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Salon Albert

Winter sind für ausgewachsene Quallen eigentlich tödlich.
Gewöhnlicherweise sterben wir im Winter ab und nur unsere winzigen Polypenkinder überleben. Im Frühjahr teilen sich die Polypen in etwa 20 flache Babyquallen, wachsen im Sommer heran, um Larven zu legen und im Winter wieder abzusterben.
Dieser Lebens-Zyklus ist für eine belesene Qualle wie mich natürlich eine Zumutung! Welchen Sinn soll Bildung machen, wenn sie nur wenige Monate angewendet werden kann? Aus dem Grund habe ich mich in meinem ersten Herbst aus dem lebensfeindlichen Zeitenlauf ausgeklinkt und einen eigenen Rhythmus entworfen: Ich lasse mir in meine Flasche warmes Wasser einlaufen und drehe die Uhren zurück auf Sommer. Kommt dann der Frühling, stelle ich sie schnell wieder um ein paar Monate vor.
Ich gebe zu, dass mein Leben dadurch etwas Künstliches bekommt. Und deshalb versuche ich dieses Jahr den Winter anders zu überlisten als sonst: Ich vernachlässige die biologische Zeit und halte mich nur an mein inneres Zeitbewusstsein, das keinen Winter kennt. Mut zu diesem Schritt hat mir der Dichter Jean Paul gemacht. Denn nach Jean Paul zerspringt die Zeit, wie ein Regenbogen in fallende Tropfen, in vielerlei Zeiten. Zeit bekommt dadurch etwas Relatives, je nachdem welcher Maßstab angewendet wird. Hoffen wir, dass es stimmt, denn sonst wird das heute mein letzter literarischer Salon!

 
 © Rossipotti No. 19, Dez. 2008