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Rossipottis Leibspeise
und andere Lieblingsbücher

 

Rossipottis Leibspeise

Lieblingsbuch

vorgestellt von Helma Hörath

 

Kindergeschichten

"Weißt du, dass es Amerika gar nicht gibt?" fragt Rossipotti und kaut genüsslich auf einer bunt bedruckten Seite eines Welt-Atlasses.

"Ja!" sage ich unbeeindruckt. "Wie ich sehe, hast du es gerade aufgefressen."

"Falsch!" sagt Rossipotti. "Amerika hat es nie gegeben!"

"Quatsch!" sage ich. "Amerika wurde von Columbus entdeckt!"

"Von einem Mann, den es nie gegeben hat!" sagt Rossipotti.

Ich komme ins Grübeln. Tatsächlich habe ich schon einmal gehört, dass es Columbus nie gegeben hat. Was, wenn das wirklich stimmte?
Vielleicht fuhren die Leute, die nach Amerika reisten, ja in ein ganz anderes Land? Zum Beispiel nach Ypsilon? Und wenn sie wieder nach Hause kamen, behaupteten sie, dass sie in Amerika gewesen wären? Columbus zuliebe, einem Mann, den es nie gegeben hat?

"Und wusstest du schon, dass 'Tisch' eigentlich 'Teppich' heißt?" fragt Rossipotti weiter. "Und 'Stuhl' 'Wecker' und 'Bett' 'Bild'?"

"Klar", sage ich und werde rot, weil mir schlagartig klar wird, dass Rossipotti mich mit Amerika nur auf den Arm genommen hat und es Amerika doch gibt!

"Prima!" sagt Rossipotti. "Dann lass uns die Welt auf den Kopf stellen und neu konstruieren!"

"Wozu denn?" frage ich irritiert. Eigentlich gefällt mir die Welt, die ich kenne, ganz gut.

"Wozu?" fragt Rossipotti erstaunt. Aus seinem Maul hängt ein Fetzten Atlaspapier. "Weil wir mitmachen wollen beim großen Lalula!"

"Lalula?" frage ich verwirrt. Irgendwie verstehe ich heute absolut nicht, worauf Rossipotti hinaus will.

"Wir wollen unsere eigenen Figuren aufstellen und ihnen beim Welterklären zuschauen!" erklärt Rossipotti. "Seit ich zurückdenken kann, muss ich mir immer von irgendwelchen Leuten anhören, was wann wo entdeckt wurde und wie was funktioniert. Warum eigentlich? Sind diese Leute Alleswisser? Von wegen! Sie geben sogar zu, dass sie in Wahrheit nichts wissen, dass ihr Wissen relativ ist und sie unsere Wirklichkeit nur konstruieren. Also nehmen wir sie ernst und konstruieren uns unsere Wirklichkeit selbst!"

"Aha!" sage ich und befürchte Schlimmstes. "Und womit fangen wir an?"

"Mit der Erde!" sagt Rossipotti euphorisch. "Das ist ein guter Anfang!"

"Die Erde", wiederhole ich uninspiriert. "Die Erde ist rund."

"Bist du sicher?" fragt Rossipotti. "Woher weißt du das? Vielleicht ist sie auch eckig oder dreieckig oder die Leute vor Aristoteles hatten Recht und die Erde ist eine Scheibe?"

"Wohl kaum", sage ich. "Spätestens seit der Raumfahrt ist man sich ganz sicher, dass die Erde rund ist."

"Warum denn?" fragt Rossipotti. "Du bist doch kein Raumfahrer! Warum glaubst du, was sie dir erzählen? Von den Fotos? Die sind doch sowieso alle manipuliert!
Weißt du, was ich glaube, meine Leibspeise? Entweder bist du zu naiv für diese Welt oder dir fehlt der Mut zu waghalsigen Ideen! Aber ohne Mut wirst du es nicht weit bringen!"

Pah!

"Aber zum Glück kenne ich einen Mann, der sehr mutig ist", sagt Rossipotti. "Vielleicht kann er dir ein bisschen auf die Sprünge helfen! Er heißt übrigens Peter Bichsel und erzählt unglaubliche Geschichten über Männer, die unglaubliche Ideen haben und sie mit dem Mut eines eigenwilligen Eigenbrötlers umsetzen."

"Etwa solche, die beweisen wollen, dass es Amerika gar nicht gibt oder die überprüfen wollen, ob die Erde rund ist?" frage ich.

"Genau solche!" sagt Rossipotti.

"Auf solche kann ich verzichten!" sage ich.

"Kannst du nicht!" sagt Rossipotti. "Denn Bichsels Geschichten sind nicht nur mutig, sondern unübertroffen gut! Selbst nach fast vierzig Jahren haben sie von ihrer Ausstrahlungskraft nichts verloren!"

"Aber dann fehlt dir ja selbst der Mut zu waghalsigen Ideen!" fällt mir plötzlich auf. "Deine Amerika- und Erde-Idee hast du auch nur von Bichsel gestohlen!"

"Ich, nicht mutig?" sagt Rossipotti und wischt sich endlich den Papierfetzen vom Maul. "Natürlich bin ich mutig! Im Unterschied zu dir glaube ich nämlich nicht Columbus, sondern Peter Bichsel!"

Peter Bichsel:Kindergeschichten. Luchterhand Verlag. Neuwied und Berlin 1969.
Eine neuere Ausgabe von 1997 findet ihr bei Suhrkamp Taschenbuch.

 

* * *

 

Wundersame Reisen

"Übrigens lese ich zur Zeit Edward Lears 'Wundersame Reise!'", sage ich betont beiläufig, hoffe aber inbrünstig, mit diesem ausgefallenen Buch Rossipottis Meinung über meinen fehlenden Mut zu ändern.

"Na und?" sagt Rossipotti. "Das kann jedes Kind!"

"Ich bin aber kein Kind, sondern ein Fisch!" erinnere ich Rossipotti. "Und mit Fischen passieren in dem Buch grausame Dinge."

"Welche denn?" fragt Rossipotti und streckt seine Glieder. "Ich erinnere mich nur noch an singende Fliegen in blauen Flasche."

"Wir Fische werden in dem Buch fast ausgerottet!" sage ich. "Erinnerst du dich noch an die vier Kinder und die Katze, die sich in einem Boot mit Proviant und einem riesigen Teekessel auf eine abenteuerliche Seereise machen?"

"Dunkel", sagt Rossipotti.

"Die Kinder kommen bei ihrer Reise jedenfalls bei Mäusen, die Pudding aus Löffeln schlürfen, Krebsen, die Fausthandschuhe stricken und bei deinen singenden Fliegen vorbei ..."

"Ja, ich erinnere mich", sagt Rossipotti.

"Gut!", sage ich. "Dann ist dir sicher auch wieder eingefallen, dass sie eines Tages in einer Meerenge landen, wo so viele Fische schwimmen, dass die Kinder in ihrem Boot nicht mehr weiter kommen. Aber anstatt die Fische höflich zu bitten, ein bisschen auseinander zu schwimmen und dem Boot Platz zu machen, essen die Kinder die Fische einfach auf!"

"Na und?" sagt Rossipotti und fährt sich mit der Zunge übers Maul. "Seit wann bittet man Fische, aus dem Weg zu schwimmen, wenn man sie essen will?"

"Sechs Wochen lang dauerte das grausame Morden!" sage ich aufgebracht. "Kannst du dir vorstellen, welchen qualvollen Tod meine Artgenossen starben?"

"Haben sich die Kinder bei den Fischen nicht entschuldigt, bevor sie sie gefressen haben?"

"Keine Spur!" sage ich. "Du verwechselst das wahrscheinlich mit Carrols 'Alice hinter den Spiegeln'. Da weinen das Walross und der Zimmermann heiße Tränen des Mitleids während sie die Austern ausschlürfen."

"Irgendwie habe ich die Kinder trotzdem sehr fürsorglich in Erinnerung", sagt Rossipotti. "Haben sie den letzten, übrig gebliebenen Fischen nicht Wollpullis gestrickt?"

"Ich bitte dich!" sage ich. "Was fangen Fische mit Wollpullis an?"

"Das Buch ist wirklich komisch", lenkt Rossipotti ab. "Die Geschichte zerrinnt einem zwischen den Fingern, bevor man sie zu Ende gelesen hat. Wahrscheinlich fällt es mir deshalb so schwer, mich an die einzelnen Episoden zu erinnern."

"Das liegt vor allem daran, dass die Kinder auf jeder Insel oder in jedem Land, das sie bereisen, nie länger als zwei Seiten lang sind!" sage ich. "Da kann man sich als Leser auf die einzelnen Abenteuer gar nicht einlassen. Wahrscheinlich sind die 'Wundersamen Reisen' mehr ein Anstoß zum eigenen Fabulieren als eine eigenständige Geschichte."

"Stimmt", sagt Rossipotti. "Gibt es von Martin Auer nicht auch ein ganz ähnliches Buch? Mit Kindern, die in einer Spielzeugrakete in den Weltraum fliegen und seltsame Planeten besuchen?"

"'Und wir flogen tausend Jahre'", zitiere ich den Titel. "Auers Buch ist aber nur noch die Idee einer Idee."

"Lass uns das doch auch einmal versuchen", sagt Rossipotti. "Ich fange an: Es waren einmal Pinke, Panke, und PinkePanke. Die nahmen einen Korkenzieher und bohrten damit einen langen Gang in die Erde. Dann zwängten sie sich durch das Loch und krochen durch einen dunklen Gang. Zuerst war es so dunkel, dass sie nichts erkennen konnten. Doch dann entdeckten sie am Ende des Ganges ein Licht ..."

"Die Kinder kamen in einen kleinen Raum", setze ich Rossipottis Geschichte fort. "Dort saß die ewige Spinnerin mit ihrer langen Nase. 'Ich spinne alles Garn der Welt', sagte die Spinnerin und wickelte weißes Garn um ihre Nase, 'und wenn ihr wollt, erzähle ich euch meine Geschichte ...'"

Edward Lear: Wundersame Reisen. Aus dem Englischen von Josef Guggenmos. Beltz & Gelberg. Weinheim 1973.

* * *

Mister I

"Und jetzt stellen wir endlich Lewis Carrolls 'Alice im Wunderland' vor", sagt Rossipotti. "Die Geschichte passt genau zu unserem Thema!"

"Schon", sage ich. "Aber du kannst nicht in jeder Ausgabe Lewis Carroll vorstellen! Irgendwann fällt es den Kindern auf!"

Rossipotti steufzt: "Warum gibt es eigentlich nur einen Lewis Carroll? Und warum gibt es überhaupt nur so wenige Kinderbuchautoren, die sich wirklich auf Quatsch verstehen?!"

"Kinder sollen eben nicht zu Quatsch, sondern zur Ernsthaftigkeit erzogen werden", vermute ich.

"Wie langweilig", sagt Rossipotti. "Die Quatsch-Figuren der Kinderliteratur kannst du an einer Hand abzählen. Mir fallen gerade nur Pippi Langstrumpf, Pinocchio, die wilden Kerle, das Sams und Alfons Zitterbacke ein."

"Dann lass uns 'Alfons Zitterbacke' vorstellen!" sage ich. Das Buch ist wirklich lustig. Alfons nimmt alles wörtlich und kommt deshalb auf die quatschigsten Ideen.

"Geht nicht", sagt Rossipotti. "Ich habe es neulich mal wieder gelesen und fand die Sprache so altertümlich, dass der eigentliche Witz heute darunter begraben wird."

"Wenn man sich auf den Erzählstil einlässt, kann man es immer noch wunderbar lesen", wende ich ein.

"Ich möchte es aber nicht vorstellen", sagt Rossipotti trotzig. "Gibt es nichts Neueres? Etwas, das unserer Wahrnehmung mehr entspricht? Etwas, das zeigt, was heute Quatsch ist?"

"Cartoons und Karikaturen!" fällt mir gleich ein.

"Karikaturen sind eher für Erwachsene", wendet Rossipotti ein. "Welches Kind interessiert sich schon für die verzerrte Darstellung von Politikern oder zeitgenössischen Personen? Und Cartoons habe ich nie verstanden."

"Weil du immer nur die Cartoons aus den Blitz-Heften gelesen hast. Es gibt viel tollere Cartoons!"

"Mag sein, aber mir fällt gerade etwas viel Besseres ein", sagt Rossipotti. "Comics! Wir stellen einen Comic vor! Comics sind zeitgemäß und sie sind eine regelrechte Quatschgattung. Figuren stehen wieder lebendig auf, obwohl sie gerade von einer Walze platt gedrückt wurden, Übermenschen drehen die Zeit zurück, Roboter haben ein Herz, winzige Männer können ganze Armeen in die Luft schleudern..."

"... Babys können fliegen ..."

"Und Buchstaben enden als blutige Wurst auf dem Pflaster!"

"???"

"Mister I!", sagt Rossipotti. "Wir stellen 'Mister I' von Lewis Trondheim vor!"

"Lewis Trondheim", überlege ich. "Hat der zufällig die zwei Außerirdische erfunden, die in einem winzigen Raumschiff durch das Universum schweben und ständig andere Planeten platt machen wollen?"

"Genau!" sagt Rossipotti. "Allerdings gelingt das Kaput und Zösky so gut wie nie. Aber in 'Mister I' fließt fast am Ende jeder Seite Blut."

"Und das sollen wir den Kindern empfehlen?" frage ich skeptisch.

"Ist ja nur Spaß!" sagt Rossipotti, "Am Anfang jeder neuen Seite steht Mister I wieder putzmunter da."
Rossipotti kramt in einem der unzähligen Bücherstapel und zieht dann einen schmalen, weißen DIN A 4 Comic-Band hervor. Auf dem Cover prangt ein grün-braun farbiges Rechteck. Als ich genauer hinsehe, erkenne ich ein 'I' in Wurstform und einen daneben stehenden dampfenden Kuchen im Fenster.

Rossipotti schlägt den Comic-Band auf und zeigt mir ein paar Seiten.
Jede Geschichte passt auf eine Seite und ist in viele kleine, gleich große Rechtecke unterteilt. Es gibt keine Sprechblasen und keinen Text. Aber die Bilder sind so einfach, und auf jedem Bild passiert so wenig, dass man auch so sofort versteht, was passiert.
Nachdem ich mir die Comics genauer angesehen habe, weiß ich, dass Mister I in den meisten Geschichten etwas essen möchte. Einen Apfel oder Kuchen oder Fisch. Dann kommt ein dicker runder Mann, der Mister I bei seinem Vorhaben stört. Entweder schüttelt er Mister I vom Baum, spießt ihn irgendwo auf oder kackt ihn mit einem unglaublichen Haufen zu.
Aha! Das ist also Mister I.

"Was gefällt dir daran?" frage ich erstaunt.

"Das Tempo!" sagt Rossipotti ohne lang zu überlegen. "Comics haben normalerweise ein sehr schnelles Tempo. Alles passiert in kürzester Zeit. Aber bei Mister I ist das Tempo so langsam, dass es mir nie gelingt, die Geschichten genau anzusehen. Mein Blick ist zu schnell für die Bilder. Ist das nicht sagenhaft?"

"Sagenhaft?" sage ich. "Aber dann weißt du ja gar nicht, was in den Comics passiert?"

"Brauche ich auch nicht!" sagt Rossipotti überzeugt. "Ich bekomme doch den Anfang und den Schluss mit! Auf dem ersten Bild will Mister I etwas unternehmen, auf dem letzten sehe ich, dass es nicht geklappt hat."

"Eine eigenartige Einstellung", sage ich. "In den Bildern dazwischen entwickelt sich doch die ganze Tragödie von Mister I!"

"Was denn für eine Entwicklung?" fragt Rossipotti erstaunt.

Statt Rossipotti zu antworten, reiße ich eine Seite aus dem Comicheft und schneide die einzelnen Bilder aus. Als ich fertig bin, tackere ich sie am Ende zusammen und habe jetzt ein richtiges, kleines Daumenkino!

"Probier mal, ob du die Geschichte jetzt ganz ansehen kannst", sage ich und gebe Rossipotti mein kleines Daumenkino.

Rossipotti lässt die Bilder vor seinen Augen schnell ablaufen.

"Was ist denn das?" grunzt er entsetzt. "Das ist ja ein richtiger Splatterstreifen!"

Trotzdem sieht er sich die Geschichte noch einmal an.
Und noch einmal.
Doch dann fängt er an zu zittern. Er sperrt sein Maul auf, rollt mit den Augen und fällt plötzlich ohnmächtig zu Boden.

"Das kannst du dir sparen", sage ich laut, "Ich weiß, dass du nur eine Komödie spielst! Übrigens eine schlechte!"

Ich nehme ungerührt mein Daumenkino aus Rossipottis schlaffen Händen und gehe aus dem Raum, um Palmina zu suchen. Mal sehen, welche Wirkung Trondheims Streifen auf sie hat.

Lewis Tronheim: Mister I. Reprodukt. Berlin 2006.

* * *

Quatschgeschichten vom Franz

Als ich ein paar Minuten später mit Palmina wieder in die Bibliothek komme, liegt Rossipotti immer noch ohnmächtig auf dem Boden.

"Rossipotti übertreibt wieder einmal", sagt Palmina. "So schlimm war der Comic doch gar nicht. Die Bilder haben überhaupt nichts Gruseliges an sich. Sie sind eher lustig."

"Vielleicht spielt er doch keine Komödie!" sage ich und beuge mich mit schlechtem Gewissen über Rossipotti. Vielleicht hätte ich mich gleich um ihn kümmern sollen? "Wir müssen ihm etwas völlig Harmloses vorlesen. Etwas, das Rossipotti wieder zu Besinnung bringt."
Ich fächele ihm Luft zu und rüttle ihn sanft an der Schulter. Aber Rossipotti rührt sich nicht. Immerhin atmet er ruhig.

"Gib mir mal bitte das Buch da drüben", sage ich zu Palmina. "Das Buch für Erstleser!"

Palmina holt mir Nöstlingers "Quatschgeschichten vom Franz", während ich Rossipotti einen sanften Schlag auf die Backe gebe.

"Kümmere du dich um ihn, während ich ihm das Buch vorlese", sage ich. "Die Geschichte ist kurz und wenn wir Glück haben, wacht Rossipotti spätestens beim Happy End auf."

Mit möglichst ruhiger Stimme lese ich Rossipotti vor, dass Franz einen Freund und eine Freundin hat. Eberhard hält immer zu ihm, Gabi aber nur nach Lust und Laune. Trotzdem liebt Franz Gabi mehr als Eberhard. Er erträgt sogar Gabis lästigen Tick, alle Wörter nur noch mit 'Quatsch' zu kombinieren. Aus Radio wird Quatschkiste, aus Telefon Quatschofon und aus Franz wird ein Quatschkopf. Obwohl Franz der ganze Gabi-Quatsch gehörig auf den Wecker geht, erkundigt er sich ihr zuliebe bei seiner Mutter nach einer Quatschgeheimsprache. Er deckt Gabi sogar beim seinem Lehrer, als Gabi mal wieder besonders großen Blödsinn angestellt hat, den sie auch noch ihm in die Schuhe schieben will!

Bald bin ich so in der Geschichte drin, dass ich Rossipotti ganz vergessen habe. Ohne noch einmal aufzusehen, lese ich weiter und erfahre:

Franz hat immer weniger Lust auf Gabi-Quatsch. Richtig quatschig-zickig ist sie. Sie beschimpft Eberhard in der neuen Geheimsprache und stellt sich mit dem verärgerten Franz nur gut, weil sie neugierig ist, was Franz mit dem großen Ramon auf dem Schulhof zu besprechen hat. Aber zum Glück ist Franz ein echter Freund und plötzlich merkt Gabi, was sie an Franz hat und lässt den Quatsch Quatsch sein ...

Christine Nöstlinger: Quatschgeschichten vom Franz. Verlag Friedrich Oetinger. Hamburg 2005.

* * *

Trauriger Tiger toastet Tomaten

"Bilder!" sagt Rossipotti mit schwacher Stimme und schlägt endlich die Augen auf. "Zeigt mir schöne Bilder!"

Ich greife schnell nach einem Bildband von Rosalie Münzberger und halte ihn vor Rossipottis Augen.

Rossipotti gibt ein entsetzes Grunzen von sich.

"Das ist wohl das Falsche", sagt Palmina. "Versuche es doch mal mit 'Affenquatsch und Schweineschrulle', das hat er neulich heimlich angeschaut."

Ich halte ihm das dicke Pappbilderbuch vor die Augen, aber Rossipotti kneift vor Schreck die Augen zu.

"Hast du keine Ahnung, was ihm gut gefallen könnte?" fragt mich Palmina. "Irgend etwas, das in seiner Bibliothek einen besonderen Platz hat?"

"Hier gibt es keinen besonderen Platz", erkläre ich und deute auf die vielen ungeordneten Stapel neben den Regalen. "Gute Bücher frisst er auf. Die Bibliothek ist nur sein Zwischenlager."

Rossipotti gibt ein erstickendes Röcheln von sich.

"Aber du musst doch seinen Geschmack gut kennen!" sagt Palmina und sieht besorgt zu dem roten Krokodil. Seine Schnauze färbt sich langsam lila.

"Er mag keine verschwommenen Konturen", sage ich schnell. "Und er mag keine Bilder, die die Wirklichkeit schönzeichnen. Kitschig nennt er das."

"Geht es nicht genauer?" fragt Palmina und schaut voller Angst auf die inzwischen dunkellila verfärbte Schnauzenspitze.

"Er liebt knallig bunte, comicartige und kunstvoll gezeichnete Bilder", sage ich schnell.

"Dann weiß ich eins!" sagt Palmina und rennt aus dem Zimmer.
Schon nach wenigen Sekunden ist sie wieder da und hält Nadia Buddes Buch "Trauriger Tiger toastet Tomaten" in der Hand.

Sie gibt Rossipotti einen sanften Klaps auf die Wange und ruft leise seinen Namen.

Langsam schieben sich Rossipottis Lider auf. Sein Blick fällt direkt auf die poppigen Bilder.

"Budde!" röchelt er. "Na endlich!"

Palmina liest Buddes schrill gereimtes, in plakative, zweidimensionale und comicartige Illustrationen umgesetztes Sonderlings-ABC vor:
"Anton hat Appetiti auf Anis, Alma hat Appetit auf Austern mit Anchovis, Alfred hat Appetit auf Ananas mit Apfelspeise, Arnold hat Appetit auf Ameise. / Ein blonder Bock mit Backenbart war Boxer von Beruf. Er besaß einen Bademantel mit blauem Band und einen beachtlichen Briefbestand, bekam of Blumen und buntem Besuch ..."

"Ah, das tut gut!" sagt Rossipotti und seine Schnauze fängt wieder an in natürlichem Rot zu leuchten. "Könntest du mir jetzt bitte die Seiten mit der Made zeigen? Die gefällen mir am besten!"

Palmina schlägt die "M"-Seite auf, hält sie Rossipotti vor die Augen und sagt auswendig: "Moderne Maden mögen Musik, den Mond, das Meer und die Mathematik, Malerei, Museen (die Marzipanfabrik) und Mode aus Marinebaleuem Tüll ... am meisten aber muffigen Müll"

"Hervorragend!" sagt Rossipotti und setzt sich endlich auf. "Weißt du übrigens, was mir an dem Buch neben den Bildern am besten gefällt? Dass es Lust darauf macht, selbst ein Quatsch-ABC zu machen!"

Nadia Budde: Trauriger Tiger toastet Tomaten. Ein ABC. Peter Hammer Verlag. Wuppertal 2000.

* * *

Lilli, machst du Quatsch?

"Mir ist noch ein gutes Quatsch-Buch eingefallen!" sage ich. "Das müssen wir unbedingt vorstellen.

"Haben wir nicht schon genug Bücher vorgestellt?" fragt Rossipotti. "Ich glaube, ich brauche mal eine Quatsch-Pause."

"Das wundert mich nicht", sage ich. "Deine Quatsch-Komödien-Nummer gerade war sicher anstrengend!"
Jetzt, da Rossipotti wieder gesund und rot vor mir sitzt, glaube ich nämlich doch, dass er seinen Kollaps vorhin nur gespielt hat. "Wie bekommst du es eigentlich hin, dass sich deine Schnauze so lila verfärbt?"

"Welche Komödiennummer und welche lila Schnauze?" fragt Rossipotti unschuldig.

"Wolltest du vielleicht die 'Neun nackten Nilpferddamen' vorstellen?" fragt mich Palmina und lenkt damit gekonnt von Rossipottis lila Schnauze ab.

"Nein", sage ich. "Ich habe eigentlich an etwas anderes gedacht."

"Er will sicher 'Lilli, machst du Quatsch?' vorstellen", mischt sich Rossipotti ein. "Das Buch ist ganz nach seinem Geschmack! Auffallend aber nicht grenzüberschreitend. Gut gearbeitet, aber nicht wirklich neuartig. Und dann gefällt ihm sicher der Titel! So ein Titel muss jemandem wie meiner Leibspeise einfach in die Augen springen!"

Ich bin sprachlos!
Nicht, weil sich Rossipotti mal wieder über mich lustig macht, sondern weil er tatsächlich ins Schwarze getroffen hat! Ich wollte nämlich wirklich "Lilli, machst du Quatsch?" vorstellen. In einer Quatsch-Ausgabe darf ein neu erschienenes Buch mit so einem Titel einfach nicht fehlen!

"Und weißt du was?" meint Rossipotti. "Ich habe sogar nicht einmal etwas dagegen! Allerdings nur, wenn du nichts dagegen hast, dass ich jetzt mit Palmina ins Aquarium verschwinde, Fische ansehen!"

Ins Aquarium!
Fische ansehen!
Wie kann Rossipotti so gemein sein?
Er weiß ganz genau, dass ich fast nichts so gern mache, wie mich im Aquarium mit meinen Verwandten zu unterhalten!

"Tja, wer ein Buch unbedingt vorstellen will", sagt Rossipotti, "der muss natürlich zu Opfern bereit sein. Bis dann!"

Fröhlich pfeifend gehen Rossipotti und Palmina aus dem Raum und lassen mich hier allein mit Nina Kuhns und Yvonne Kuschels Bilderbuch zurück!
Aber so einfach kommen sie mir nicht davon! Ich lasse mich doch nicht erpressen! Ich stelle das Buch einfach nur ganz kurz vor und renne ihnen dann schnell ins Aquarium hinterher!

Also:
Lilli ist vielleicht vier, fünf Jahre alt und hat den ganzen Tag nichts als Quatsch im Kopf: Sie bemalt den Fußboden mit Nagellack, schneidet ihrer Puppe die Haare ab, baut im Supermarkt ein Schachtel-Tor und zieht die Maschen vom Pullover ihres Papas auf.
Das Tolle daran: Die Eltern fragen zwar aus dem Nachbarzimmer ständig: 'Lilli, machst du Quatsch?' und Lilli antwortet natürlich immer: 'Nein!', aber immer, wenn die Eltern das Disaster sehen, schimpfen sie kein Bisschen!
So macht Quatschmachen sicher Spaß!

Mehr zum Stil des Buchs und seinen bunten Strichzeichnungen kann ich euch jetzt leider nicht mehr erzählen. Wie ihr wisst, muss ich unbedingt ins Aquarium!
Aber ihr seid ja zum Glück nicht auf mich angewiesen und könnt euch das Buch einfach selbst ansehen!

Nina Kuhn/Yvonne Kuschel: Lilli, machst du Quasch? Residenz Verlag. St. Pölten/Salzburg 2006.

* * *

Lieblingsbuch

vorgestellt von Helma Hörath

 

Zwei Knaben gingen durch den Sand

Doch keiner eine Muschel fand. / Da sprach der eine: "Siehste, / jetzt sind wir in der Wieste."
Na, so ein Quatsch, wirst du vielleicht sagen. Und damit hast du wirklich und wahrhaftig den Nagel auf den Kopf getroffen.
Es ist ein Spaßlied, das irgendwann vor langer Zeit entstand und dem beim Singen in fröhlicher Runde immer eine Strophe mehr angehangen wurde. Ich kann mich an meine Kindheit und meinen Vater erinnern, der dieses Lied mit Begeisterung nach der Melodie "Freut euch des Lebens" sang und mit uns gemeinsam an neuen Versen knobelte. Was meinst du hierzu (nicht in unserer Familie entstanden, aber trotzdem gut):
"Zwei Knaben stiegen auf einen Turm; / der eine hatt' einen Bandelwurm; / der andre keck und munter, / der ließ sich daran herunter."
Wenn ich mir das Bild in Gedanken vorstelle, dann muss ich gleich losprusten vor Lachen. Oder geht es dir anders?
Du findest dieses und andere Scherzlieder in dem Buch "Spaß- und Quatschlieder", aus dem Voggenreiter Verlag, versehen mit Noten und mit Angaben für Gitarre und Akkordeon. Diese besondere Sammlung lustiger alter und neuer Lieder wurde vor einigen Jahren von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur mit einem Preis ausgezeichnet.
Sicherlich kennst du das Gedicht "Dunkel war's, der Mond schien helle, / Schnee lag auf der grünen Flur. / Als ein Wagen blitzesschnelle / Langsam um die Ecke fuhr ..."
Der Dichter, von dem wir den Namen nicht kennen, spielt hier mit Gegensätzen, die nicht gleichzeitig ablaufen können: dunkel-hell, schnell-langsam. Das ist gerade das Witzige an der Sache. Manchmal ist aber bei Quatsch-Gedichten nicht mal ein Inhalt vorhanden und es macht trotzdem Spaß wie bei dem Lied: "Qui, qua, qui, qua, qualleralle, qui, qua, qui, qua, rassasa ..."
Das ist nun wirklich totaler Quatsch, meinst du. Ja aber, was ist denn Quatsch eigentlich?
Es gibt Wörterbücher der deutschen Sprache, die die Herkunft eines Wortes erklären, sozusagen seine Wurzeln frei legen. Aber bei Quatsch tappen auch die Sprachforscher im Dunkeln. Sie wissen, dass die Menschen vor 400 Jahren schon das Verb 'quatschen' gleichbedeutend mit 'dummes Zeug reden' benutzten. Aber in keinem Text fand sich das Substantiv dazu. Also schlussfolgerten die Wissenschaftler, dass sich Quatsch später aus dem Tätigkeitswort herausgebildet haben muss. Denkbar wäre auch eine Übernahme aus dem Niederdeutschen. Da gibt es das Wort 'quatsken', was wertloses Zeug reden, bedeutet. Es ist aber auch eine ganz andere Richtung möglich: Die Norddeutschen sagen 'quatschen' und bezeichnen damit das Geräusch, das entsteht, wenn man durch Wasser und Schlamm watet. Das seit dem 16.Jahrhundert bezeugte Verb ist eine Lautnachahmung. Mit dem Substantiv kennzeichnet man somit eine breiartige, morastige Masse. Auch keine schlechte Beschreibung von Unsinnstexten. Oder?
Aber vielleicht hast du eine ganze andere Erklärung zum Wort 'Quatsch'. Dann schreib sie doch mal auf und schick sie uns!

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Ich, Petka und der Esel

Mir fallen zum Thema, das Rossipotti gewählt hat, auf Anhieb immer nur Lieder und Gedichte ein. Aber es gibt neben der Lyrik natürlich auch Prosa-Texte. Im Aufbau-Verlag erscheint in diesen Tagen das Buch "lch, Petka und der Esel" von Daniil Charms.
Der russische Autor, der eigentlich Daniil Iwanowitsch Juwatschow heißt und von 1905 bis 1942 lebte, berichtet über eine seltsame Reise von fünf Freunden, die nicht unterschiedlicher sein können. Und nicht zuletzt aus diesem Grunde entstehen die dollsten Abenteuer. Da heißt es zum Beispiel an einer Stelle: "Alles war gut, nur der kleine Mann saß auf dem Scheinwerfer ziemlich unbequem, er schwankte hin und her wie ein Stehaufmännchen. Wir andern aber konnten nicht klagen. Wir fuhren und pfiffen uns eins."
Die 32 Seiten des Buches mit großer Schrift sind schnell durchgelesen. Und doch, ich habe es immer wieder zur Hand genommen, um mir noch einmal die eine oder andere Stelle der unsinnigen Reiseereignisse vorzustellen. Meine inneren Bilder wurden nachdrücklich zum Aufblühen angeregt durch die einfühlsamen und doch ganz starken Illustrationen des Berliner Künstlers Willi Glasauer.

Daniil Charms/Willi Glasauer: Ich, Petka und der Esel. Aufbau Verlag. Berlin 2007.

Mehr zu Daniil Charms im Salon Albert der dritten Rossipotti-Ausgabe.

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Geschichten aus der Murkelei

Eine ähnlich seltsame Fahrt beschreibt auch Hans Fallada in seiner Geschichte vom verkehrten Tag. Du findest sie in dem Buch "Geschichten aus der Murkelei".
Hast du auch schon mal einen Tag erlebt, an dem vom Morgen bis zum Abend alles verquer läuft? So ist es auch sicherlich mal Hans Fallada ergangen, dem Schriftsteller, der seinen Künstlernamen nach dem Pferd in dem Grimmschen Märchen "Die Gänsemagd" auswählte. Nach solch einem verkehrten Tag setzte er sich hin und schrieb seine Erlebnisse auf. Na ja, natürlich mit dichterischer Freiheit: Der Vater zieht den Wagen, der Schimmel sitzt auf dem Kutschbock und hält die Zügel, die Tante hängt als Katzenauge, als Rücklicht, am Hinterteil des Wagens, damit die Reisenden keinen Strafzettel von der Polizei erhalten. Und doch passiert es und natürlich auch noch viel mehr.
Ich kann dir die Geschichten aus der Murkelei wirklich nur empfehlen! Sie lesen sich sehr unterhaltsam, man kann dabei schmunzeln oder auch lauthals lachen.
Der Aufbau-Verlag hat im vorigen Jahr in einer sechsten Auflage ein Taschenbuch mit diesen wunderbaren märchenhaften Fantasien von Hans Fallada herausgebracht. Es ist auch mit 4,50 Euro einigermaßen erschwinglich.
Aber ich glaube, du solltest in dem Fall den Weg in die nächste Kinderbibliothek oder zum Bücherschrank deiner Großeltern nicht scheuen und dir eine Ausgabe mit den Originalzeichnungen von Conrad Neubauer ausleihen. Damit will ich wirklich nichts gegen die Illustrationen in diesem Taschenbuch einwenden. Aber wir von der Großelterngeneration haben diese Geschichten gerade mit den Original-Zeichnungen sehr geliebt, was du vielleicht auch an der Abbildung meines zerlesen Buches erkennen kannst.

Hans Fallada: Geschichten aus der Murkelei. Aufbau Taschenbuch Verlag. Berlin 2005.

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Kommt ein Pluster geflogen

Wenn du Glück hast, dann begegnet dir auf dem Weg in die Bibliothek oder zu Oma und Opa auch ein Pluster.
Was, du kennst ein Pluster nicht? Dann musst du ihn jetzt unbedingt kennenlernen!
Erfunden hat ihn Klaus Spitzer, der den Pluster in Wort und Bild in seinem Sprachspielbuch "Kommt ein Pluster geflogen" für die Ewigkeit auf flaches Papier gebannt hat. Im Buch ist das Pluster natürlich platt aber draußen auf dem Quatsch-Baum ist es verwirrend rund, mit kleinem Kopf, spitzem Schnabel und Pfauen-Schwanzfedern auf dem Kopf. Es pickt Buchstaben von den Ästen und lässt sie dann fallen. Aus den Haufen zwischen den Baumwurzeln entstehen viele seltsame Zeilen, die Augen, Mund und Bauchlachmuskeln ganz schön anstrengen.
Probiere es beim folgenden Gedichtam am besten gleich selbst aus:

DIXEL DUXEL DEXEL DAX
RIXEL RUXEL REXEL RAX
ZIPPELdiZAPPELdiZUPPELdiZEPP
KLIPPELdiKLEPPELdiKLUPPELdiKLEPP
SCHLOBERschlaberSCHLUBERschlipp
WOBER WABER WUBER WIPP
KORCHELmorchelFORCHELlorch
schmorchelWORCHELborchelDORCH
BIMMEL BAMMEL BEMMEL BUMM
ZIMMEL ZAMMEL ZEMMEL ZUMM
LILÄSE LILÖSE LILEISE LILAUS
SISÄSE SISÖSE SISEISE SISAUS
KRIESKRAASKRUUS: UUUS

Auf dem roten Buchdeckel mit den vielen seltsamen Buchstabenwesen lädt dich Klaus Spitzer ein, Fantasiewörter selbst zu erfinden, knifflige Bilderrätsel zu lösen, kleine Verse zu dichten, neue Geheimschriften zu entwerfen und über Unsinn-Gedichte schallend zu lachen. Und dazu solltest du auch deinen Bruder und deine Schwester, deine Eltern und deine Großeltern, deine Freundin und deinen Freund einladen. Denn Quatsch macht erst in großer Runde so richtigen mordsmäßigen Spaß.

Klaus Spitzer: Kommt ein Pluster geflogen. Ein Sprach- und Spielbuch. C. Bertelsmann Verlag. München 2002.

 

Neu in der Buchhandlung:

Der Ritt auf dem Seepferd und

Bei einem Rundgang durch meine Buchhandlung entdeckte ich kürzlich zwei ganz neue Bücher vom Aufbau-Verlag. Die Bilder auf den großformatigen Buchdeckeln zogen sofort den Blick auf sich. Ich nahm sie aus dem Regal, setzte mich still in eine Ecke, blätterte, las, blätterte zurück und wieder vorwärts.

Wenn die Möpse Schnäpse trinken

Das Gedicht schrieb James Krüss und die Illustrationen schuf Alexandra Junge.
Ja, du hast richtig gelesen. Es geht nur um ein Gedicht mit 70 Wörtern auf 32 Seiten. Entsprechend wenig Text muss gelesen werden und entsprechend großzügig sind die Bilder. James Krüss steht für unerwartete Reime, was sich schon im Titel des Buches ausdrückt. Manchmal sind auch schräge Reime herausgekommen, wie du bei Möpse und Schnäpse oder bei Föhren und Bären ("Ö" gereimt mit "Ä") erkennen kannst. Alexandra Junge stellte die boxenden Ochsen, die Affen fangenden Giraffen und die Mäuslein mit den Läuslein auf eine Bühne. Immer wenn sich der Vorhang hebt, kommt ein neuer tierischer Unsinn hervorgesprungen. Und mit den Schlangen an den Lampenstangen, dem Meisebräutigam und der Pelikanbraut auf dem Standesamt, den Schnecken sortierenden Elefanten und dem fiebrigen Biber-Koch entstehen gleich jede Menge neue Geschichten im Kopf. Also, ich hatte große Lust, mir vorzustellen, was der Wal wohl in seinen Reisekoffern ins grüne Tal transportiert haben könnte und was die im Bus reisenden Bären nach ihrem Fototripp zu den Föhren unternehmen würden. Vielleicht würde es dir genauso wie mir gehen, wenn du das Buch erst einmal in der Hand halten könntest. Aber dazu brauchst du die exakten Angaben:

James Krüss (Text)/Alexandra Junge (Illustration): Wenn die Möpse Schnäpse trinken. Aufbau-Verlag. Berlin 2007. 32 Seiten.

 

Der Ritt auf dem Seepferd

Sicherlich sagt dir der Name des Freiherrns von Münchhausen etwas. Nein? Du kennst Münchhausen nicht? Also, man nennt ihn auch den Lügenbaron. Vielleicht hast du diese Bezeichung schon mal von Oma oder Opa gehört. Es ist eine Gestalt aus der Literatur. Aber man kennzeichnet heute damit auch einen Menschen, der so viel Unwahres erzählt, dass man gar nicht mehr Wahrheit von Unwahrheit unterscheiden kann.
Carl Friedrich Hieronymus Freiherr von Münchhausen hat vor 200 Jahren wirklich gelebt. Er war ein gebildeter, weit gereister Mann. Besonders hervorstechend war seine Erzählkunst. Er konnte so interessant und spannend von seinen Kriegs-, Reise- und Jagdabenteuern berichten, dass jeder ihn gern zu sich einlud und ihn zum Erzählen aufforderte. Um nicht immer wieder die alten und schon vielen bekannten Anekdoten und Erlebnisse zu erzählen, begann er, sie zu verändern und auszuschmücken. Aber inwieweit dieser Baron von Münchhausen wirklich geflunkert hat, das weiß keiner mehr so genau.
Was wir aber wissen, das ist folgendes: 1781 wurden die Geschichten zum ersten Mal in einer deutschen Zeitschrift anonym, also ohne Angabe des Autoren, veröffentlicht. Mit großem Erfolg wanderten die Geschichten nach England und wurden aus dem Englischen von dem Dichter G. A. Bürger nicht nur wieder zurück ins Deutsche übertragen, sondern mehrmals mit selbst erfundenen Geschichten angereichert. Zahlreiche Dichter und später auch Filmkünstler machten es ihm nach.
Gerade jetzt im März 2007 hat der Aufbau-Verlag eine neue Münchhausiade für Kinder auf den Büchertisch gelegt. Dabei berichtet der Schriftsteller Heinz Janisch von alten und durch wundersame Zufälle neu entdeckten Dokumenten der Abenteuer dieses Freiherrn von Münchhausen. Neben den bekannten Geschichten, wie beispielsweise Münchhausen sich mit samt seinem Pferde am eigenen Halse aus dem Sumpf zog, gibt es auf dieses 32 Seiten so viel Unglaubliches und Neues zu entdecken, dass ich dir hier gar nicht alles aufzählen kann und vor allem auch nicht will. Du musst allein lesen, was es denn mit dem Weltumdreher auf sich hat und warum Münchhausen sein Ross mit dem Seepferdchenhengst tauschte. Ich kann dir hier nur sagen: Man hängt beim Lesen an jeder Zeile des Textes und an den fantastischen Bilder, die 27,5 cm breit und 22,5 cm hoch sind und von Aljoscha Blau geschaffen wurden. Mir juckt es in den Fingern, gleich eine eigene Lügengeschichte aufzuschreiben.
Aber vielleicht hast du auch so etwas auf Lager. Dann kann ich dir noch berichten, dass der Aufbau-Verlag alle Kinder bis zu 12 Jahren zu einem großen Münchhausen-Schreib- und Malwettbewerb aufgerufen hat. Du findest die Ausschreibung auf einem Faltblatt in dem Buch. Wenn dein Taschengeld im Augenblick nicht reicht, um dir beide oder eines dieser neuen Aufbau-Bilderbücher zu kaufen, dann bleibt dir nur der Weg in die Kinderbibliothek. Oder, vielleicht darfst du einen Wunsch zu Ostern äußern... Auf jeden Fall findest du die Angaben zum Schreib- und Malwettbewerb auch unter www.neues-von-muenchhausen.de

Heinz Janisch (Text)/Aljoscha Blau (Illustration): Der Ritt auf dem Seepferd/Neues von Münchhausen. Aufbau-Verlag. Berlin 2007. 32 Seiten.

Gute Laune beim Lesen, Spielen, Malen und Spinnen wünscht dir wie immer Helma

 
 © Rossipotti No. 14, Feb. 2007