Mutig und klug
Kristina Haller (8 Jahre)
Seit
vielen tausend Jahren lag zwischen den Katzen und Mäusen Feindschaft.
Warum, wusste keiner. Aber es war eben so, dass die Katzen Mäuse
fraßen. So um die Jahre 1800 geschah es, dass wahnsinnsschnell hunderte
von Mäusen geboren wurden. Bald litten viele Länder unter Mausübervölkerung.
Die Leute mussten ihre Häuser verlassen und gründeten die Stadt
Maussicher. In Maussicher war alles aus Stein: Häuser, Straßen,
Möbel, Kleider, Mauern und Tore. Hier gab es keine Mäuse, jedenfalls
nicht viele. Ein paar Menschen aber hatten die Mäuse gern und gründeten
deshalb die Stadt Katzensicher. In Katzensicher war alles aus Käse,
denn zu der Zeit mochten Katzen keinen Käse. Die beiden Städte
lagen nun also in Feindschaft.
Da wurde, ungefähr 1857, das Mausemädchen Esmeralda geboren.
Sie war die 101. Nachfolgerin des Mausekönigs Tantola. Ziemlich neugierig
war sie und ihre Lieblingsbeschäftigung war es, auf Abenteuer zu
gehen.
Einmal kam sie an einen Fluss. Über den Fluss führte eine Brücke
und weil sie so neugierig war, huschte sie ohne Zögern hinüber.
Als sie drüben war, sah sie, dass sie sich in einer Gegend befand,
wo nirgends Käse zu sehen war. Ringsherum war nur grünes Gras
zu entdecken und irgendwo, weit in der Ferne, schrie ein Adler. Sie wollte
umkehren, aber als sie sich umschaute, waren Fluss und Brücke verschwunden.
"Hilfe!", wollte sie schreien. Aber dann dachte sie: "Es
ist besser, ich bin ganz still." Und sie setzte sich in ein leer
stehendes Mausloch und war mäuschenstill. Sie wusste nicht, wie lange
sie schon gesessen hatte, als eine schwarze Pfote durch die Lochöffnung
kam und nach ihr griff. Sie schloss die Augen. Als sie wieder erwachte,
lag Esmeralda draußen auf dem Rasen und neben ihr saß ein
schwarzer Kater. "Töte mich nicht!", flüsterte sie
mit erstickter Stimme. "Ich habe nicht die Absicht", beteuerte
der Kater. "Kommst du aus Katzensicher?" "Ja", sagte
Esmeralda. "Wie heißt du?" "Esmeralda", antwortete
sie. Jetzt hatte sie keine Angst mehr. "Wie heißt du denn?"
"Ich heiße Esmer", sagte er. Sie unterhielten sich noch
eine Weile. Da kam ein Adler angeflogen. "Schnell, verkriech dich!",
rief Esmer. Aber die Maus meinte: "Nein, wenn ich jetzt weglaufe,
verfolgt er mich immer weiter. Ich habe von einer Maus gehört, die
sich das Leben gerettet hat, weil sie einfach stehen geblieben ist."
Und sie blieb neben dem Kater sitzen. Doch gerade als sich der große
Vogel auf Esmeralda stürzen wollte, sprang Esmer hoch und zeigte
ihm seine Krallen. Er kämpfte eine halbe Stunde, bis der Adler aufgab
und laut schimpfend davonflog. "Du bist so mutig", sagte Esmeralda.
"Du bist so klug", sagte Esmer. Beide bewunderten sich gegenseitig.
Und als beide von ihren Taten erzählten, die sie schon begangen hatten,
bewunderten sie sich immer mehr. Schließlich wurden sie Freunde.
Das war nun aber sehr schwer für beide, denn ihre Vorfahren waren
ja Feinde. Sie lebten fünfeinhalb Jahre allein in der Steppe, dann
errichteten sie die Stadt Esmo. Jeder durfte in diese Stadt, aber es mussten
immer eine Maus und eine Katze sein, die Freunde waren.
So schlossen Katz und Maus Freundschaft, denn Esmo war sehr schön
und jeder wollte dorthin. Dann aber wurde die Stadt im Krieg zerstört
und das ist der Grund, warum noch heute manche Katzen Mäuse fressen.
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