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Rossipottis 11 Uhr Termin
Schimpf und Ernst
(Schwanksammlung. Mit 'Schimpf' ist übrigens 'Scherz' gemeint)
Bruder Johannes Pauli (1455-1530)
Es war ein Abenteurer, ein Gaukelmann, der saß an einem Abend spät
vor eines Bauern Haus auf einem Block. Da der Bauer von Feld kam,
sprach er zu ihm: "Guter Gesell, was sitzest du da? Warum gehst
du nicht in ein Haus, damit du nicht da unter dem Himmel die Nacht
sitzen müssest?"
Der Abenteurer sprach: "Lieber guter Freund, ich habe eine Gewohnheit
an mir. Ich bin durch das ganze Dorf gegangen, und niemand will
mich beherbergen. Ich möchte gern die Nacht hier bleiben, morgen
wird es vielleicht besser."
Der Bauer sprach. "Guter Gesell, was ist das für eine Gewohnheit?"
Er sprach: "Ich sage jedermann die Wahrheit, darum will mich niemand
beherbergen."
Der Meister sprach: "Das ist eine gute Gewohnheit" Komm zu mir
herein; du bist mir ein werter Gast, du sollst es so gut haben wir
ich!"
Der Gesell ging mit dem Bauern in das Haus und der Hauswirt sprach:
"Greta, Hausfrau! Back Küchlein und Schnitten, ich habe einen Gast
bekommen!" Wie sie nun aßen und also bei dem Feuer saßen, wie man
in den Dörfern tut, da nahm der gute Geselle alles wahr, wie man
haushielt, und es war niemand in dem Haus als der Bauer, der hatte
eine Blase vor dem Auge hängen, und seine Hausfrau Greta hatte nur
ein Auge und eine Katze, der troff ein Auge.
Als man in dem besten Essen war, da sprach der Bauer: "Lieber guter
Gesell! Du sprichst, du sagst die Wahrheit, sage mir auch eine Wahrheit."
Der Gesell sprach: "Ach lieber Hauswirt, ihr werdet zornig und
böse auf mich!" Der Bauer sprach: "Nein!" Der gute Gesell sprach:
"Du und deine Frau und deine Katze haben alle nicht mehr als drei
Augen!"
Als der Bauer das hörte, was doch die Wahrheit war, erwischte er
eine Ofengabel und jagte den guten Gesellen zum Hause hinaus.
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