Kapitel 1 von Rossipotti
Das Gesicht hinter der Scheibe
Wieder stand das bleiche Mädchen hinter dem Fenster und starrte mit traurigen Augen nach draußen.
Seit Samuel in die neue Schule ging und seither immer auf seinem Nachhauseweg an der alten, abseits gelegenen Villa vorbei kam, hatte er jedes Mal das Mädchen an der Scheibe gesehen. Stocksteif und ohne jede Regung stand sie da und schien ins Leere zu starren. Anfangs hatte er geglaubt, sie sei eine Schaufensterpuppe. Aber dann hatte er einmal gesehen, wie sie ganz leicht die Hand hob und ihm zu winken schien. Er hatte zurück gewunken, aber das Mädchen hatte damals und auch danach keine weitere Reaktion mehr gezeigt.
Samuel mochte das Mädchen. Nicht wie man eine Freundin mag, sondern eher wie ein Geheimnis. Er erzählte niemand von dem seltsamen Mädchen, und so konnte er auch niemanden fragen, ob jemand vielleicht das Mädchen kannte und wusste, warum es immer in diesem Zimmer hinter dem Fenster stand und niemals nach draußen zu kommen schien.
Samuel hatte sich schon viele Gedanken dazu gemacht. Der wahrscheinlichste war, dass das Mädchen krank war und deshalb nicht raus durfte. Wahrscheinlich hatte sie einen Privatlehrer und fristete ein trostloses, einsames Leben in der Villa. Möglich war auch, dass das Mädchen von zu Hause ausgerissen war und sich in der Villa versteckt hielt. Für diese Variante sprach, dass Samuel noch nie die Eltern des Mädchens und auch sonst noch niemanden gesehen hatte, der in der Villa ein- oder ausgegangen wäre. Dagegen sprach allerdings, dass das Mädchen sich für jeden sichtbar ans Fenster stellte und sich insofern nicht wirklich versteckte.
Samuels liebster Erklärungsversuch war, dass das Mädchen ein Vampir war, das nur nachts nach draußen durfte. Ein echtes Vampir zu sehen und zu kennen, wäre wirklich großartig und würde sein eher unspannendes Leben deutlich aufregender machen!
Samuel hatte sich deshalb schon mehrmals überlegt, ob er nicht auch einmal nachts hier vorbei schauen sollte? Aber leider traute er sich das nicht. Die Villa sah schon bei Tag ziemlich herunter gekommen aus. Wie düster würde sie dann erst nachts erscheinen?
Außerdem stand die Villa so abseits, dass ihn niemand hören würde, wäre das Mädchen tatsächlich ein Vampir oder irgendein anderes Monster!
Samuel drückte den kleinen Kiesel in seiner Hand und überlegte sich, ob er den Stein gegen die Scheibe werfen sollte? Was, wenn die Scheibe kaputt ging und er womöglich das Mädchen verletzte?
Andererseits reizte es ihn sehr, nach so vielen ereignislosen Tagen, endlich wieder eine Reaktion des Mädchens zu provozieren!
Ohne länger nachzudenken holte er deshalb mit dem Arm aus und schleuderte den Stein gegen die Scheibe! Plinng! Getroffen, aber glücklicherweise nichts zerbrochen!
Doch, was war das?
Mit Entsetzen starrte Samuel zum Fenster! ‚Hilfe’, pochte es in seinem Kopf ‚fliehe, so lange du kannst!’ Doch aus irgendeinem Grund konnte er sich nicht losreißen!
„Was ist denn mit dir los?“ fragte eine unbekümmerte Stimme hinter ihm.
Samuel drehte sich um und sah Maude, eine Klassenkameradin von ihm. Was machte Maude denn hier? Das war doch gar nicht ihre Richtung? Kannte Maude womöglich das Mädchen? Und falls ja, wusste sie dann, was er wusste? Oder gehörte Maude zu dem Mädchen?
Samuel wurde es schwarz vor den Augen. Dann kippte er um.
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Kapitel 2 von Kathi
Eine spannende Erkenntnis!
Samuel wurde von einer heftigen Ohrfeige geweckt. Langsam öffnete er die Augen und schaute sich verwirrt um. Neben ihm kniete Maude und wollte gerade zu einer zweiten Ohrfeige ausholen, als sie bemerkte das er wach war. Kannst du aufstehen?, fragte sie besorgt und hielt ihm die Hand hin. Samuel ergriff sie und rappelte sich hoch. Allmählich kamen die Bilder von vorhin wieder zurück. Schnell drehte er sich um, doch das Mädchen stand wieder unbeweglich am Fenster. Samuel dankte Maude und musterte sie. Nein, die kann nichts mit diesem komischen Mädchen zu tun haben, das glaube ich nicht!, dachte er. Doch sicherheitshalber fragte er: Was hast du hier eigentlich zu suchen? Warum sollte ich nicht hier sein dürfen?, entgegnete Maude ihm schnippisch. Ich mein ja nur, murmelte samuel und hob beschwichtigend die Hände. Doch Maude drehte sich hochnäsig um und stolzierte davon. Samuel seufzte, schaute noch einmal zu dem blassen Mädchen und ging nach Hause. In seinem Zimmer dachte er nochmal über die Sache nach. Er war sich gar nicht mehr so sicher ob er es wirklich wusste. Es kam ihm ziemlich abartig vor. Nach einer halben Stunde nachdenken kam er zu der Schlussfolgerung das er gar nichts wusste, sondern das Mädchen ihm nur einen Streich gespielt hatte. Komisch war nur das sie es so unbemerkt hingekriegt hatte. Er hatte doch die ganze Zeit zu ihr geschaut. Aber trotzdem muss das Mädchen sich unbemerkt Kontaktlinsen in die Augen gesteckt haben. Und das Vampirgebiss hatte sie wahrscheinlich schon vorher drin gehabt. Samuel spürte das das Mädchen auf ihn sauer war, doch er wusste auch das sie einsam war. Woher konnte er nicht sagen. Er sah die ganze Szene nochmal vor sich: Wie er den Stein gegen das Fenster geworfen hatte und das Mädchen blutrote Augen gekriegt hatte und ihren Mund aufrieß das die messerspitzen Zähne zum Vorschein kamen. Sie wollte etwas rufen, dachte Samuel. Doch dann legte er sich ins Bett (es war schon zehn Uhr) und schlief ein. Er träumte nochmal von der Begegnung doch diesmal war sie anders: Das Mädchen rief wirklich was:HILFE! Schweißgebadet wachte Samuel auf und konnte nurnoch eins denken: Das komische Mädchen war doch eine Vampirin und sie brauchte Samuels Hilfe!
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Kapitel 3 von Max
Samuel braucht einen Freund
Ein merkwürdiger Schauer ging über seinen Rücken. Dass das Mädchen seine Hilfe brauchte, machte ihn seltsam glücklich. Sein Leben plätscherte so vor sich hin und während er in Büchern so viel spannendes passierte und die Helden immer vielen Dinge tun mussten, konnte er sich gerade mal freuen, wenn er beim Fußball ein Tor schoss oder in der Mathearbeit eine 1 schrieb.
Andererseits hatte er jetzt wegen seines Traums ziemlich Angst. Wie sollte er dem Mädchen helfen? Und wenn sie wirklich ein Vampir war, war es dann für ihn nicht viel zu gefährlich? War es dann nicht doch besser, weiter ruhig Fußball zu spielen und so zu tun, als ob es das Mädchen gar nicht gäbe?
Samuel stand auf und starrte durch das Fenster in die Nacht. Bei dem Gedanken alleine in die Dunkelheit zu gehen, und nach dem Mädchen zu sehen, zitterten ihm schon die Knie. Mit einem Schlag war Samuel klar, dass er niemals alleine dem Mädchen helfen konnte. Er braucht jemandem, der ihm dabei half. Aber wer konnte das sein? Wer war so vertrauenswürdig, dass er ihm erstens glaubte - und ihn nicht auslachte, wenn er ihm von dem Mädchen erzählte und zweitens keine Angst hatte, zu helfen?
Jemand, der an Vampire glaubte, musste selbst nicht ganz dicht sein ... Und da fiel Samuel plötzlich ein, wer ihm helfen konnte: Trigger, der Landstreicher! Er würde keine Angst haben, in ein Haus einzubrechen, und er war absonderlich genug, an Vampire zu glauben. Außerdem war er verschwiegen wie ein Grab, oder auf alle Fälle sehr schweigsam. Die einzige Frage war, ob er Grund sah, Samuel zu helfen. Denn war er nicht Landstreicher geworden, um jede Verantwortung los zu sein? Aber Trigger war die einzige Person, die Samuel kannte, bei der er sich überhaupt vorstellen konnte, dass sie ihm half. Gleich morgen würde er ihn fragen!
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