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Kulturtasche
Was ist...: Die Leipziger Buchmesse
?
Habt ihr mitbekommen, dass Ende März in Leipzig eine Buchmesse
war?
Oder seid ihr sogar selbst dort gewesen und habt euch durch Berge
von Büchern und Comics gewühlt und an verschiedenen Lesungen
teilgenommen?
Oder habt ihr noch nie etwas von einer Buchmesse gehört?
Dann habt ihr wirklich Glück, denn in diesem Fall könnt
ihr hier etwas Neues erfahren!
Rossipotti war nämlich
mit mir, seiner Kulturtasche,
in Leipzig und wir haben uns für euch umgesehen. Wir haben
gefragt, was eine Buchmesse ist. Und ob sie nur für Erwachsene
interessant ist, oder ob es sich auch für euch lohnt, dort
hinzugehen.
Die Buchmesse:
Die
Buchmesse müsst ihr euch vorstellen wie einen riesigen Markt,
auf dem viele hundert Stände nebeneinander und gegenüber
stehen. Alle Stände sind von oben bis unten vollgestopft mit
Büchern. Jeder Stand repräsentiert einen anderen Verlag,
weshalb auch in jedem Stand meistens zwei bis drei Personen vom
jeweiligen Verlag stehen. Die Stände großer Verlage betreuen
meist Leute aus der Presse- und Öffentlichkeitsabteilung, vom
Vertrieb, aus dem Lektorat oder auch Praktikanten. Bei kleinen Verlagen
kommen die Verleger meist selbst.
Neben den Ständen und den Verlagsleuten gibt es noch die Messebesucher.
Sie schieben sich durch die Gänge zwischen den Ständen.
Wenn sie ein Stand interessiert, bleiben sie stehen, schauen sich
die Bücher und das Programm an. Einige Besucher haben selber
etwas anzubieten, ein Manuskript, selbstgemalte Illustrationen oder
ein schon veröffentlichtes Buch, das sie einem Verlag ausleihen
möchten. Diese Besucher kommen vor allem, um mit den Leuten
von den Ständen zu reden. Es gibt aber auch Besucher, die Bücher,
Kalender oder Hörgeschichten kaufen möchten. Buchhändler
oder Verleger zum Beispiel.
In Deutschland gibt es jedes Jahr zwei Buchmessen. Die eine findet
im März in Leipzig, die andere im Oktober in Frankfurt am Main
statt.
Bisher ist es grundsätzlich noch so, dass die Leipziger Buchmesse
in erster Linie eine kleine, aber persönliche Publikumsmesse
ist. Hier finden unter dem Motto "Leipzig liest" viele
Lesungen statt. Da Hörbücher einen immer größeren
Absatz haben, gibt es inzwischen auf der Messe außerdem die
Veranstaltungsreihe "Leipzig hört."
Zwar finden auch in Leipzig Verhandlungen zwischen Verlagen und
Buchhändlern und anderen Verlagen statt, doch in einem viel
geringeren Umfang als bei der Frankfurter Buchmesse. Die Frankfurter
Buchmesse ist nämlich vor allem eine riesige Fach-Messe, auf
der Verlage Verträge mit Verlagen aus aller Welt abschließen.
In den ersten beiden Tage dürfen deshalb nur Fachbesucher,
das sind Verleger, Journalisten, Autoren, Buchhändler, eben
alle, die beruflich mit Büchern zu tun haben, die Messe besuchen.
Erst am Wochenende dürfen auch Hinz und Kunz oder du und ich
auf das Messegelände.
Die Leipziger Buchmesse ist dagegen von Anfang an für das normale
Publikum geöffnet. Seit ein, zwei Jahren will sich auch die
Frankfurter Buchmesse immer mehr dem gewöhnlichen Publikum
öffnen und bietet deshalb verstärkt Lesungen an.
Im Moment ist die Frankfurter Buchmesse für euch aber noch
uninteressant, weshalb wir lieber wieder über die Leipziger
Buchmesse reden.
* * *
Programm für Kinder auf der Leipziger Buchmesse
Was erwartet euch also, wenn ihr auf die Leipziger Buchmesse fahrt?
Zuerst einmal ein helles, lichtes, modernes Gebäude, das zwischen
1992 und 1996 erbaut wurde.
Wenn ihr zum Haupteingang reinkommt, kommt ihr zuerst auf einen
mit einem hohen Glasbogen überspannten breiten Gang, auf dem
ihr zwischen einigen Cafes wie in einer Fußgängerzone
hindurchflanieren könnt.
In diesem Gang, der Glashalle, gibt es auch einen eingegrenzten
Kinderbereich, in dem Eltern ihre kleinen Kinder betreuen lassen
können, während sie sich selbst die Messe ansehen.
Auf Treppen oder mit Rolltreppen könnt ihr dann in die eigentlichen
Messehallen fahren, die links und rechts von der Glashalle liegen.
Gemeinsam
in einer Halle sind alle Stände, die sich mit Kinderliteratur
beschäftigen und finden auch die meisten Veranstaltungen statt,
die für Kinder gedacht sind. Denn hier könnt ihr nicht
nur viele Kinderbuch-Verlage mit ihren unterschiedlichen Programmen
studieren, sondern an anderen Ständen auch Papier bemalen,
bedrucken und zu Büchern binden, euch am Manga-Malwettbewerb
beteiligen oder euch von Anime-Künstlern eure Comics signieren
lassen, Filme ansehen und Hörbücher hören, in der
Schmöker-Ecke euch in Bücher vertiefen und nicht zuletzt
Autoren live bei Lesungen kennen lernen.
Ein paar von den Programmpunkten für Kinder möchte ich
euch jetzt genauer vorstellen:
RadioWerkstatt - Radio Europa:
In Leipzig gibt es wie in einigen anderen deutschen Städten
ein "Freies Radio". Im Unterschied zu kommerziellen oder
öffentlich-rechtlichen Sendern kann sich in einem Freien Radio
jeder beteiligen, der dazu Lust hat. In Leipzig heißt dieses
Radio "Radio Blau". Einmal in der Woche sendet es auf
der Frequenz 97,6 Beiträge von Kinder für Kinder, die
in der RadioWerkstatt produziert wurden.
Auf der Messe bietet die RadioWerkstatt Kindern und Jugendlichen
an, Radiobeiträge von einer Länge zwischen 5 und 15 Minuten
selbst zu produzieren. Die Beiträge werden täglich zwischen
11-13 Uhr im livestream und zwischen 13 und 15 Uhr bei Radio Blau
gesendet.
Das diesjährige Thema war Europa. Wisst ihr woher der Name
kommt?
Richtig, von der asiatischen Königstochter Europa, die der
Gott Zeus in Stiergestalt über das Meer entführt und fern
ihrer Heimat auf einem unbekannten Landstrich abgesetzt hat. Der
Landstrich wurde nach ihr benannt: Europa.
Bleilaus Verlag
Der
Bleilaus Verlag ist ein kleiner Leipziger Verlag, der mit Kindern
Bücher in sehr geringer Auflage (10 bis 100 Stück pro
Werk) herstellt. Die Geschichten und Bilder schreiben und malen
die Kinder selbst. Ein kleines Buch, das außer der Regel schon
mehrmals aufgelegt wurde und somit ein Renner des Verlags ist, heißt
"Pickelface und Co" und ist ein Schimpfwörterbuch.
Darin findet ihr so Wörter wie "du rotzverschmiertes Schleimkrokodil
mit Schlips" oder "du verekelter Gummizahn mit Zahnstein
dran."
Am Bleilaus Messestand könnt ihr unterschiedliche Techniken
wie Linolschnitt oder Styropordruck ausprobieren und Bilder mit
unterschiedlichen Materialien (Druckbuchstaben, Filz, verschiedene
Papiere) und Farben entwerfen.
* * *
Buchbinder-Innung Leipzig
Beim Stand der "Buchbinder-Innung Leipzig" haben wir
zum Glück Imke, eine gute Freundin von Rossipotti, getroffen.
Denn Imke hatte die tolle Idee, euch einen kleinen Kurs im Buchbinden
zu geben. Wenn ihr euch Papier, Faden, Nadel und Stift besorgt,
könnt ihr gleich mit Imke zusammen ein kleines Buch machen:
Hallo!
Ich heiße Imke und bin Illustratorin. Vielleicht kennt ihr
mich schon von der letzten Ausgabe. Denn da habe ich "Das Geburtstagskuchenmonster"
für euch gemalt.
Zuerst zeige ich euch jetzt die Heft-, Faden- oder Rückstichbindung
Die
kannst du selber machen. Dafür brauchst du: Papier, eine große
Nähnadel (Stopfnadel), festen Faden, z.B. Zwirn. Eventuell
noch Karton für die Außenseite des Heftes - und einen
Stift.
Und so geht es:
Die Papierbögen mittig falten und ineinander stecken. Für
die Außenseite kannst du einen festeren Karton verwenden.
Du kannst die Seiten durchnummerieren.
Jetzt nimmst du die Nadel, fädelst das Garn ein und machst
einen Knoten am Ende. Allerdings sollte noch ein Stück Faden
nach dem Knoten übrigbleiben.
Jetzt stichst du von der Heftinnenseite mittig zur Außenseite
durch die Seiten.
Dann stichst du von außen wieder nach innen, etwa 3-5cm neben
der Stelle, an der die Nadel herausgekommen ist, und dann wieder
durch die innere Mitte nach außen.
Das Gleiche machst du jetzt auf der anderen Seite. Die Naht verläuft
in Form einer liegenden Acht (8). Wenn du wieder in der Heftmitte
angekommen bist, verknotest du den restlichen Faden mit dem Ende,
das in der Mitte heraushängt.
Das Heft ist fertig!
Wenn du gleich nochmal eines machen möchtest, kannst du ja
ein anderes Format oder ein andersfarbiges Papier ausprobieren.
Leimbindung oder Klebebindung
Diese Bindung ist etwas für Profis. So werden die Bücher
gemacht, die bei euch im Regal stehen.
Bei dieser Methode werden die Papierbögen nicht geknickt. Sie
werden mit einer Rüttelmaschine "auf Kante" gebracht.
Die aufeinandergelegten Blätter nennt man dann "Buchblock".
Zuerst wird er geradegeschnitten.
Für die weitere Bearbeitung wird er in einer Art Schaubstock
eingeklemmt, und dann an der Seite, an der die Blätter zusammengehalten
werden sollen, dem Buchrücken, angefräst und aufgefächert.
Das
wird gemacht, damit der Leim, der jetzt aufgetragen wird, besser
zwischen die einzelnen Seiten kommt. Auf die leimbetrichene Seite
wird dann ein Streifen Gaze (ein Textilgewebe, das wie eine Mullbinde
aussieht) aufgelegt. Die oben und unten überstehenden Enden
werden abgeschnitten.
Dann trocknet der Leim. Der Buchrücken wird aber noch weiter
bearbeitet. Damit er später stabil und beweglich ist, macht
der Buchbinder die sogenannte "Hülse": Über
die Gaze wird ein Streifen sogenanntes "Natron-Kraftpapier"
gelegt. Wie der Name schon sagt, ist das Natron-Kraft-Papier ein
sehr stabiles Papier. Es hat eine braune Farbe, weil darin viel
braunfärbendes Natron enthalten ist.
Dieses Papier muss nun ein bisschen größer geschnitten
werden als der Buchrücken des Blockes ist. Pro Seite sind es
2-2,5 mm mehr. Das sind die Stellen, an denen der Buchdeckel auf-
und zugeklappt wird. Durch das Papier funktioniert das jetzt ähnlich
wie bei Gelenken.
Bei besonderen Büchern wird manchmal noch ein Stückchen
farbiges Textil unter das Natron-Kraft-Papier geklebt. Das guckt
dann an der Ober- und Unterkante des Buchs heraus und heißt
"Kapitalband". Es ist nur zur Zierde da.
Das
Buch ist aber noch nicht fertig. Es fehlen ja noch die beiden Buchdeckel.
Einen für die Vorder- und einen für die Rückseite.
Dazu wird ein Karton auf die Länge und Breite des Buchblocks
und des Rückens zugeschnitten und aufgeklebt.
Jetzt fehlen nur noch der Einband oder der Bezug. Er kann aus Leder,
Kunstleder, Pergament oder Textil sein.
Das jeweilige Bezugsmaterial wird etwas größer ausgeschnitten
als die Buchdeckel sind, denn es wird an der Innenseite der Buchdeckel
eingeschlagen. Damit es schöner aussieht und auch stabiler
ist, wird darüber nochmals eine Lage Papier geklebt.
Ihr wisst jetzt also, dass ein Buch aus vielen Schichten besteht
- vielleicht sind es sogar noch mehr, und ich habe eine davon vergessen.
Text und Illustrationen des Buchbinder-Kurses
von Imke Staats
* * *
Nominierung des Deutschen Jugendliteratur-Preises
Auf der Leipziger Buchmesse werden in einer einstündigen kleinen
Zeremonie die Nominierungen für den "Deutschen Jugendliteraturpreis"
bekannt gegeben.
Ein halbes Jahr später, auf der Frankfurter Buchmesse wird
dann der endgültige Preis vergeben.
Den "Deutschen Jugendliteraturpreis" vergibt der "Arbeitskreis
für Jugendliteratur".
Er benennt die Kritiker-Jury, die sich in der Regel aus neun Erwachsenen
zusammensetzt. Jedes Jahr sucht die Kritiker-Jury aus mehreren hundert
Titeln (dieses Jahr waren es über 600) 24 beste Bücher
aus.
Seit letztem Jahr gibt es neben der Kritiker-Jury auch eine Jugendjury,
die sich aus sechs Jugendklubs aus ganz Deutschland zusammensetzt.
Die Jugendjury entscheidet völlig unabhängig von der Kritiker-Jury.
Letztes Jahr gab es beispielsweise keine einzige Überschneidung
bei den Nominierungen der unterschiedlichen Jurys. Dieses Jahr nominierten
beide das Buch "Tintenherz" von Cornelia Funke.
Die Erwachsenen- oder Kritiker-Jury nominiert aus den vier Kategorien
Bilderbuch, Kinderbuch, Jugendbuch und Sachbuch jeweils sechs Bücher.
In einer kleine Rede zu jedem Buch begründet die Jury, warum
sie sich für dieses oder jenes Buch entschieden hat.
Dieses Jahr hat sie unter anderem "Jinx" von Margaret
Wild und "Der beste Hund der Welt" von Sharon Creech /
Rotraut Susanne Berner ausgewählt. Unter den besten Sachbüchern
sind außerdem "Christophs Experimente" Christoph
Biemann/ Hildegard Müller und "Die Kinder-Uni" von
Ulrich Janßen / Ulla Steuernagel / Klaus Ensikat.
Die Jugend-Jury wählt aus Kinder- und Jugendbüchern insgesamt
sechs beste Bücher aus.
Dieses Jahr entschieden sie sich für Johanna Freys "Höhenflug
abwärts", Jostein Gaarders "Das Orangenmädchen",
Cornelia Funkes "Tintenherz", Kian Hearns "Das Schwert
in der Stille", Thomas Jeiers "Sie hatten einen Traum"
und Joanne K. Rowlings "Harry Potter un der Orden des Phönix".
Wenn ihr mehr über die Nominierungen und den "Deutschen
Jugendliteraturpreis" wissen wollt, schaut einfach unter http://www.jugendliteratur.org
nach.
* * *
Natürlich gibt es neben diesen vorgestellten Ständen
und Veranstaltungen auch noch andere Attraktionen auf der Buchmesse.
Vor allem könnt ihr hier einigen Autoren begegnen und ihnen
bei einer Lesung oder einem Interview zuhören.
Dieses Jahr waren zum Beispiel Mirjam Pressler (sie bekam den "Deutschen
Bücherpreis" für ihr Gesamtwerk), Martina Dierks,
Jo Hartwig und sogar Janosch da. Aber auch jüngere Autoren
wie Eoin Colfer, Zoran Drvenkar, Andreas Steinhöfel und Hartmut
El Kurdi lasen aus ihren Texten.
* * *
Paul Maar hat übrigens auch schon öfters auf der Leipziger
Buchmesse gelesen. Dieses Jahr war er aber nicht als vorlesender
Autor da, sondern als Teilnehmer der langen ARD-Radionacht, die
ihm Rahmen von "Leipzig hört" stattgefunden hat.
Maar wurde dort interviewt, weil er für "Lippels Traum"
den Preis für das "Hörbuch des Jahres 2003 für
Kinder und Jugendliche" bekommen hat.
Rossipotti
gratuliert ihm dazu ganz herzlich und nimmt gleich die Gelegenheit
wahr, ihm ein paar Fragen zu stellen:
Interview mit Paul Maar, Kinderbuchautor.
Herr Maar, die meisten Kinder kennen Sie wahrscheinlich
von Ihren Sams-Büchern. Dabei haben Sie auch viele andere
Romane und Kurzgeschichten geschrieben und illustriert, außerdem
etliche Theaterstücke, Hörspiele, Musicals und Filmdrehbücher
gemacht. Woher nehmen Sie die vielen Ideen zu den unterschiedlichen
Werken? Wie entsteht ein Buch?
Es gibt kein Rezept, das ich für alle Bücher oder
Theaterstücke anwenden könnte. Mal entsteht ein
Theaterstück am heimischen Schreibtisch, ein andermal
komme ich mit einem Treatment (Anmerkung: Das ist der Grobentwurf
eines Stücks) und einer Figurenbeschreibung zu einem
Kindertheater-Ensemble - meist ist es das Theater Pfütze
aus Nürnberg - und dann entwickle ich zusammen mit dem
Regisseur und den Schauspielern improvisierend die Szenen,
die ich dann allerdings fixiere, damit das Stück eine
einheitliche Sprache hat. Ähnlich ist es bei den Büchern:
Mal fliegt mir morgens zwischen Schlaf-Traum- und Aufwachen
eine Idee zu, die ich dann gleich festhalte, damit sie nicht
beim Frühstück mit der Familie verloren geht. Das
sind meist Ideen zu fantastischen Geschichten. Mal reagiere
ich auf Ereignisse und Konstellationen, Probleme, die ich
um mich her wahrnehme. Ich habe, wenn ich zu schreiben beginne,
eine recht gute Disziplin, setze mich jeden Morgen an den
Arbeitstisch oder gleich an den Computer und versuche, jeden
Tag mindestens 6 Stunden zu schreiben.
Gibt es Autoren und andere Bücher, die Sie bei Ihrer
Arbeit besonders inspirieren?
Während des Schreibprozesses lese ich grundsätzlich
keine Bücher anderer Autoren. Man lässt sich nämlich
- unbewusst - von deren Stil, dem Satzbau etc. beeinflussen,
und das will ich vermeiden.
Inwieweit mischt sich der Verlag bei der Entstehung Ihrer
Bücher ein? Gibt es sonst jemand, der bei der Produktion
Ihrer Bücher beteiligt ist und sie beeinflusst?
Während ich schreibe, bin ich mimosenhaft empfindlich,
was Kritik anbelangt. Ich lasse niemanden in mein Manuskript
blicken. Habe ich "ENDE" unter die letzte Zeile
geschrieben, bin ich gierig nach Kritik, auch wenn sie noch
so hart ausfällt. Ich habe etwa mit meinem Sohn Michael
ausgemacht, dass er meine Texte liest, bevor ich sie dem Verlag
zuschicke, und dass er in seiner Kritik nie vorsichtig oder
gar schonend sein soll. Auch meine Frau liest das Manuskript
und macht Anmerkungen dazu. Ich bin dann sehr offen für
Hinweise. Auf eine Kritik meiner Tochter Anne hin habe ich
etwa das ganze erste Kapitel von "Sams in Gefahr"
in den Papierkorb geworfen und neu und anders geschrieben.
Sie fand das Sams zu "wehleidig" und merkte an,
das Sams dürfe - auch in der Gefangenschaft bei Herrn
Daume - nie als "Opfer" wirken. Das leuchtete mir
sofort ein.
Was den Verlag anbelangt: Da lässt man mir völlig
freie Hand, was die Auswahl meiner Themen und Texte anbelangt.
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Vita
Paul Maar wurde 1937 in Schweinfurt
geboren, studierte in Stuttgart Kunstgeschichte und Malerei
und war danach ein paar Jahre Kunstlehrer. Schon bald hängte
er aber seinen Job an den Nagel und verdiente sein Geld nur
noch mit dem Schreiben. Sein erster Kinderbuch-Roman "Der
tätowierte Hund", der erstmals 1968 bei Oetinger
erschien, wurde gleich für den "Deutschen Jugendbuchpreis"
nominiert, dem heutigen "Deutschen Jugendliteraturpreis".
1973 erfand er mit dem "Sams" ein witzig-freches
Wesen, das Kindern inzwischen sicher so bekannt ist wie Pippi
Langstrumpf.
Seither schreibt, malt, übersetzt,
liest Paul Maar für Kinder und für Erwachsene.
Er wohnt mit seiner Frau Nele in Bamberg, hat drei erwachsene
Kinder und zwei Enkel.
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Machen Sie lieber Hörspiele, Theaterstücke, Filme
oder Bücher?
Es ist der Spaß an der Abwechslung, der mich dazu bringt,
immer wieder neue Formen, andere Medien auszuprobieren. Ich habe
mal gesagt: Würde man mich zwingen wollen, etwa fünf Erstlesebücher
hintereinander zu verfassen, würde ich den Beruf wechseln und
vielleicht nur noch malen.
In letzter Zeit lassen Sie Ihre Bücher häufig von
Ihren Kollegen illustrieren. Warum?
Als junger Autor hatte ich das Gefühl, nur ich allein könne
wissen, wie die von mir erfundenen Figuren aussehen und könne
sie zeichnen. Inzwischen kann ich loslassen, und bin immer sehr
gespannt, wie eine Illustratoren-Kollegin oder ein Kollege meine
Geschichten sieht, was sie/er wichtig findet, welche Szenen sie
durch ein Bild hervorhebt. Das ist zuweilen richtig überraschend
und zeigt mir verborgenen Aspekte in meinen Geschichten, die eher
unbewusst hineingeraten sind.
Obwohl Sie durch die sehr bekannten Sams-Bücher und den
"Tätowierten Hund" oft für einen Autor gehalten
werden, der fantastische Bücher schreibt, haben Sie auch viele
realistische Geschichten geschrieben. Auch in Ihrem kürzlich
erschienenen Buch "Große Schwester, fremder Bruder"
haben Sie mehrere realistische Geschichten über verschiedene
Kinder locker miteinander verknüpft. Ihnen selbst gefallen
von Ihren eigenen Büchern besonders die beiden realistisch
geschriebenen Bücher "Lippels Traum" und "Kartoffelkäferzeiten".
Gefallen Ihnen realistische Geschichten besser als fantastische?
Durch den großen, verdienten Erfolg der Harry-Potter-Bücher
sehen sich viele Autoren, besonders die jungen, veranlasst, nun
auch ein Buch über Zauberer, Hexen, Magier, Zauberschulen und
magische Bahnsteige zu schreiben. Die Frühjahrsvorschauen der
Kinderbuchverlage sind voll davon. Das hat den Widerspruchsgeist
in mir geweckt, ich wollte der Kinderliteratur nicht noch eine weitere
fantastische Geschichte bescheren, habe mich auf die andere Seite
meines Schreibens besonnen und mit "Große Schwester,
fremder Bruder" versucht, realistisch gezeichnete Kinder in
realistischen Milieus zu zeigen, auch einen Querschnitt durch die
Familienstrukturen, mit kalten, unsensiblen und verständnisvollen
Vätern, mit alleinerziehenden Eltern, depressiven Müttern,
kranken Großvätern etc.
Sie sind bekannt dafür, dass Sie alle Post, die Sie von
Kindern geschickt bekommen, beantworten. Stimmt das?
Ja.
Der Hund Jenny aus Maurice Sendaks Buch "Higgelti Piggelti
Pop!" zieht in die Welt aus mit den Worten: "Es muss im
Leben mehr als alles geben." Herr Maar, nachdem Sie eigentlich
alle literarische Formen und Medien ausgeschöpft und unzählige
Preise erhalten haben, kann man wohl sagen, dass Sie alles haben.
Was ist für Sie heute "mehr"? Und wohin soll die
Reise gehen?
In letzter Zeit fasziniert mich der Film immer mehr und dessen
Möglichkeit, Geschichten durch Bilder zu erzählen. Ich
arbeite gerade an einem Drehbuch, das nur für den Film geschrieben
wird, zu dem es also keine Kinderbuchvorlage wie bei den beiden
Sams-Filmen gibt.
Lieber Paul Maar, wir bedanken uns für das Gespräch
und wünschen Ihnen für "das Mehr" alles Gute!
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