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Rossipottis 11 Uhr Termin
Hochsommer
Lutz Rathenow
Frau Grell und Herr Grell spazieren im Park. Die Sonne sticht vom
Himmel.
"Die wird uns noch zerschmelzen!" Frau Grell setzt sich
erschöpft auf eine Bank.
Um im Gesicht braun zu werden, hält sie das Gesicht nach oben.
Der Sonne entgegen.
Herr Grell streckt seine Zunge heraus. Um zu testen, ob sein Schatten
auch die Zunge herausstreckt.
Nein, sie ist zu klein.
Aber Herr Grell gibt sich Mühe. Als seine Zunge vom Herausstrecken
schmerzt, bekommt der Schatten wirklich ein kleines Zünglein.
Frau Grell schwitzt weiter. Und Herr Grell setzt sich, um auszuruhen.
Er blinzelt mit den Augen, damit sie ihm nicht ganz zufallen. Er
muss an den Mond denken. An den Mond, der in der Nacht herunterfiel.
Wirklich.
Ein nächtlicher Mond - wir herrlich kühl!
Und Frau Grell schwitzt immer intensiver.
"Schön, dass so schönes Wetter ist", stöhnt
sie und scheint wirklich auseinander zu laufen.
Das Wasser sprudelt fast schon aus ihr.
"Zu Hilfe!" fleht Herr Grell. Aber sein Hals ist durch
die Hitze so trocken, dass es nur krächzt. Und neben ihm fließt
es weiter, bis Frau Grell zerschmolzen ist. Eine kleine Pfütze
gibt Zeugnis von ihr. Da weint Herr Grell kurz und heftig. Seine
Tränen ergeben auch eine kleine Pfütze. Doch die scheint
langsam zu verschwinden.
Herr Grell blickt fragend zur Sonne. Ach ja, ihre Strahlen saugen
das Wasser auf.
Seine Pfütze und die von Frau Grell verschwinden.
Herr Grell beobachtet Wolken, die aus dem Wasser entstehen. Eines
erinnert an eine Riesenportion Zuckerwatte.
Umgekippte Müllkübel.
Den Eisenbahnwagen auf einer Rolltreppe.
Und eine erinnert an Frau Grell, die auf einem Wattefernsehturm
durch den Himmel reitet.
Da winkt er aufgeregt und will was von seinen Erlebnissen erzählen.
Vom heruntergefallenen Mond. Und dass der gerade herunterpurzeln
musste, als er mit dem Hausdienst an der Reihe war. So musste er
alles wegkehren...
Doch Frau Grell nickt nur gleichgültig fröhlich und wirft
ihm geschickt Bonbons zu.
Sie fallen direkt in die Hand von Herrn Grell.
Diese wird davon langsam klebrig. Oder feucht? Oder regnet es auf
einmal?
"Ein richtiger Platzregen! Unter den Baum!" befiehlt Frau
Grell und zieht ihren gerade aus dem Nickerchen erwachten Mann von
der Bank.
"Bist du ganz vom Himmel gefallen oder in kleinen Stückchen?"
erkundigt sich Herr Grell.
Da lacht seine Frau: "Sozusagen tropfenweise."
Herr Grell nimmt die Auskunft ganz ernst. Immerhin hat seine Frau
den Sturz besser überstanden als der Mond letzte Nacht. Da
stritten die Leute wegen der ungerechten Verteilung der Stücke.
Die Kirschernte und mehrere Dachziegel waren auch beschädigt.
"Zum Glück fiel er zwischen drei und vier Uhr, sonst hätte
es Verletzte gegeben", spricht Herr Grell.
Und da sie beide durchnässt sind, ehe sie unter dem Baum stehen,
brauchen sie sich vor dem Regen gar nicht weiter zu verbergen.
Fröhlich laufen sie nach Hause.
Und Herrn Grell fällt plötzlich ein, wie schlimm es wäre,
wenn die Sonne herunterfiele. Kein Licht mehr... Und die Hitze auf
der Erde...
Nein, lieber etwas Monddreck.
Und Frau Grell hüpft im Regen umher. Dann tanzen die Tropfen
auf ihrer Haut im Takt mit.
* * *
Die
Geschichte hat Lutz Rathenow Rossipotti
freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Sie ist in dem Buch
Es war einmal ein Wolf. Geschichten für Kinder jeglichen
Alters im Burgverlag zu Weißensee in Thüringen
im Jahr 2000 erschienen. In dem Buch findet ihr auf 145 Seiten noch
viele andere skurrile und lustige Geschichten von Lutz Rathenow.
Das Buch ist nur beim Burgverlag zu Weißensee, Langer Damm
2 in 99631 Weißensee erhältlich. Wenn ihr es bestellen möchtet,
muss sich deshalb euer Buchhändler oder ihr euch selbst direkt
an den Verlag wenden.
* * *
Das folgende Gedicht ist auch von Lutz Rathenow, allerdings aus
einem anderen Buch. Das Bild dazu hat Egbert Herfurth gezeichnet.
Ist die Sonne sonnig heiß
Ist die Sonne sonnig heiß
treibt sie aus den Poren Schweiß
Der tropft in den Bach, fließt
in den Fluss, mündet ins Meer.
Das schmeckt nach Salz,
im Sommer noch mehr.
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Aus: Lutz Rathenow/Egbert Herfurth: Der Himmel
ist heut blau. Der Kinderbuch Verlag Berlin 2000. 49 Seiten. Neu:
Das Buch wird übrigens neu aufgelegt. Ab Oktober 2004 könnt
ihr das Buch für den sagenhaften Preis von 1,50 Euro beim Auer
Verlag unter der ISBN-Nummer 3403-03118 bestellen!
* * *
In der letzten Ausgabe haben wir euch an dieser Stelle eine Papa-Geschichte
von Alexa Hennig von Lange vorgestellt. Dieses Mal erzählt
Ulli Hannemann eine Papa-Geschichte. In Alexas Geschichte ist Lenas
Papa zwar oft nicht da, aber wenn er da ist, macht er es sich mit
Lena sogar in einer Brothöhle gemütlich. Beim Papa in
Ulis Geschichte ist es genau umgekehrt: Er scheint zwar immer da
zu sein, kommandiert dafür aber alle herum. Lest euch die Geschichte
einmal durch und überlegt euch, ob es solche Väter wirklich
gibt oder ob Uli stark übertrieben hat.
Wenn ihr Lust habt, könnt ihr uns eine eigene Papa-Geschichte
schreiben. Wenn sie schön ist, wird sie gleich unter Uli Hannemanns
Papa-Geschichte veröffentlicht.
Und jetzt kommt endlich die Papa-Geschichte von Uli:
Früher
von Uli Hannemann
Früher
ist man ja noch regelmäßig in die Kürsche gegangen. Wenn Sonntag
war und schönes Wetter und alles grünte und blühte und grünte. Papa,
Mama und wir haben die Eimer aus dem Keller geholt, die große Leiter,
Handschuhe und Verbandszeug. Mama hat die Leiter getragen und Papa
die Verantwortung. Wir Kinder dann die Eimer. Manchmal auch umgekehrt:
Mama die Eimer und wir die Leiter. Papa dann die Verantwortung -
man wusste ja nie! Wenn wir in der Kürsche angekommen waren, alle
Kinder rauf auf den Baum - unten Mama an der Leiter. Wir dann immer
die Kürschen runter und sie rein in den Eimer. Zuerst, wenn er noch
leer war, hat das immer "plöng, plöng" gemacht. Später "plitsch,
plitsch" und am Ende keine Geräusche mehr. War ein ganz weiches
Fallen dann. Mama stand stundenlang und hielt den Eimer. Wenn einer
voll war, hat sie nen neuen genommen. Das möchte sie mal mit Papa
machen, hat sie öfters gesagt - natürlich leise, damit er das nicht
hört.
Papa lag im Gras. Manchmal sind von uns welche runtergefallen. Das
war erst ein hartes Fallen. Bei den nächsten dann ein weiches Fallen.
Also erst "plöng", später "plitsch", am Ende keine Geräusche mehr.
Wir lagen dann im Gras - wie Papa, aber ohne Bier. Papa war ganz
außer sich, und wer konnte, musste wieder aufstehen und rauf auf
den Baum. Nur Papa blieb liegen und die, die ganz schwer verletzt
waren. Mama hielt den Eimer. Manchmal waren nicht mehr genug von
uns übrig, so dass der Eimer nicht voll genug wurde und der nächste
erst recht nicht und danach gar keiner mehr. Dann konnte Papa sehr
böse werden: "Ihr Scheißkinder", rief er dann, "ihr verfickten,
dreckigen kleinen Scheißkinder - man sollte euch abknallen wie tolle
Hunde!" In solchen Momenten konnte es sogar passieren, dass er sich
vor Empörung mit dem Oberkörper ein ganz klein wenig aus dem Gras
erhob. Ich machte mir aber nichts daraus, schon gar nicht, wenn
ich zu den Überlebenden gehörte. Ich wusste, dass er eigentlich
ein guter Mensch war. Ein bisschen aufbrausend vielleicht. Und faul.
Und rechthaberisch, dumpf, verlogen, gemein, brutal und dreckig.
Ich glaube, er war der Sohn des Teufels. Aber alles in allem war
Papa doch der Beste - er liebte halt einfach Kürschen! Inzwischen
gab Mama dem Bauern zwei Mark.
Tja, so war das früher, als man noch regelmäßig in die Kürsche
ging. Heute gibt's das ja alles fertig aus dem Glas.
* * *
Zur Beruhigung und zum Abkühlen gibt's jetzt noch ein kleines
Gedicht:
Regenguss
von Meike Haas
Es schnarcht der brave Ackergaul
in der Sonne und ist faul.
Der Ziegenbock legt sich daneben
und träumt von einem schönen Leben.
Auch Hund und Katze ruhn sich aus.
Es schläft sogar die dicke Maus.
Das sieht die Wolke Prasselpass
und denkt vergnügt: Euch mach´ ich nass!
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