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Rossipottis Leibspeise
und andere Lieblingsbücher
Rossipottis Leibspeise
Lieblingsbuch
vorgestellt von Helma Hörath
* * *
affenheiß und schweinekalt: Die Überlebenstricks der
Tiere
"Da bist du ja endlich", sagt Rossipotti, als ich die
Tür zur Bibliothek aufmache. "Ich muss unbedingt mit dir
reden. Bestimmt weißt du, um was es geht?"
Ich schüttle den Kopf. Ich habe keinen blassen Schimmer.
"Hier!" sagt Rossipotti und zeigt auf ein Blatt auf meinem
Schreibtisch. "Dieser herzliche Brief ans 'Ministerium für
Inneres'! Den hast doch wohl du geschrieben?"
Mir wird es abwechselnd heiß und kalt! Seit wann kramt Rossipotti
in meinen persönlichen Papieren?
"Du wunderst dich sicher, seit wann ich in deinen persönlichen
Papieren krame?" fragt Rossipotti.
"Allerdings", sage ich und fasse mich wieder. "Wie
kommst du dazu?!"
"Du schämst dich also nicht?" fragt Rossipotti und
verdreht damit völlig den Sachverhalt. "Erstens hast du
dich mit dem Schreiben total lächerlich gemacht und zweitens
hätte ich dir nie zugetraut, dass du hinter meinem Rücken
intrigierst und uns alle denunzierst!"
"Wofür soll ich mich schämen?" verteidige ich
mich, laufe aber zu meinem Unglück trotzdem puterrot an. "Dafür,
dass du uns alle explodieren lässt und Pudding Wackel und die
Qualle Albert mich an einen Bratspieß hängen? Es war
eindeutig Gefahr im Verzug!"
"Dass ich nicht lache", sagt Rossipotti. "Wenn wir
alle längst tot sind, warum können wir dann hier jetzt
gesund und munter zusammen sitzen?"
"Weil alles nur ein dummer, simulierter Spaß war!"
krächze ich, als hätte ich eine meiner eigenen Gräten
im Hals.
"Genau!" sagt Rossipotti. "Weil alles nur ein simulierter
Spaß war, um das Thema unserer Ausgabe besser zu veranschaulichen."
"Vor allem auf meine Kosten!" sage ich. "Das ist
einfach geschmacklos."
"Ich dachte, du wärst ein Fisch?" sagt Rossipotti.
Ich sehe ihn misstrauisch an. Was soll diese Frage?
"Und Fische sind wie wir Krokodile Kaltblüter!"
fährt Rossipotti fort. "Dann erwarte ich von dir auch
ein kaltblüterisches Verhalten!"
"Was soll das denn sein, ein kaltblüterisches Verhalten?"
frage ich schnippisch.
Ich weiß zwar, dass wir Kaltblüter im Vergleich zu Warmblütern
unsere Körpertemperatur nicht selbst regulieren können.
Bei Hitze werden wir deshalb heiß und bei Kälte kalt.
Aber was das mit Rossipotti und dem Brief zu tun haben soll, verstehe
ich nicht.
"Ein kaltblüterisches Verhalten ist eben kein warmblüterisches",
erklärt Rossipotti. "Warmblüter wie Vögel, Säugetiere
und Menschen sind totale Weichlinge! Sie können Kälte
nicht vertragen, sie können Hitze nicht vertragen, sie brauchen
dauernd etwas zu essen und zu trinken und ein paar Minuten ohne
Luft und das war's."
"Na und?" sage ich und weiß immer noch nicht, worauf
dieses unfruchtbare Gespräch hinauslaufen soll. "Das hat
dich bisher doch auch nicht interessiert!"
"Stimmt!" gibt Rossipotti unverblümt zu. "Aber
bevor ich mir von dir weiter anhören muss, dass ich dein sensibles,
weiches Gemüt beschädigt haben soll, muss ich dich daran
erinnern, dass du von Natur aus gar kein weiches Gemüt hast!
Bei entsprechenden Außentemperaturen kühlst du sogar
zum Eiszapfen ab! Überlass das Jammern, Intrigieren und Denunzieren
also den verweichlichten Menschen und sei wieder der ernstzunehmende
Gesprächspartner, den ich kenne!"
Ich räuspere mich.
Hat Rossipotti da gerade gesagt, dass ich ein ernstzunehmender
Gesprächspartner bin? Nicht schlecht! Vielleicht sollte
ich tatsächlich nicht länger die beleidigte Leberwurst
spielen?
"Dann können wir jetzt ja das Buch 'affenheiß und
schweinekalt' weiter vorstellen?" sagt Rossipotti.
"Was heißt hier 'weiter'? " frage ich verwundert.
"Wir haben doch noch gar nicht damit angefangen!"
"Aber natürlich!" meint Rossipotti. "Das mit
den verweichlichten Menschen und Säugetieren kommt doch nicht
von mir, sondern steht so beinahe wörtlich in dem Buch 'affenheiß
und schweinekalt'."
"Stimmt!" erinnere ich mich wieder. "In dem Buch
schneiden wir Kaltblüter wirklich ganz gut ab. Erinnerst du
dich noch an den Satz 'Überall auf der Welt gibt es Tiere und
Pflanzen, die Lebensbedingungen klasse finden, die einen Menschen
schneller umbringen würden, als du 'Sargnagel' sagen kannst'?
Ich liebe diesen Satz! Er ist so wahr und eingängig."
Rossipotti grunzt zustimmend.
"Und ist es nicht unglaublich", schwärme ich weiter,
"dass die ebenfalls kaltblütigen Insekten und Spinnen
es ewig lange ohne Essen und Trinken aushalten können? Bei
einer Spinne hat man sogar beobachtet, dass sie 18 Monate ohne Nahrung
auskommen konnte!"
"Je kleiner umso zäher", stellt Rossipotti fest.
"Wie zum Beispiel diese wärmeliebenden Bakterien, die
in Vulkanen leben und sich von giftigen Chemikalien ernähren."
"A propos Chemiekalie", sage ich. "Ich habe in dem
Buch auch gelesen, dass das Pippi von Krokodilen in heißen
Tagen fast kein Wasser enthält. Aus was besteht euer Pippi
denn dann?"
"Äh", macht Rossipotti und sagt dann völlig
aus dem Zusammenhang gerissen: "Manche Warmblüter sind
überhaupt nicht so weichlich wie ihr Ruf. Die Kaiserpinguine
vom Südpol halten zum Beispiel im Winter eine Temperatur von
bis zu - 88 Grad Celsius aus!"
"Und das trotz ihrer dünnen Vogelfüße!"
"Und der schlimmen Winterstürme!"
"Und der Eier, die sie komischerweise auf den Winter hin ausbrüten!"
"Kaiserpinguine sind einfach spitze! Und sie sind die Gewinner
der winterhärtesten Säugetiere!" sagt Rossipotti.
"Gibt's sonst noch was?"
"Ja", sage ich, "dass das Buch mit witzigen, comicartigen
Zeichnungen zeitgemäß illustriert, frech und erfrischend
unpädagogisch erzählt ist und von vorne bis hinten Spaß
macht zu lesen!"
Nicola Davies (Text) und Neal Layton (Illustration):
affenheiß und schweinekalt. Die Überlebenstricks der
Tiere. Sauerländer bei Patmos. Düsseldorf 2007.
* * *
Am Südpol, denkt man, ist es heiß
"Kaiserpinguine sind übrigens nicht nur die kälteresistentesten
Säugetiere, sondern auch noch sehr musikalisch!" sagt
Rossipotti überzeugt.
"Woher weißt du das?"
"Von Elke Heidenreich", sagt Rossipotti. "Als ich
vor ein paar Jahren noch im Amazonas lebte, hat sie mich einmal
angerufen und gesagt: 'Du, ich verrate dir ein Geheimnis, wenn du
mir zwei Fragen richtig beantworten kannst. Erstens: Ist es am Südpol
heiß oder kalt?' 'Kalt natürlich', habe ich geantwortet.
'Richtig. Und zweitens: Wer lebt dort? Die Eisbären oder die
Pinguine?' 'Die Kaiserpinguine', habe ich ohne mit der Wimper zu
zucken gesagt. Bei Pinguinen kenne ich mich ganz gut aus. 'Richtig!'
hat Elke Heidenreich gejauchzt und mir dann aufgeregt erzählt,
dass sie herausbekommen habe, dass sich die Kaiserpinguine einmal
im Jahr in Schale werfen würden, um die drei Tenöre singen
zu hören!"
"Und deshalb sollen sie musikalisch sein?" frage ich
skeptisch. "Vielleicht sind sie auch nur eitel?"
"Ach was!" sagt Rossipotti. "Aus Eitelkeit würden
sie sich in der antarktischen Kälte nicht stundenlang anstellen,
um an ein paar Opernkarten zu kommen! Um auf das Opernschiff der
Tenöre zu gelangen, schwimmen sie sogar durch's Eismeer! Und
als Violetta in der Oper 'La Traviata' in den Armen ihres Geliebten
Alfredos stirbt, weinen die Pinguine heiße Tränen. Ist
das nicht Beweis ihrer Musikalität genug?"
"Und woher weiß Elke Heidenreich das alles so genau?"
"Von Quint Buchholz", antwortet Rossipotti. "Er
hat von den Pinguinen, dem Opernschiff und den Tenören phantastisch
realistische Bilder gemalt."
"Und woher weiß Quint Buchholz von den Pinguinen und
dem Opernschiff?" bohre ich weiter.
"Von Elke Heidenreich!"
"Ach so!" sage ich, weil bei mir endlich der Groschen
gefallen ist. "Dann haben die beiden die Geschichte nur erfunden?
Mir kam das mit den drei Tenören gleich komisch vor. Die gibt's
doch gar nicht mehr!"
"Aber sie hat es gegeben", sagt Rossipotti. "Und
wenn du mir zwei Fragen beantworten kannst, verrate ich dir jetzt
sogar auch ein Geheimnis!"
Ich sehe Rossipotti gespannt an.
"Erstens: Reimt sich die Geschichte von Elke Heidenreich oder
nicht?"
Ich tippe auf gereimt.
"Richtig!" sagt Rossipotti. "Und zweitens: Sind
die Illustrationen von Quint Buchholz schwarz-weiß oder farbig?"
"Farbig. Wie grobkörnig entwickelte Farbfotos",
sage ich ohne mit der Wimper zu zucken. Mit Quint Buchholz kenne
ich mich ganz gut aus.
"Wieder richtig!" jauchzt Rossipotti und grunzt mir dann
leise das Geheimnis ins Ohr: "Seit das Opernschiff mit den
drei Tenören nicht mehr zum Südpol fährt, haben die
Pinguine ein eigenes Orchester mit Neuer Musik gegründet. Und
weißt du, wer einmal jährlich hinfährt, um sich
diese eigenartige, aber bezaubernde Eis-Musik anzuhören? Elke
Heidenreich und Quint Buchholz!"
Elke Heidenreich (Text)/ Quint Buchholz (Illustrationen):
Am Südpol denkt man, ist es heiß. Carl Hanser Verlag.
München Wien 1998.
* * *
Drachenglut
"Bei den ganzen Pinguin-Geschichten sinkt meine Körpertemperatur
bald unter den Gefrierpunkt", sage ich. "Stellen wir jetzt
nicht besser eine heiße Geschichte vor?"
Rossipotti sagt nichts. Aber sein Kopf dreht sich langsam, ganz
langsam in meine Richtung und nickt kaum wahrnehmbar. Offensichtlich
hat er im Gegensatz zu mir jetzt schon Probleme, seine erstarrten
Glieder zu bewegen.
"Wie wäre es mit einer Drachengeschichte?" schlage
ich vor. "Erstens ist dieses Genre zur Zeit sehr beliebt und
außerdem wird uns der heiße Drachenatem wieder etwas
aufwärmen."
Rossipotti versucht das Maul aufzureißen. Aber nichts zu
machen, alles vereist.
"Ich habe erst neulich 'Drachenglut' von dem Bestseller-Autor
Jonathan Stroud gelesen", sage ich, "in dem Buch kommen
so viel heiße Begriffe vor, dass dir gar nichts anderes übrig
bleibt, als aufzutauen."
Rossipotti sieht mich interessiert an.
"Schon auf der ersten Seite im ersten Kapitel steht zwei Mal
Sonne, zwei Mal Flamme, brannte und Asche."
Rossipotti zieht eine schiefe Grimasse. Seine Muskeln scheinen
sich bereits aufzuwärmen.
"Und auf der zweiten Seite geht es munter so weiter",
fahre ich fort und lese eine Stelle aus dem Buch vor: "'Zünglein
züngelten und tranken von dem brennenden Gedanken, während
die Kleider des Jungen an den Rändern schwelten und sein Gesicht
erblasste.'"
Rossipotti hebt langsam seine rechte Pranke, was ich als Ermunterung
deute, ihn weiter mit heißen Worten zu füttern: "Überall
herrschte Röte. Alles um ihn herum brannte - die Bäume,
die Felsen, die Erde, der Himmel. Obwohl seine Augen fest geschlossen
waren, setzte die Hitze der lodernden Welt auch sie in Brand. Aber
als er fürchtete, dass bald sein ganzes Gesicht verbrennen
könnte, ließ die schreckliche Hitze nach, und er öffnete
die Augen. Er sah einen Himmel, an dem ein wilder Sonnenuntergang
wütete, der die ganze Welt in Brand zu stecken schien."
Erfreut sehe ich, dass Rossipotti wieder fast ganz aufgewärmt
ist. Sein Schwanz zuckt und offensichtlich bekommt er auch schon
wieder sein Maul auf.
"Und sonst?" fragt er gedehnt.
"Sonst?"
"Gibt es in dem Buch außer brennen, Flammen,
Hitze und Sonne auch noch etwas anderes?"
"Natürlich!" sage ich schnell. "Es gibt das
Geräusch von geschmolzenem Gold, den Geschmack von geschmiedetem
Eisen, es gibt aber auch Sonnenstiche, Fieberschübe,
Schweißausbrüche, Feuersbrünste, Brandwunden,
einfach alles, was dein Herz begehrt!"
"Alles, was mein Herz begehrt?" fragt Rossipotti und
sieht mich gefährlich an. "Mein Herz begehrt
keine Wortwiederholungen, sondern Inhalt! Oder hat das Feuer die
Substanz des Buchs gleich mit verbrannt?"
Beinahe bereue ich es, dass ich Rossipotti mit meinen Worten aufgetaut
habe!
Aber da ich weiß, dass das Buch durchaus einen Inhalt hat,
lasse ich mich von Rossipottis hitzigem Geschwätz nicht aus
der Ruhe bringen:
"Natürlich hat das Buch einen Inhalt! In der Nähe
eines englischen Dorfs schläft unter einem Hügel seit
über tausend Jahre ein teuflischer Drache. Immer wieder entsteigen
dem Hügel giftige Blasen, die einzelne Dorfbewohner einlullen
und dem Drachen untertan machen. Gemeinsam wollen diese fremdgesteuerten
Dorfbewohner den Drachen befreien. Als der neue Dorfpfarrer eines
Tages ein Holzkreuz nahe der Kirche ausgraben lässt, ist der
Bann des Drachens gebrochen und der große Tag seiner Befreiung
rückt gefährlich nahe ..."
"Wann wurde das Buch denn geschrieben?" unterbricht Rossipotti.
"Das hört sich ja nach einer uralten Geschichte an. Wer
interessiert sich heute denn noch für Dorfpfarrer und Holzkreuze?"
"Pah!" sage ich und fange an, mich über Rossipotti
zu ärgern. "Das Buch ist brandneu! Außerdem soll
das gar keine historische Geschichte sein, sondern ein Fantasy-Roman.
In Fantasy-Romanen geht es häufig etwas altertümlich zu."
"Ein Punkt für dich", sagt Rossipotti gnädig.
"Erzähl weiter."
"Eine der giftigen Blasen hüllt den Jungen Michael und
einen Tag später auch seinen Bruder Stephen ein. Beide bekommen
wie die anderen Drachenmenschen den Blick mit dem sie in
die Seele anderer Menschen sehen können. Außerdem hat
der Drache ihnen auch die Gaben, anderer Leute Gedanken lesen zu
können, mitgegeben. Doch während Stephen die Gaben nur
einsetzen will, um die Dorfbewohner vor der Gefahr zu beschützen,
verschreibt sich sein jüngerer Bruder den anderen drachengesteuerten
Dorfbewohnern und dem Bösen."
"Welchem Bösen?"
"Dem bösen Drachen natürlich", sage ich ungeduldig
und wundere mich über Rossipottis Begriffsstutzigkeit.
"Sicher", sagt Rossipotti. "Aber warum ist der Drache
böse?"
"Das steht in dem Buch nicht so genau. Er ist eben böse
und er will nur Böses."
"Und warum sind die Dorfbewohner mit dem Blick und den Gaben
böse?"
"Weil sie unsterblich werden wollen!"
"Das ist alles?" fragt Rossipotti. "Unsterblich
wollen wir doch alle werden."
"Aber in dem Buch ist das sehr böse."
"Nur weil man das Wort 'böse' ständig wiederholt,
wird es auch nicht plausibler!" sagt Rossipotti und versucht
nach dem Buch "Drachenglut" auf meinem Schreibtisch zu
greifen. Ich ziehe es schnell weg, weil ich ahne, dass er es nur
verreißen will.
"Aber der Dorfpfarrer und Michaels Schwester Sarah haben auch
enorme Angst vor dem Drachen und den Dorfbewohnern mit dem Blick!"
versuche ich mich zu verteidigen. "Stell dir vor, die Drachenanghänger
brennen sogar ein Feld ab und entführen Sarah!"
"Interessant!" sagt Rossipotti und gähnt.
"Sie sind im Bund mit dem Teufelsdrachen!" rufe
ich. "Reicht dir das nicht?"
"Weißt du was?" fragt Rossipotti und sieht mich
belustigt an. "Ich glaube, du bist einem großen Stück
Trivialliteratur auf den Leim gegangen. Heraufbeschwörung des
gesichtslosen Bösen, Phrasendrescherei um die gleichen Begriffe,
platte Charaktere, eine unplausible, schlecht motivierte Handlung
usw. Wenn der Schluss genauso schlecht wie der Anfang ist, wird
der Drache sicher in letzter Sekunde in einer dramatischen, flammenden
Szene mit einem eichernen Speer, der eine eiserne Spitze hat, besiegt."
"Woher weißt du das?" frage ich erstaunt.
"Durch den Blick!" sagt Rossipotti ernst. "Hast
du nicht gewusst, dass ich den Blick dafür habe?"
Jonathan Stroud: Drachenglut. Boje Verlag. Köln
2007.
* * *
Lucas
"Jetzt habe ich mir daran beinahe die Zunge verbrannt",
sagt Rossipotti und spuckt schnell ein Stück schwarze Pappe
aus, auf der noch ein Stück Drachenflamme zu erkennen ist.
"Hast du nicht etwas Erischendes zum Hinterherspülen?"
"Wie wäre es mit dem 'Regenroman' von Karen
Duwe?", schlage ich vor.
"Gut!" sagt Rossipotti. "Aber leider
nicht wirklich für Kinder geeignet."
"Dann vielleicht 'Lucas'?" frage ich. "Der
Roman ist zwar auch nichts für unsere jüngeren Leser,
aber immerhin hat er von der Jungendjury den Deutschen Jugendliteraturpreis
bekommen. Außerdem regnet es in ihm erfrischend oft."
"War das nicht diese packende Liebesgeschichte
zwischen dem Landstreicher-Jungen und der Autorentochter?"
"Wenn du mit 'Liebesgeschichte' die einwöchige,
allein auf den Augenblick konzentrierte Bekanntschaft zwischen Lucas
und Cait meinst, ja!" antworte ich. "Aber von einer
Liebesgeschichte zu reden, ist doch etwas übertrieben. Die
beiden umarmen sich nur ein einziges Mal und Lukas küsst Cait
gerade Mal auf die Wange."
"Ich glaube, du verwechselst Leidenschaft mit
Liebe", sagt Rossipotti. "Beides schließt sich zwar
gegenseitig nicht aus, aber man kann den anderen durchaus lieben
und sich im sehr nah fühlen, ohne ihn zu berühren. "
Ich frage mich, woher Rossipotti das weiß. Ich
habe ihn noch nie in Begleitung einer Krokodilsdame gesehen. Außer
Esmeralda vielleicht, aber die ist schon 270 Jahre alt! Oder meint
Rossipotti gar nicht die Liebe zwischen zwei Verliebten?
"Die Geschichte läuft einem auf alle Fälle
heiß-kalt den Rücken runter", sagt Rossipotti und
schüttelt sich erschaudernd. "Wenn ich da nur an den brutalen,
stumpfsinnigen Jamie Tait denke oder die Hetzjagd auf Lucas. Oder
auch die Szene, wo Lucas Jamie beinahe den Penis abschneidet. Wobei
'heiß' in dem Buch unerwarteterweise nicht für die Liebe
zu Luca und das warme, vertrauensvolle Verhältnis zwischen
Cait und ihrem alkoholabhängigen, schreibenden Vater steht,
sondern eher für Wut, Gier, Hass, Ausgrenzung und Gewalt. Und
'Kalt' eher für Liebe, die wie eine abkühlende, frische
Brise die heißen Wunden heilt."
Rossipottis pathetische Reden um Liebe und Hass machen
mich ganz nervös. Wo ist sein kühler Kopf geblieben?
"Soll ich das Buch jetzt vorstellen, oder willst du noch länger
um den heißen Brei reden?" frage ich deshalb.
Rossipotti sieht mich verklärt an und nickt.
"Gut!" sage ich und versuche mich möglichst
kurz zu halten: "Auf einer kleinen Insel erscheint eines Tages
ein sechzehnjähriger Junge, der zu niemandem zu gehören
scheint und den Inselbewohnern von Anfang an ein Rätsel ist.
Wo wohnt er? Was will er? Wann geht er wieder? Von was lebt er?
Aus schlechter Gewohnheit allem Fremdem gegenüber fassen sie
eine tiefe Abneigung gegen ihn und versuchen, ihn mit Intrigen und
üblen Nachreden zu vertreiben. Der Junge, Lucas, hätte
sicher auch nach zwei Tagen wieder das Weite gesucht, wäre
da nicht die fünfzehnjährige Cait. Cait ist anders als
die anderen Inselbewohner und er hat ihr versprochen, sie noch ein
letztes Mal am Sonntag beim Stadtfest zu treffen. Doch es kommt,
wie es kommen musste. Ein Mädchen wird fast ermordet und der
Schuldige schnell gefunden: Lucas."
Kevin Brooks: Lukas. Aus dem Englischen
von Uwe-Michael Gutzschahn. Deutscher Taschenbuch Verlag. München
2005.
* * *
Lieblingsbuch
vorgestellt von Helma Hörath
Da rinnt es heiß und kalt den Rücken
runter
Was verbindest du mit dem Wort warm? Ganz
sicher fällt dir sofort ein: die Sonne, der Sommer, ein entspannendes
Bad in warmem Wasser, der Zustand nach einem schnellen Lauf, Afrika,
die Wüste Sahara, der Regenwald in Südamerika, aufsteigende
Hitze im Körper bei einer unangenehmen, aber auch bei einer
angenehmen Situation, Feuer, Vulkanausbruch ... Woran denkst du
sofort, wenn du das Wort kalt hörst? Sicher an Winter,
Schnee, Frost, Frieren, Eisbär, Nordpol, Südpol, kalte
Dusche, aber auch an ein kühlendes Getränk in der Sommerglut,
an eine große Portion Speiseeis; vielleicht denkst du auch
an den Mond, dessen Licht im Gegensatz zur Sonne nicht wärmt
... Bei Freude kann es dir heiß den Rücken runterrieseln.
Bei Angst rieselt es dir kalt den Rücken runter, du fröstelst,
deine Haut zieht sich zusammen und du bekommst eine Gänsehaut.
Du merkst schon, die Wörter warm und kalt können positive
Erinnerungen, aber auch negative Gefühle erzeugen.
Wenn du wissen willst, was in deinem Körper bei Wärme
und Kälte vor sich geht und warum das so ist, dann empfehle
ich dir die Sachbuchreihe Wieso, Weshalb, Warum? Spielerisch
die Welt entdecken vom Ravensburger Buchverlag. Es sind toll
aufgemachte Bücher, die du ganz alleine lesen und untersuchen
kannst (es gibt viele Abbildungen mit Klappen zum Öffnen).
Du kannst sie dir aber auch gemeinsam mit deinen kleineren Geschwistern
gemeinsam ansehen, denn die Bücher haben Pappseiten. Aber
auch deine ältere Schwester und dein großer Bruder
werden darin ganz interessante Fakten zum Auffrischen ihres Wissens
finden. Es sind großformatige Bücher mit einer Ringbindung,
die das gute Aufblättern und Ablegen der dicken Seiten gestatten.
Ich habe mir zu unserem Stichwort Warm-Kalt aus dieser Buchreihe
die Nummern 1 mit dem Thema Körper, die Nummer 10 zum Wetter
und 34 zum Thema menschliche Sinne angesehen. Die Titel sind in
der Kinderbibliothek oder im Buchhandel vorhanden. Alle Bände
dieser Reihe kosten 12,95 €.
Aus der Reihe Wieso, Weshalb, Warum?:
|
- Tommi Piper/Doris Rübel: Wir entdecken unseren Körper. Ravensburger Buchverlag, Ravensburg 1998.
- Gabriele Libbach/Angela Weinhold: Unser Wetter. Ravensburger Buchverlag. Ravensburg 2000.
- Angela Weihold: Wir entdecken unsere Sinne. Ravensburger Buchverlag. Ravensburg 2005.
|
* * *
Die Tschuktschen in der Kälte Sibiriens, die Ju/'hoansi in
der Wärme Namibias
Wir Menschen haben die Fähigkeit, uns den extremsten
Bedingungen auf der Erde anzupassen. Dabei bestimmen die Jahreszeiten
mit Wärme und Kälte, mit Dunkelheit und Helligkeit unseren
Alltag. Märchen, Sagen und Lieder erzählen von den Naturgewalten,
von Mensch und Tier, die gemeinsam diesen trotzen oder sie nutzen.
Ich machte mich auf die Suche nach Büchern, die das Leben
im hohen Norden und im südlichen Afrika zeigen, vernachlässigte
dabei Bildbände, Volksmärchen und Sachbücher. Und
trotzdem: Es gibt unheimlich viele Titel. Überall leben Menschen,
die ihre Umwelt nicht nur beobachten, sondern ihre Erkenntnisse
in Gedichten, Erzählungen und Romanen aufschreiben. Auch
die Tschuktschen, ein eskimoartiges Volk im Nord Sibiriens, haben
ihren Schriftsteller. Er heißt Juri Rytcheu und wurde 1930
als Sohn eines Jägers geboren. Dass er selbst einst in der
Tundra, einem Gebiet der arktischen Zone in Russland, lebte, merkt
man seinen Romanen und Erzählungen an, denn er weiß
sehr genau, wovon er erzählt. Er dokumentiert in vielen beeindruckenden
Einzelheiten das Leben von Mensch und Tier in der Wärme der
kurzen Sommer und in der Kälte der langen dunklen Polarwinter.
Dabei mischt er in der Geschichte, die ich für dich ausgesucht
habe, das reale Leben mit dem Zauber eines Märchens:
Hauptheld ist der Polarhund Monder. Ihm gelingt es, bei Vollmond
auf dem Tonstrahl seines Heulens in den Himmel zu fliegen und
ein Stück vom Mond abzubeißen. (So erklären sich
z. B. die Tschuktschen die unterschiedlichen Formen des ab- und
zunehmenden Mondes.) Monder aber erhält dadurch die Fähigkeit,
alle Tiere - ganz gleich ob es Mücken, Raben oder Robben
sind - zu verstehen sich sogar in sie zu verwandeln und mit ihnen
eine Zeit lang zu leben. In keiner Tiergestalt wird er wirklich
glücklich. Doch dann trifft er ein Menschenmädchen,
das jeden Abend zum Himmel aufsteigt und die Scheibe des Mondes
wieder vervollständigt. Monder nimmt ein letztes Mal eine
neue, eine menschliche Gestalt an. Damit verliert er seine magischen
Kräfte, aber er hat seine Liebe und seinen Platz im Leben
gefunden.
In eine ganz andere Welt des Lebens in sengender
Sonne und Kälte der Nacht entführt uns die Geschichte
des Mädchens Be, das zum Volk der Ju/'hoans gehört.
Wir Europäer sagen auch Buschmänner zu ihnen. Diese
leben im südlichen Afrika, in Namibia. und befinden sich
gerade - wie Monder - auf einem Weg der Verwandlung, denn ihr
altes Leben können sie nicht mehr führen. Das neue Leben
in Namibia - seit 1989 kein durch Südafrika besetztes Gebiet
mehr, sondern ein selbständiger Staat - ist für viele
von ihnen fremd und unverständlich.
Die Schriftstellerin Lesley Beake ist eine Frau aus Schottland,
die aber schon seit Jahrzehnten in Afrika lebt. Sie schildert
die Geschichte aus der Sicht der 15jährigen Be. Sie lässt
uns teilnehmen an Situationen und Ereignissen, in denen es Be
ganz heiß und auch ganz kalt wird. Sie muss mit ihrer Mutter
das heimatliche Dorf verlassen. Auf einem tagelangen Fußmarsch
legen sie Kilometer um Kilometer zurück. Der alte und kranke
Vater der Mutter hat sie gerufen. Sie sollen einen Teil seiner
Arbeit auf einer Farm übernehmen. Auf eigenartige Weise verknüpft
sich das Leben von Be mit dem der weißen, doch sehr kranken
Farmersfrau. Als diese stirbt, fühlt sich Be schuldig und
meint, bereits am Ende ihres Weges angelangt zu sein. Sie glaubt,
das, was passiert ist, nicht verkraften zu können. Sie nimmt
ihre Sachen und geht in die Kälte der Nacht. Aber da ist
Khu, der sie liebt, der sie im Busch findet und der sie mit seiner
Wärme ins Leben zurückruft.
Beide Bücher kannst auch deinen Eltern zum
Lesen weitergeben, damit ihr gemeinsam über Monder und Be
sowie die bedrohte Kultur der Völker im hohen Norden und
tiefen Süden unserer heutigen Welt sprechen könnt.
|
- Juri Rytcheu: Der Mondhund. Unionsverlag. Zürich 2005.
- Lesley Beake: Lied der Erinnerung. Erika Klopp Verlag. Hamburg 1994.
|
* * *
Schmetterlinge im Bauch und Herzklopfen im Ohr
Es gibt aber nicht nur die unterschiedliche Geografie
der Erde, die vorgibt, ob wir Menschen mehr schwitzen oder mehr
frieren. Es gibt im täglichen Leben von uns allen immer wieder
Situationen, in denen uns unabhängig von Außentemperatur
und Wetter ganz heiß oder ganz kalt wird. Sicherlich hast
du so etwas auch schon erlebt. Hier nur einige Beispiele: Wenn
eine Klassenarbeit zurückgegeben wird und man nicht genau
weiß, ob die eigene Leistung gut oder nicht so gut war,
dann können die Hände kalt und schweißig werden.
Wenn man gerade eine große Freude erlebt hat, z.B. wenn
man das entscheidende Tor geschossen hat, dann merkt man, wie
der Bauchraum ganz warm wird.
Aber die Liebe ist auch so ein Geheimnis, das uns heiße
oder kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen lässt.
Manchmal fühlt man sich ganz allein, wenn sich der Freund
oder die Freundin gerade einem anderen Menschen zugewandt hat.
Dann ist es gut, wenn in einem Buch davon erzählt, dass es
anderen Jungen und Mädchen auch schon so gegangen ist und
wie sie es geschafft haben, aus dem scheinbaren Chaos herauszufinden.
Liebesgeschichten gibt es natürlich in Hülle und Fülle.
Sie lassen sich auch schnell nebenbei lesen und meist wird einem
auch ganz warm ums Herz dabei. Ich habe für dich eine Anthologie,
eine Sammlung von sieben Erzählungen, ausgesucht. Sieben
freche Geschichten rund um die erste Liebe erzählen die Thienemann-Autorinnen
Sabine Both, Christamaria Fiedler, Sissi Flegel, Bianca Minte-König,
Hortense Ullrich, Irene Zimmermann und das Team Brinx/Kömmerling.
|
Sabine Both, Christamaria Fiedler, Sissi Flegel (u.a.): Sommer, Sonne, erste Liebe,
Thienemann Verlag. Stuttgart 2006.
|
* * *
Kalter Krieg und Eiserner Vorhang
Beide Begriffe stammen aus einer Zeit, die vor deiner
Geburt liegt, als deine Eltern Kinder waren. Als der Zweite Weltkrieg
1945 zu Ende war, da hatten sich zwei politische Machtblöcke
gebildet. Der eine wurde von der Sowjetunion (dieser Staat löste
sich nach 1990 auf, es bildeten sich mehrere selbständige
Länder, das größte davon ist Russland) und der
andere von den Vereinigten Staaten von Amerika angeführt.
Die Interessenskonflikte beider Blöcke werden als Kalter
Krieg bezeichnet. Es waren keine direkten militärischen
Auseinandersetzungen. Aber man bekämpfte sich mit wirtschaftlichen
und politischen Mitteln. Dazu gehörte auch der sogenannte
Eiserne Vorhang zwischen dem Ost-Block und den so genannten westlichen
Ländern. Im Zeichen des beginnenden Kalten Krieges schloss
Josef Stalin, der Führer der Sowjetunion, die Grenzen Osteuropas.
Der britische Premierminister Winston Churchill benutzte dafür
in einer berühmt gewordenen Rede ein sprachliches Bild. Er
sagte, ein Eiserner Vorhang habe sich gesenkt und spalte Europa.
Aber nicht nur Europa, sondern auch Deutschland, auch die Stadt
Berlin und damit auch viele Familien. Diese Grenze war so fest,
dass die einfachen Menschen sie in der Regel nicht durchdringen
oder überspringen konnten. Also ein Reisen von Ost nach West,
von West nach Ost war nicht möglich. Sogar das Telefonieren
war ein fast unlösbares Problem. Die Menschen, die auf der
jeweilig anderen Seite des Eisernen Vorhangs wohnten, lebten in
einer anderen, unbekannten Welt. Erst 1990 erklärten die
Sowjetunion und die USA offiziell den Kalten Krieg für beendet.
Natürlich hatte diese Zeit auch Auswirkungen auf das Leben
der Kinder.
Davon erzählt Klaus Kordon in einem Roman um Matthias, genannte
Matze, aus dem Osten und Angelika, genannt Lika, aus dem Westen.
Matze wirft eine Flaschenpost in die Spree: Mein Name ist Matthias
Loerke. Ich wohne in der Krugallee 72, DDR-1193 Berlin. Ich bin
fast 12 und gehe in die sechste Klasse. Wer diesen Brief findet,
soll mir schreiben. Ich schreibe garantiert zurück.
Und eigentlich hofft Matze, dass die Flasche bis nach Afrika,
Indien oder Australien schwimmt. Doch dann antwortet ihm Lika
aus West-Berlin, dem Teil seiner Heimatstadt, der ihm so unbekannt
ist wie ein fremder Stern ...
Das Buch findest du in der Kinderbibliothek. Es
ist aber noch heute im Buchhandel bestellbar. Du kannst es für
einen Preis von 6,90 € kaufen.
|
Klaus Kordon: Die Flaschenpost. Ein GULLIVER-Roman von Beltz & Gelberg. Weinheim 1999.
|
* * *
Was wärmt Herz und Verstand?
Natürlich Freundschaft, Liebe, Anerkennung
und der Stolz auf eine gute Tat, auf eine gelöste Aufgabe
und sicherlich noch vieles mehr. Vieles empfinden wir alle gleich.
Vieles empfindet jeder Mensch auch ganz anders als der Nachbar
oder die Nachbarin. Mir wird immer ganz warm ums Herz, wenn ich
ein Gedicht, eine Geschichte oder ein Manuskript für Rossipotti
fertig habe und es beim nochmaligen Durchlesen als gelungen einschätze,
wenn ich also mit mir zufrieden bin.
Schreibst du auch Gedichte oder Geschichten? Wenn nein, dann entgeht
dir etwas. Versuch es doch einmal! Wer schreibt, hat keine Langeweile.
Ich habe da zwei Bücher, bei denen mir schon beim Lesen und
Durchblättern ganz warm geworden ist. Du kannst dir darin
Anregungen zum Schreiben holen. Wenn du aber schon Profi im Schreiben
bist, dann empfehle ich dir diese beiden Bücher trotzdem.
Denn Inspirationen kann jeder Künstler oder jede Künstlerin
immer wieder gebrauchen.
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- Heinz Janisch: Eine Wolke in meinem Bett. Mit Illustrationen von Isabell Pin. Aufbau-Verlag. Berlin 2007.
- Esther Spinner und Anna Luchs: Genau! Sagt Paul Schlau. Ein Sprachspielbuch. Bajazzo Verlag. Zürich 2005.
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Echt heiße Effekte
Hast du schon einmal gesehen, welch ein Muster ein
heißes Bügeleisen auf ein T-Shirt brennt, wenn man
es beim Bügeln aus Versehen ohne Bewegung zu lange auf einer
Stelle abgestellt hat? Das macht sich eine kreative Mal-Technik
zu Nutze. Sie heißt Encaustic.
Wenn ich dich neugierig gemacht habe und du wissen möchtest,
was das ist, dann komm mit mir auf eine Zeitreise in die Blütezeit
der Encaustic-Malerei. Wir fliegen mit unseren Gedanken 3000 Jahre
zurück und zwar nach Ägypten und Griechenland. Das Wort
Encaustic stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel
wie einbrennen oder mit Feuer erwärmen. Bei dieser Maltechnik
werden besondere Wachsfarben (du kannst also keinen normalen Wachsmalstift
dazu verwenden) heiß, fast flüssig auf ein Spezialpapier
oder einen anderen Malgrund aufgetragen. Während heute elektrisch
beheizte Geräte verwendet werden, wurden in der griechischen
Antike die kalten Farben mit glühenden Spachteln, den cauteria,
heißflüssig auf Stein, Holz oder Elfenbein aufgetragen.
Erkaltet, erstrahlen die Farben in mattem Glanz. Uns noch heute
beeidruckende Zeugnisse dieser Kunst sind die berühmten ägyptischen
Mumienporträts, die heute im Britischen Museum in London
und dem Nationalmuseum Kairo gezeigt werden. Geheimnisvoll klingt
die alte Rezeptur, nach denen die Künstler damals das sagenumwobene
Wachs im Meerwasser kochten und der Einwirkung von Sonne und Mond
aussetzten.
Wiederentdeckt wurde diese alte Maltechnik im 20. Jahrhundert.
Heute erlebt die Encaustic eine neue Hochzeit. Diese speziellen
Wachsfarben kann man im Handel kaufen. Es gibt auch verschiedene
Einsteiger-Sets mit Farben, einem elektrischen Mal-Eisen und einigen
Blättern des Spezialpapiers zu ganz erschwinglichen Preisen.
Vielleicht ist das ein Wunsch für deinen nächsten Geburtstag?
Vorher solltest du dir aber Werke dieser Maltechnik in einem Buch
ansehen, damit du entscheiden kannst, ob dich das interessiert
oder nicht. Dazu solltest du dich erst einmal in der Bibliothek
kundig machen. Denn es gibt mittlerweile sehr viele Bücher
zu diesem Thema. Aber wirst du mit einem Erwachsenen dort hingehen
müssen, denn du wirst diese Anleitungen sicherlich nicht
in der Kinderbibliothek finden. Da mit einem elektrisch aufheizbaren
Eisen gearbeitet wird, ist die ganze Sache nicht ganz ungefährlich
und du wirst anfänglich auch nur unter Aufsicht arbeiten
können. Aber das ist eine Sache, die du mit deinen Eltern
klären musst, vielleicht kann es auch ein gemeinsames Hobby
für dich und deine Mutter oder deinen Vater werden. Das ist
aber eine ganz andere Sache. Ich möchte dir hier ein Buch
vorstellen, in dem du sehr viel über Materialien, Techniken
und Beispiele zu dieser alten Technik erfahren kannst:
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Christel Krones: Encaustic. Malen mit heißen Wachsfarben. Urania Verlag. Stuttgart 2002.
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Na ja, nun könnte ich dir im Gegenzug auch etwas zu Kunstwerken
aus Eis und Schnee erzählen. Dazu gehören auch ganz
sicherlich die Iglus, die Rundhäuser, die die Eskimos aus
Eisblöcken bauen, um darin warm und sicher den Winter zu
überstehen. Es gibt auch Künstler in Europa, die mit
dem Material Eis arbeiten. Leider ist mir vorher nicht eingefallen,
dass ich dir auch solch einen Buchtitel vorstellen könnte.
Wenn du in die Bibliothek gehst, dann kannst du ja, wenn du das
möchtest, auch danach suchen. Aber ob es im diesjährigen
Winter bei uns hier in Deutschland noch einmal so kalt werden
wird, dass dir bei einer Schneeballschlacht oder beim Wettbewerb
um den lustigsten Schneemann ganz heiß werden kann, das
bezweifle ich doch stark.
Darum wünscht dir heute wie immer viel Spaß
beim Lesen und Schreiben Deine Helma
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