten Linie
mit dem Umgebungsdruck (1 bar) von links folgen. Das Wasser ist
bei Minusgraden erst eisförmig, schmilzt dann ab 0 Grad
Celsius und fängt bei 100 Grad Celsius an, zu verdampfen.
Du kannst den Zustand des Wassers sowohl im Phasendiagramm ablesen,
als auch den Versuchstopf beobachten. Versuche danach einmal den
Weg zurück vom Dampf zum Eis!
Nach dieser
vielleicht etwas komplizierten Vorrede, können wir uns jetzt
von einigen seltsamen Naturerscheinungen beeindrucken lassen.
Atemwolken
Wenn es draußen richtig kalt ist, raucht es immer vor unserm Mund, sobald wir sprechen oder ausatmen. Genauer gesagt, es raucht nicht, sondern es bilden sich kleine Wölkchen aus unserem Atem. Warum?
Die Antwort gibt uns das Phasendiagramm. In unserer Lunge befindet sich ein Gemisch aus Luft und Wasserdampf. Solange es die Körpertemperatur von 37 Grad Celsius hat, ist das Gemisch gasförmig und durchsichtig. Wird die feuchte Luft nun ausgeatmet, sinkt die Temperatur des Gemischs schlagartig und der Dampf wird zu winzigen Wassertröpfchen, die zwischen der ausgeatmeten Luft herum tanzen. So bilden sich kleine Atemwolken, die jetzt nicht mehr durchsichtig, sondern weiß sind. Im Phasendiagramm kann man diesen Effekt beobachten, wenn man von der türkis gezeichneten Gas-Phase nach links zur blauen Wasser-Phase rutscht.
Schlittschuheffekt
Ein frisch zugefrorener See ist spiegelglatt und richtig schön rutschig. Warum wir aber mit den Schlittschuhen so scheinbar reibungslos auf der Eisfläche herum schlittern, hat noch einen anderen Hintergrund. Wir rutschen nämlich gar nicht direkt auf dem Eis, sondern auf einem dünnen Wasserfilm.
Die dünne Kufe des Schlittschuhs drückt auf die Eisoberfläche mit bis zu 50 bar, also einem 50-fachen Umgebungsdruck. Dazu kommt noch ein bisschen Reibungswärme, die die Kufe beim Gleiten über das Eis erzeugt. Es findet also gleichzeitig eine Druck- und eine Temperaturerhöhung auf der Eisoberfläche statt. Im Phasendiagramm können wir sehen, dass es hier zu einem Phasenübergang von der graublau gezeichneten Eis-Phase zu der blauen Wasser-Phase kommt. Die Eisoberfläche wird beim darüber Rutschen kurzfristig flüssig und lässt uns wie auf einem gut geölten Boden dahin gleiten.
Blitzeis
Plötzlich sind alle Straßen und Gehwege mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Die Autos kurven kreuz und quer über die Straße und die Leute krebsen in wackligen Schritten die Hauswände oder die Gartenzäune entlang, als wären sie besoffen. An Fahrradfahren ist überhaupt nicht mehr zu denken. Hier hat offensichtlich das Blitzeis zugeschlagen.
Blitzeis entsteht immer dann, wenn der Boden eiskalt ist, aber die Lufttemperatur über dem Gefrierpunkt liegt. Kommt jetzt ein Regen, dann fällt er nicht als Schnee herunter. Die nassen Tropfen fallen auf den Boden und gefrieren dort schlagartig. Im Phasendiagramm rutschen wir von der flüssigen Wasser-Phase zur Eis-Phase. Manchmal tritt dieser Effekt sogar an Bäumen auf. Dann sehen die Äste aus, als wären sie aus Glas.
Dampfdrucktopf
Im Dampfdrucktopf brauchen Kartoffeln nur 10 Minuten bis sie gar sind und Karotten sogar nur 3. So ein Topf ist eine feine Sache um Zeit und Energie zu sparen. Doch wie funktioniert der Dampfdrucktopf?
Beim Kochen von Wasser oder wasserhaltigen Speisen ist die Temperatur im normalen Kochtopf auf 100 Grad Celsius begrenzt. Bei dieser Temperatur brauchen Kartoffeln etwa 40 Minuten, bis sie gar sind. Wird dem Topf mehr Energie zugeführt, fängt das Wasser an, zu verdampfen. Solange die Speise noch feucht ist, kann sie deshalb nicht heißer als 100 Grad werden. Man sagt, dass sich Wasser und Dampf im Phasengleichgewicht befinden. Auf unserem Diagramm befinden wir uns gerade an der Stelle 1 bar und 100 °C, an der die Phasengrenze zwischen flüssig und gasförmig ist.
Doch jetzt kommt der Dampfdrucktopf ins Spiel. Der Dampfdrucktopf hat einen fest verschließbaren Deckel und ein Dichtungsgummi, die zusammen verhindern, dass aus dem Topf Dampf entweichen kann. Stattdessen baut sich im Topf ein Druck von maximal 2 bar auf, also dem doppelten Umgebungsdruck. Durch ein Überdruckventil wird verhindert, dass der Druck weiter steigt und der Topf womöglich platzt. Bei 2 bar stellt sich jetzt wieder ein Phasengleichgewicht zwischen Wasser und Dampf ein. Die Temperatur beträgt dabei jedoch 120 Grad Celsius, sowohl in der Speise als auch im Dampf. Wir sind im Phasendiagramm auf der Phasengrenze schräg nach oben gerutscht. Diese höhere Temperatur führt dazu, dass die Kartoffeln viel schneller gar werden. Man kann überschlägig sagen, dass sich die Garungsdauer der Speisen mit 20 Grad Temperaturerhöhung auf ein Viertel verkürzt. Nach 10 Minuten müssen wir nur noch den Dampf ablassen und können die Kartoffeln mit Butter und Salz servieren.