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Kulturtasche

 

Interview mit Ina Nefzer, Chefredakteuerin des Geschichten- und Bildermagazins DER BUNTE HUND

Foto: Regina Brocke

Vita

Vita Ina Nefzer wurde 1962 in Stuttgart geboren, studierte in Ludwigsburg, Stuttgart und Frankfurt/M. Germanistik, Kunstgeschichte und Klassische Archäologie. Nach ihrem Studium hatte sie zwei Wünsche: Doktorarbeit schreiben und Kinder bekommen. Beides hat geklappt: Als sie 2002 den Doktor-Titel in der Tasche hatte, war ihre ältere Tochter 7 und die jüngere 4 Jahre alt. Seit 2001 war sie Chefredakteurin der kinder- und jugendliterarischen Fachzeitschrift ESELSOHR, bis 2006 der Beltz Verlag mit einem neuen Traumjob an ihrer Tür klingelte. Sie wird Chefredakteurin der Kinderliteraturzeitschrift DER BUNTE HUND. Ina Nefzer lebt heute wieder zusammen mit ihrem Mann und den Töchtern in Stuttgart.


Kulturtasche: Frau Nefzer, Sie waren bis vor gut einem Jahr Chefredakteurin von ESELSOHR, einer Kinder- und Jugendliteratur-Fachzeitschrift für Erwachsene. Warum haben Sie zum Kindermagazin DER BUNTE HUND gewechselt?

Die Seiten zu wechseln, das hat mich gereizt. Ich habe lange genug - während meines Studiums und als ESELSOHR-Chefredakteurin - über fertige Bücher, gestaltete Bilder und veröffentlichte Literatur geschrieben und von außen den Literaturbetrieb analysiert. Nun bin ich vom Rand in die Mitte gesprungen und kann dort meine Ideen umsetzen. Ich bin z.B. überzeugt, dass Kinder nur lesen, wenn sie das Thema interessiert. Deswegen wählen wir beliebte Themen, die wir dann aber mit neuen, überraschenden Inhalten füllen. Die Mischung macht's: bei uns gibt es sowohl unterhaltsame, spannende, witzige, als auch tiefgehende, originelle und erfinderische Beiträge. Diese Mischung bereitet Kindern Spaß und verwandelt sie in Leseratten. Das ist eine sehr schöne Aufgabe.

Sie haben vom Beltz & Gelberg Verlag den Auftrag bekommen, den BUNTEN HUND umzugestalten. Haben Sie sich ganz alleine ein neues Konzept überlegt oder hat Ihnen dabei jemand geholfen?

DER BUNTE HUND ist Teamwork durch und durch. Ich bin zusammen mit meinen Redaktionsmitarbeiterinnen für das zuständig, was im Heft drinsteckt. Die inhaltliche Konzeption habe ich daher intensiv mitentwickelt. Für die graphische Gestaltung, das Layout, ist die Agentur Groothuis, Lohfert und Consorten zuständig. Wir arbeiten im Verlag eng mit dem Vertrieb, dem Marketing, der Anzeigenabteilung und der Verlagsleiterin Kinder- und Jugendbuch, Petra Albers, zusammen.

Was sind Ihre speziellen Aufgaben als Chefredakteurin beim BUNTEN HUND?

Ich konzipiere die einzelnen Hefte als 72-seitiges Ganzes, nachdem wir innerhalb der Redaktion Ideen ausgetauscht haben. Diesen Plan stelle ich dann vor, anschließend werden die Einzelbeiträge unter uns Redakteurinnen aufgeteilt, als Aufträge an Künstler oder Journalisten vergeben und bis zur Fertigstellung betreut.
Schließlich schicke ich jeden Monat die fertigen Beiträge, die ins Heft kommen - Texte und Bilder - an die Agentur zur Gestaltung. Meine Aufgabe ist es, immer Augen und Ohren offen zu halten, was für den Bunten Hund und seine Leser interessant sein könnte und Kontakte zu Künstlern, Autoren und Journalisten zu knüpfen und zu pflegen.

Dienten Ihnen bei der Konzeptionierung des neuen BUNTEN HUNDS andere Magazine als Vorbilder, und wenn ja, welche?

DER BUNTE HUND ist am Kiosk ein Prototyp, eine solche Kinderliteraturzeitschrift gab es bislang nicht. Daher haben wir auch keine Vorbilder. Wir haben uns natürlich viele andere Kinderzeitschriften angeschaut.
Bei der konzeptionellen Überarbeitung haben wir uns daran orientiert, wie wir und die Schüler, die uns beraten haben, sich eine möglichst ideale Literaturzeitschrift für Kinder im besten Lesealter vorstellen. Die meisten Beiträge sind für Kinder, die sicher und gut lesen können, also für 8-10-Jährige. Wir haben aber auch Beiträge für Leseanfänger drin und Vieles ist auch noch für 11-Jährige interessant.

Der von Hans-Joachim Gelberg seit 1981 herausgegebene alte BUNTE HUND hatte ein großes Renommee und viele Liebhaber. Was war der Grund für den Beltz Verlag, das Heft jetzt zu ändern?

Das Layout der Zeitschrift wurde in den 1980er Jahren entworfen; es ist auch heute noch schön und hat - besonders unter Erwachsenen - sehr viele Fans. Dennoch haben sich Zeitschriften seit dieser Zeit in Layout und Grafik verändert. Dies natürlich besonders unter dem Einfluss der visuellen Medien.
DER BUNTE HUND will eine Zeitschrift für Kinder von heute sein. Für Kinder, die mit Literatur nicht nur über das Buch, sondern auch über andere Medien in Kontakt treten. Dies ist auch einer der Gründe, wieso mehr journalistische Formate im Heft sind wie z.B. ausführliche Berichte über aktuelle Literaturverfilmungen. Dieser Magazincharakter wird auch optisch deutlich.

Hatten Sie bei der Neugestaltung einen großen Freiraum oder mussten
Sie sich den Anforderungen des Verlages sehr anpassen?

Wie gesagt, DER BUNTE HUND ist das Ergebnis intensiver Teamarbeit.

Im Unterschied zum alten BUNTEN HUND erscheint der neue BUNTE HUND nicht nur drei, sondern 10 Mal im Jahr, er ist nicht nur im Buchhandel, sondern jetzt auch am Kiosk erhältlich und das Alter wurde von den früheren 8-14 Jahren auf 7-11 Jahre heruntergesetzt. Was hat sich aus Ihrer Sicht darüber hinaus noch wesentlich geändert, was ist gleich geblieben?

Wir haben das alte Konzept der bunten Mischung beibehalten und um aktuelle, journalistische Formate und einen ausgiebigen Serviceteil mit vielen Tipps ergänzt. Außerdem können unsere Leser jetzt aktiver mitmachen: bei den vielen Mitmach-Rubriken, beim Erzählwettbewerb und Hundelexikon sowie als Kinderreporter. Kinder sind bei uns Experten, deren Meinung gefragt ist. Und es gibt Gewinnspiele und Verlosungen, bei denen man Bücher, CDs und DVDs, Kinogutscheine etc. kostenlos ergattern kann. Ab April haben wir zusätzlich kostenlose Brieffreunde-Anzeigen von Kindern im Heft.

Es fällt auf, dass es kein einheitliches Heft-Design mehr gibt, sondern beinahe jede Seite für sich neu gestaltet ist. Welche Idee steckt hinter diesem Konzept?

Ziel ist ein abwechslungsreiches Magazin mit vielen unterschiedlichen Beiträgen und Rubriken für jede Lebens- und Stimmungslage, das während des Monats immer wieder in die Hand genommen wird.

Sehr schön finde ich, dass nicht nur Bücher/Autoren/Illustratoren aus dem Programm Beltz & Gelberg vorgestellt werden, sondern auch Texte aus anderen Verlagen. Andererseits frage ich mich, wie sich der Beltz & Gelberg Verlag diesen Luxus finanziell leisten kann?

Eine Kinderliteraturzeitschrift macht erst dann Sinn, wenn sie eine Aussicht auf die kinderliterarische Landschaft eröffnet und Lust auf all das macht, was dort Interessantes los ist. Wir wollen Kinder zu mündigen Lesern machen. Wir wollen Ihnen eine literarische und künstlerische Vielfalt zeigen, die sie so noch nicht kennen.

In den ersten drei Heften findet man vor allem bekannte Autoren und Illustratoren wie Paul Maar, Eoin Colfer, Zoran Drvenkar, Isabel Pin, Wilhelm Busch, Ulf K. usw. wieder. Soll DER BUNTE HUND mittelfristig auch eine Plattform für unbekanntere Künstler werden?

Bereits in den ersten Heften sind auch unbekanntere Künstler dabei wie Wiebke Hasselmann, BUNTE HUND-Künstlerinnen wie Miriam Zedelius und Neuentdeckungen wie Jennifer Hübner und Christan Freydank. DER BUNTE HUND steht weiterhin gleichermaßen für Qualität wie für Experimentierfreude.

Wie hoch war die Auflage des alten BUNTEN HUNDS, wie hoch ist die neue Auflage?

Die alte Auflage lag bei 4.000 im Abo, die jetzige beträgt 60.000 im Presse-Grosso-Vertrieb, Buchhandel und Abonnement.

Hat sich mit der viel höheren Auflage auch die Zielgruppe des Magazins geändert? Was ist der Anspruch des neuen BUNTEN HUNDS und was ist das Besondere des Magazins?

Wir wenden uns jetzt definitiv direkt an Kinder. Und wir möchten nicht nur solche Kinder ansprechen, die von zu Hause intensiv unterstützt und gefördert werden, sondern auch interessierte Kinder erreichen, bei denen zu Hause kaum gelesen wird. Das Besondere am Bunten Hund ist seine originelle und anregende Mischung, die Spaß macht, den eigenen Horizont erweitert und für das Erzählen begeistert.

Seit der Neuauflage im November sind bereits drei Hefte erschienen. Wie ist das Feedback in der Presse, den Eltern und bei den Kindern auf das Magazin?

Erfreulich gut. Und die vielen Rückmeldungen der Kinder machen uns echt gute Laune.

Wie gefällt speziell Hans-Joachim und Babara Gelberg, die ja früher für das Heft verantwortlich waren, das Magazin?

Da müssen Sie sie selbst fragen.

Angenommen, die hohe Auflage wird nicht vollständig verkauft: Wie lange ist dann der Atem des BUNTEN HUNDS?

Das wird man sehen.

Das Intro des Hefts wird charmanterweise vom Bunten Hund selbst gesprochen. Wer ist der Bunte Hund?

Das steht für alle zum Nachlesen im Impressum: es wird von Siggi Seuß geschrieben.

Jeder BUNTE HUND hat ein eigenes Schwerpunkt-Thema. Wer überlegt sich das jeweilige Thema?

Ich schlage Themen vor, die ich gemeinsam mit meinem Redaktionsteam ausgewählt habe. Die endgültigen Themen werden mit der Verlagsleitung festgelegt. Themen sind Türöffner, deswegen suchen wir möglichst spannende Themen aus.

Den BUNTEN HUND gibt es auch als Online-Magazin. Welche Rolle spielt der Online-Auftritt im Vergleich zum Printmedium?

Der Online-Auftritt ist im Moment noch klein und soll vorrangig einen ersten Eindruck vom Heft vermitteln. Ausnahmsweise auch für Erwachsene interessant sind die monatlich neuen Buch- und Hörbuch- sowie Kino- und DVD-Empfehlungen. Zudem kann man die Sudokus, das Ausmal- und das Erzählbild downloaden.
Und es gibt jeden Monat neues Bonusmaterial auf der Seite. Im Januar eine weitere Geschichte des Autors Hermann Mensing zum Bild von Katharina Grossmann-Hensel, zudem veranstalten wir gerade eine Verschenk-Aktion mit unseren Drachenbüchern und mit Kinokarten für den Film DIE ROTE ZORA. Im Februar kann man unserer Mangazeichnerin Detta Zimmermann Fragen stellen.

Pfiffig finde ich, den Kindern online eine Hörgeschichte zum Gratis-Downloaden bereit zu stellen. Die Online-Ausgabe bekommt dadurch einen schönen Mehrwert. Warum aber kann die Hörgeschichte nicht einfach auf der Bunten Hund-Seite heruntergeladen werden, sondern muss umständlich - mit Passwort und vorherigem, aus Datenschutzgründen zweifelhaftem Einloggen - auf der ganz anderen Seite hoerstern.de angehört werden?

Es handelt sich beim Gratis-Download um ein Geschenk an unsere Leser, man bekommt ihn nur, wenn man das Heft hat. Der Gratis-Download wird durch eine Kooperation mit dem hoerstern.de-Portal ermöglicht. Das hat deutliche Vorteile: Zum einen kann bei Hörstern die mp3-Datei deutlich schneller downgeloaded werden, als wenn sie auf www.derbuntehund.de steht (was wir im Januar z.B. einmal ausprobiert haben); zudem werden auf www.hoerstern.de die Eltern einbezogen. Das halten wir für sinnvoll. Denn wenn z.B. der Download unverhältnismäßig lange dauert, ohne dass die Eltern davon wissen und sie womöglich keine Flaterate haben, wird es teuer. Das wäre eine Mogelpackung.

Verraten Sie den Lesern von Rossipotti das Passwort für die nächste Februar/März-Ausgabe des Bunten Hunds?

Aber nein: Sie müssen sich doch unbedingt unser erstes, extrastarkes Doppelheft ansehen. Auch wir haben Krimis oder besser gesagt: "Detektive und geheime Ermittler" zum Thema. Mit dabei sind Originalgeschichten von Klaus-Peter Wolf und Alexa Hennig von Lange.

Da Rossipotti ein reines Online-Magazin ist, haben wir selbstverständlich einen kritischen Blick auf die Online-Version des BUNTEN HUNDS geworfen. Leider mussten wir feststellen, dass der BUNTE HUND nicht den Jugendmedienschutzbestimmungen entspricht. Kinder werden beim Online-BUNTEN HUND direkt zum Kaufen von Büchern und Abonnieren des Magazins aufgefordert. Außerdem ist der redaktionelle Teil nicht sichtbar vom Anzeigenteil getrennt. Richtet sich die Online-Ausgabe deshalb eigentlich gar nicht an Kinder, sondern viel mehr an Erwachsene?

Nein, das finden wir nicht. Der Anzeigenbereich ist rechts klar abgegrenzt und benannt. Da eher Eltern, als Kinder sich direkt neue Bücher aufgrund unserer Empfehlungen bestellen, wendet sich die Rubrik "Tipps" klar auch an Erwachsene. Auch anderes, was nur Erwachsene interessiert, findet sich noch auf unsere Homepage, z.B. Angaben zur Konzeption des Bunten Hundes oder Infos zum Lehrer-Abo mit 6 Seiten kostenlosem Lehrermaterial zu jedem Heft.

Sie kennen Rossipotti seit einigen Jahren. Wie gefällt Ihnen das Magazin?

Ganz klare Antwort: gut, denn es kann gar nicht genug Literaturmagazine geben!

Last but not least: Welche Abenteuer erwarten den BUNTEN HUND dieses Jahr?

Es geht um große Themen wie Geld, Indianer und natürlich Fußball.

Liebe Frau Nefzer, wir wünschen Ihnen, Ihrem Team und dem BUNTEN HUND ein spannendes Jahr 2008 und viele Leserinnen und Leser! Herzlichen Dank für das Gespräch!

 

 © Rossipotti No. 17, Februar 2008