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Rossipottis 11 Uhr Termin
Zackarina
und der Sandwolf
Daraus: Ein seltenes und ungewöhnliches Tier
(erstes Kapitel)
von Åsa Lind (Text) und Philip Waechter (Illustrationen)
Zackarina wohnte zusammen mit ihrer Mama und ihrem
Papa in einem Haus am Meer. Das Haus war klein, aber das Meer war
groß, und im Meer kann man baden - auf jeden Fall im Sommer.
Nun war es Sommer, sonnig und warm, und Zackarina wollte baden.
Aber es gab ein Problem. Sie durfte nicht allein ins Wasser, und
Papa hatte keine Lust mit ihr zum Strand zu gehen.
"Ich habe jetzt keine Zeit", sagte er. "Ich muss
Zeitung lesen, verstehst du?"
Und so legte er sich mit einer großen, raschelnden Zeitung
in die Hängematte. Die Zeitung war so groß, dass er hinter
ihr, wie unter einer Decke, ganz verschwand. Nur die Füße
schauten hervor. Unglaublich öde Füße, dachte Zackarina.
Langweilige Papafüße, die nicht zum Baden gehen wollten.
"Ich gehe auf jeden Fall zum Strand", sagte sie.
"Ja, ja", sagte Papa.
"Weil ich eine Grube graben werde", sagte Zackarina, "im
Sand. Und das wird eine Falle, in die du dann hineinfällst."
"Ach, wie schön", sagte Papa und raschelte mit der
Zeitung.
Zackarina verstand, dass er ihr überhaupt nicht zugehört
hatte. Das sagte er immer, wenn er nicht zuhörte - 'Ach, wie
schön'.
"Nein", sagte sie, "nicht schön. Unschön!"
Sie ging hinunter zum Strand und fing an, mit den Händen im
Sand zu graben. Zuerst war der Sand hell und trocken und warm, aber
weiter unten wurde er feucht - und dunkel und kalt.
Zackarina legte sich auf den Bauch und schaute in die Grube hinunter.
Wie tief die war! Was für eine Falle! Sie hatte wirklich Mitleid
mit Papa, der in ein so tiefes, schreckliches Loch fallen musste.
Obwohl es ihm recht geschieht, dachte sie und grub noch ein wenig
tiefer.
Da geschah es.
Etwas bewegte sich in der Grube. Zackarina spürte es ganz deutlich
und sie zog schnell die Hand zurück. Dort unten war etwas,
wirklich! Ganz unten auf dem Grund. Der Sand bewegte sich, und jetzt
- jetzt schaute etwas hervor. Etwas, das schwarz war und ein wenig
glänzte.
Sie sah sofort, was es war.
Das war ein Nase. Eine Nase, die schnüffelte und schnaubte,
die wühlte und schnaubte.
"Papa!", rief sie. "Da ist eine Nase in meiner Grube
und die lebt!"
"Ach, wie schön", raschelte Papa von weit her aus
der Hängematte.
Schön? Zackarina war sich da wirklich nicht so sicher. Das
kam wohl ganz darauf an, zu welcher Art Tier diese Nase gehörte.
Und wenn das Tier in der Grube ein wildes Tier war?
Die Nase wühlte sich noch etwas weiter heraus - und noch ein
Stückchen.
Zackarina kroch zurück und hielt den Atem an. Das Tier war
auf dem Weg nach oben! Es scharrte und rumorte in der Grube, und
plötzlich kam ein Kopf zum Vorschein ...
Aber was war das für ein Tier? Auf keinen Fall
war es ein Hund, obwohl es einem Schäferhund ähnelte,
wenn auch nur ein bisschen. Irgendwie war es viel wilder. Und das
Fell sah nicht haarig aus. Eher wie Sand, wie sonnengelber Wüstensand.
Das Tier sah sich um und entdeckte sie natürlich.
"Ich verstehe", sagte das Tier und nickte langsam, und
Zackarina hörte, dass es ein männliches Tier war.
"Du hast also die Grube gegraben", sagte er.
"Lass mich mal überlegen. Dann musst du ein Dachs sein,
oder etwa nicht?"
Sie wagte weder ja noch nein zu sagen, also sagte sie nichts.
Das Tier seufzte.
"Welch ein wunderliches kleines Wesen", sagte er. "Gräbt
wie ein Dachs, ist aber stumm wie ein Fisch."
Mit einem Satz sprang er aus der Grube heraus - vier Beine und ein
Körper und ein wedelnder Schwanz. Er trottete auf Zackarina
zu, die sich zusammenkauerte und dachte: Hilfe, er frisst mich auf!
Aber das tat er nicht. Er schnupperte nur überall an ihr herum.
Das kitzelte und sie musste lachen.
"Aha, du wieherst", sagte das Tier. "Dann musst du
ein Pferd sein. Oder gackerst du vielleicht? In diesem Fall bist
du wohl ein Huhn."
Das Tier legte den Kopf zur Seite und überlegte weiter.
"Allerdings eine lustige Art von Huhn, das keine Federn hat",
sagte es. "Bei meiner Seele und meinem Schwanz, du bist ein
komisches Tier."
Nun konnte Zackarina nicht länger still sein.
"Ich bin überhaupt kein Huhn", sagte sie. "Ich
bin ein Mensch."
Das Tier lächelte mit tausend scharfen Zähnen, die waren
weiß wie Schneckenhäuschen.
"Genau das habe ich doch gesagt", sagte er. "Ein
sehr komisches Tier."
Er rollte sich im Sand und streckte sich neben Zackarina aus. Sein
sandiger Körper glitzerte wie Gold in der Sonne.
"Und ich bin ein Sandwolf", sagte er. "Guten Tag,
guten Tag! Ich bin sehr selten und selten schön, oder etwa
nicht?"
Zackarina wusste nicht so recht, was sie von alledem halten sollte.
Sie hatte vorher noch nie einen Sandwolf getroffen. Sie war sich
nicht ganz sicher, ob sie große Angst hatte oder sehr glücklich
war.
"Was isst du?", fragte sie vorsichtig. "Isst du ...
Menschen?"
"Menschen? Nein, igitt!", sagte der Sandwolf. "Ich
esse meistens Sonnenschein und Mondschein, weil man von Mondschein
unglaublich klug wird. Ich weiß alles."
"Alles auf der ganzen Welt?", fragte Zackarina.
"Alles auf allen Welten und alle Antworten auf alle Fragen",
sagte der Sandwolf.
Zackarina versuchte sich eine richtig schwere Frage auszudenken,
auf die dieser überhebliche Wolf niemals antworten könnte.
Etwas über den Weltraum oder so. Oder über Ameisenhaufen.
Aber als sie den Mund öffnete, purzelte eine ganz andere Frage
hervor.
"Warum", fragte sie, "warum muss Papa Zeitung lesen?"
"Ha! Leichte Frage", sagte der Sandwolf. "Er ist
natürlich verhext worden, das ist ja wohl klar."
"Verhext?", fragte Zackarina.
"Ja, oder hypnotisiert", sagte der Sandwolf.
"Seine Augen sind an der Zeitung kleben geblieben, an diesen
kleinen schwarzen Buchstaben, und jetzt kann er nicht mehr loskommen."
Zackarina mochte diese Antwort überhaupt nicht. Sie wollte
keinen Papa haben, der für den Rest seines Lebens an einer
Zeitung klebte.
"Immer mit der Ruhe", sagte der Sandwolf.
"Ich werde ihn befreien."
Er machte einen Satz und stürzte davon. Wie ein wirbelnder
Sandsturm raste er direkt auf das Haus und die Hängematte zu
und riss Papa die Zeitung aus den Händen.
Die Zeitungsseiten flatterten über das Meer hinweg wie große
Vögel.
Papa fiel aus der Hängematte, landete mit einem Bums auf dem
Boden und dachte - ein Wolf?
"Zackarina", rief er. "Ich habe einen Sonnenstich
bekommen. Ich muss baden."
"Endlich", sagte sie.
Und das Meer war groß und blau, und sie badeten lange - bis
die Finger schrumpelig wurden. Dann gingen sie heim und tranken
Tee und spielten Karten und schummelten nur, wenn es nötig
war.
Aber in der Grube im Sand am Strand lag noch der Sandwolf und dachte
- an Menschen und an Papas und andere komische Tiere.
* * *
Diese
schöne Geschichte ist ein Kapitel des wunderbaren Buchs
Zackarina und der Sandwolf von Åsa Lind mit Bildern
von Philip Waechter. Das Buch aus dem Schwedischen übersetzt
hat Jutta Leukel. Es ist 2004 im Beltz & Gelberg Verlag (Weinheim,
Basel) erschienen und will unbedingt gelesen werden.
Wir freuen uns, dass der Beltz & Gelberg Verlag und Philip
Waechter Rossipotti
die Geschichte zur Verfügung gestellt haben!
* * *
Spannend erzählt
Folge eins
von Lutz Rathenow
Es war einmal ein sehr fähiger Polizist.
Und es war einmal ein sehr talentierter Verbrecher.
Der verbrach ein Leben lang, was es für anspruchsvollere kriminelle
Gemüter zu verbrechen gab.
Und der Polizist verhaftete sein Dienstleben lang, was es für
fleißige Polizisten haftbar zu machen galt.
Der Verbrecher träumte oft von einem fähigen Polizisten,
den zu überlisten es wirklich Spaß machen würde.
Der Polizist träumte von einem genialen Verbrecher, den er
nach anspruchsvoller Jagd doch fangen würde.
Und eines Tages begegneten sich beide. Beinahe. Im letzten Moment
kam etwas dazwischen.
* * *
Spannend erzählt
Folge zwei
von Lutz Rathenow
Einmal ging der Mörder, dessen Namen zu nennen er ausdrücklich
untersagt hat, begab sich also dieser Schwerverbrecher zur Polizei.
Der Verbrechen zum Erbrechen überdrüssig, wollte er gestehen,
was er je an Delikten verübt hatte und wäre aus Reue bereit
gewesen, auch ein paar nicht begangene auf das eigene Strafkonto
anrechnen zu lassen.
Angekommen auf der Dienststelle, war für diesen Tag die Sprechzeit
schon zu Ende. Niemand wollte von dem Mörder etwas wissen.
Ein mürrischer Hausmeister lief herum, den der Straftäter
ansprach.
Der Hausmeister unterbrach die Frage mit der Bemerkung, er solle
sich zum Teufel scheren - er selbst sei nur für die Heizung
zuständig und nicht für Mörder.
Diese Frechheit war dem Verbrecher zuviel, er erwürgte den
Hausmeister und verließ den ungastlichen Ort.
* * *
Die
beiden kurzen Geschichten hat Lutz Rathenow Rossipotti
freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Sie sind in dem Buch
Es war einmal ein Wolf. Geschichten für Kinder jeglichen
Alters im Burgverlag zu Weißensee in Thüringen
im Jahr 2000 erschienen. In dem Buch findet ihr auf 145 Seiten noch
viele andere skurrile und lustige Geschichten von Lutz Rathenow.
Das Buch ist nur beim Burgverlag zu Weißensee, Langer Damm
2 in 99631 Weißensee erhältlich. Wenn ihr es bestellen möchtet,
muss sich deshalb euer Buchhändler oder ihr euch selbst direkt
an den Verlag wenden.
* * *
Ein blöder Tag
von Nele Stein (Text) und Tine Neubert (Illustrationen)
Heute
war ein blöder Tag. Es war bestimmt der blödeste Tag in
meinem Leben. Schon der Morgen hat ganz doof angefangen. Zuerst
habe ich meine afrikanischen Elefantensocken nicht gefunden. Dann
hat mich mein Vater geschimpft, weil er eine kaputte Kassette unter
seinem Schreibtisch entdeckt hat. Und dann wollte meine Mutter auch
noch, dass ich die Elefantensocken selbst auswasche, die sie vor
dem Frühstück im halb vollen Marmeladeglas gefunden hatte.
Ich habe mich natürlich gewehrt! Was kann ich dafür, wenn
die Socken plötzlich im Marmeladeglas landen? Ich habe sie
da ganz bestimmt nicht hineingetan! Doch meine Mutter war heute
ausgesprochen bockig, und so musste ich mit klebrigen Elefantensocken
in die Schule gehen! Meine neuen Turnschuhe waren da natürlich
gleich mit im Eimer.
Zum Glück hatten wir heute kein Sport, da konnten die anderen
wenigsten nicht meine roten Marmeladesocken sehen. Aber dafür
umso besser riechen. Denn meine Nebensitzerin Sophie schnüffelte
immer so auffallend in meine Richtung. Mindestens drei Mal ist ihr
der Radiergummi im Matheunterricht heruntergefallen. Das war natürlich
nur meinetwegen. Jedes Mal, wenn sie den Radiergummi unter dem Tisch
hervorholte, beugte sie sich ein wenig über meine Schuhe.
Und
in der nächsten Pause tuschelte sie mit ihrer Freundin. Mädchen
finde ich eh blöd. Die haben immer was zu tuscheln und zu kichern.
Wir Jungs sind da viel cooler. Wenn ein Junge die Marmeladensocken
von seinem Nachbarn entdeckt, zieht er nur die Mundwinkel ein wenig
nach unten. Vielleicht denkt er dann, dass der andere seine Mutter
nicht im Griff hat, aber er tratscht es wenigstens nicht in der
ganzen Klasse herum. Aber wegen Sophie wussten bald die meisten
über mich Bescheid. Sophie flüsterte es in der Pause Marie,
und Marie schrieb in der nächsten Stunde viele Zettelchen.
Das erste bekam Paul, das zweite Henri, das dritte Sabine, und so
weiter und so weiter. Als einer der Zettel bei Sophie landete, schnappte
ich ihn mir. "Mädchen küssen nicht" stand darauf.
Ich wurde sehr rot. Ich hätte nicht gedacht, dass ich jetzt
schon als Mädchen verschrieen war, bloß weil ich Marmeladesocken
anhatte! Aber klar! Marmelade roch so süß wie das Zeugs,
das sich die Mädchen hinter die Ohren schmierten.
Komisch war nur, dass auch Sophie ganz rot wurde, nachdem sie den
Zettel gelesen hatte.
Doch ich will jetzt gar nicht nur von meinen Marmeladesocken erzählen.
Denn der Tag war noch aus einem anderen Grund unglaublich blöd.
Nach der Schule passte mich nämlich Finn, der zwei Klassen
über mir ist, ab.
"Hallo Max, ich möchte mal mein Meerschweinchen besuchen,"
sagte er. "Ich komme gleich mit dir mit. Ich muss eh in die
Richtung."
Das war schlimm. Denn sein Meerschweinchen, das er mir vor ein paar
Monaten geschenkt hatte, war schon längst tot. Eines Morgens
war es mit halboffenem Maul und stumpfen Augen steif in seinem Stall
gelegen. "Ich will nie wieder etwas mit Meerschweinchen zu
tun haben", habe ich damals gedacht. Und da kommt Finn, und
will sein Meerschweinchen sehen!
"Du," musste ich da lügen, "ich gehe gar nicht
nach Hause. Ich esse heute bei meiner Oma."
"Welche Oma? Ich denke, die wohnt meilenweit entfernt."
"Ich meine doch nicht meine richtige Oma. Ich habe jetzt eine
Leihoma. Meine Leihoma wohnt in einem ganz anderen Stadtteil. Da
muss ich den Bus nehmen."
Finn schaute mich sehr skeptisch an. Wahrscheinlich glaubte er mir
nicht. Deshalb blieb er auch stehen und wartete, bis ich zur Bushaltestelle
lief, die gegenüber unserer Schule war. Finn wartete leider
so lange, bis der Bus kam und ich in ihn einsteigen musste. Ich
winkte ihm zum Abschied und kam mir saublöd vor.
Ich hatte natürlich kein Geld in der Tasche. Und an diesem
Tag war es nicht weiter verwunderlich, dass kurz nach der Anfahrt
des Busses, zwei Kontrolleure riefen: "Fahrscheine bitte."
Zum
Glück sehe ich ein wenig blöd aus. Meine Brille vergrößert
meine Augen so, dass sie wie tote Fische in meinem Gesicht stehen.
Die Kontrolleure glaubten mir deshalb schließlich, dass ich
meine Fahrkarte aus Angst vor ihnen verschluckt hatte. Meine schweißigen
Hände, die ich ihnen zum Abschied reichte, dienten außerdem
als Beweis meiner Unschuld. Leider war der Bus trotzdem schon ein
paar Kilometer gefahren, bis ich die Kontrolleure von meiner Geschichte
überzeugt hatte, und ich brauchte zwei Stunden bis ich endlich
vor unserer Wohnungstür stand.
Doch statt, dass mir jemand öffnete, klebte ein weißer
Zettel neben der Klingel. "Wo bleibst Du?" stand da in
der Schrift meiner Mutter geschrieben. "Wir sind jetzt ohne
dich in das Bulberbad gefahren. Wir wollten Kathrin schließlich
nicht wieder nach Hause schicken. Wir sind spätestens zum Abendessen
zurück. Gruß Mama."
So eine Gemeinheit! Seit drei Wochen freute ich mich auf das Bulberbad,
und jetzt waren die einfach ohne mich losgefahren. Dabei war das
meine Idee gewesen, dort hinzufahren. Das Bulberbad war ein ganz
tolles Abenteuerbad. Da gab es Tunnel zum Durchschwimmen und Gummikraken,
die man mit Netzen fangen konnte. Derjenige, der in einer bestimmten
Zeit am meisten Kraken gefangen hatte, bekam einen Preis. Und nur
wegen der blöden Freundin meiner Schwester durfte ich jetzt
nicht mit ins Bulberbad. Kathrin war eh eine blöde Kuh. Die
tat immer so, als ob sie bei uns wohnte. Die ging an unseren Kühlschrank,
wenn sie Lust dazu hatte, und wenn ich etwas sagte, was ihr nicht
passte, sagte sie einfach: "Was redest du denn für einen
Quatsch, Kleiner." Doch das mit dem Bulberbad war jetzt einfach
zuviel. Ich musste Kathrin den Kampf ansagen. Bestimmt fiel mir
etwas ganz Tolles ein. Ich könnte zum Beispiel eine geheime
Spuckschleuder bauen, mit der ich heimlich Kaugummikügelchen
auf Kathrins Haare schleudern könnte.
Aber
dazu müsste ich in mein Zimmer oder zumindest in unsere Wohnung
und das war mir jetzt partout nicht möglich, weil ich ja meinen
Schlüssel vergessen hatte. Meine Mutter hatte offensichtlich
damit gerechnet. Denn sonst hätte sie den Zettel doch nicht
vor die Tür gehängt? Was hatte sich meine Mutter eigentlich
dabei gedacht, mich hier so allein und ohne Schlüssel zu hinterlassen?
Ich war doch noch klein. Oder zumindest nicht ganz so groß.
War ich meiner Mutter denn so egal? Was, wenn mich ein Kidnapper
vor der Türe entdecken würde? Oder so ein Kinderschänder?
Den müsste ich schnell ins Schienbein treten und dann abhauen.
Vielleicht wäre es aber auch sicherer, laut zu schreien? Immerhin
wohnten in dem Haus noch einige andere Leute. Aber die Oma von nebenan
war fast taub. Und der darunter hörte immer laut Musik. Die
anderen Mieter waren wohl eh beim Arbeiten. Arbeiteten Kidnapper
eigentlich auch?
Nach einer Weile hatte ich ziemlich Hunger. Außerdem war es
kalt und ungemütlich.
Ich könnte jetzt noch erzählen wie mich einer unserer
Nachbarn anpöbelte, ich solle nicht auf der Treppe herumlungern,
oder wie ich ein wenig in die Hose machte, weil ich plötzlich
dringend aufs Klo musste. Doch das würde an meiner Erzählung
auch nichts ändern und daran, dass heute der blödeste
Tag meines Lebens war!
Eigentlich finde ich, dass dieser Tag mit etwas grandios Schönem
hätte beendet werden müssen. Meine Mutter hätte mir
beispielsweise meine Lieblingspizza mitbringen und sich für
die Marmeladesocken entschuldigen müssen. Ich hätte ihr
großmütig verziehen, wir hätten uns umarmt und einen
heißen Kakao gemacht. Dann hätte ich meiner Mutter das
ganze Unglück meines Tages erzählt und wir hätte
gemeinsam darüber gelacht. Meine Schwester hätte uns nicht
stören dürfen, denn sie war an diesem Tag ja schon im
Bulberbad gewesen.
Aber das passierte natürlich nicht. Sondern ganz im Gegenteil.
Meine Mutter war zwar froh, dass ich gesund und munter vor der Türe
saß. Aber trotzdem musste sie gleich losmeckern, dass ich
das nächste Mal pünktlich sein solle. Dass ich nicht immer
meinen Schlüssel vergessen solle, und dass ich jetzt endlich
die Gelegenheit hätte, meine Marmeladesocken zu waschen. Meine
Schwester grinste mich hämisch an, erzählte mir, wie toll
es im Bulberbad war und fragte mich, warum ich so nach Meerschweinchenstall
stinken würde.
Ein blöder Tag ist nun mal ein blöder Tag. Auch wenn es
viele Geschichten gibt, die das Gegenteil behaupten.
* * *
Die Geschichte und die Bilder haben Nele Stein und Tine Neubert
extra für Rossipotti
gemalt
und geschrieben. Das finden wir toll! Vielen Dank an die beiden!!
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